Golf, Reisen

Wirtschaftskammer als Privilegienstadl?

Steiermark
20.04.2021 06:00

Reisen ins Ausland, Mitgliedschaften in Golfklubs: Die Privilegien der Wirtschaftskammer auf Kosten der Mitglieder regen auf. Wir haben uns bei steirischen Unternehmern umgehört: Was sagen sie dazu?

Das Stimmungsbarometer in der steirischen Wirtschaftskammer hat schon einmal bessere Werte angezeigt. Der WKO-Kontrollbericht der vergangenen Woche hat viele Unternehmer und Funktionäre verärgert, das spürt man bei einem Rundruf in weiß-grünen Betrieben. Worum ging’s? Die Prüfer kritisierten horrende Ausgaben für geparkte Mitarbeiter, Reisen, Mitgliedschaften in Golfklubs oder teure Schulen.

Ein Parade-Unternehmer der Steiermark, Werner Gröbl, findet im „Krone“-Gespräch deutliche Worte zur Causa: „Wir brauchen die WKO - aber eine ehrliche Kammer. Die Zwangsmitgliedschaften gehören abgeschafft!“ Der Wirtschaftskammer Steiermark ist der Ex-Möbelzar und nunmehrige Grazer Baulöwe „sehr dankbar“ - im Gegensatz zur Interessensvertretung in Wien: „Hier habe ich meine negativen Erfahrungen gemacht.“

Im konkreten Fall ging es um Prüfungen von Gewerbeberechtigungen. „Dort lassen sie Leute bewusst bei der Prüfung durchfallen, weil sie den Wettbewerb zurückhalten wollen. Sie verhindern in Wirklichkeit Arbeitsplätze!“ Für Gröbl sei das „strukturierte Korruption“. Er sei sogar bereit, Beweise dafür vor Gericht vorzulegen.

Auch jenen Unternehmern, die von der Corona-Krise hart getroffen wurden, stoßen die Privilegien der Top-Funktionäre sauer auf. „Ich weiß nicht, was diese Leute den ganzen Tag lang tun“, sagt Bettina Grieshofer, mittlerweile österreichweit bekannte Chefin des Hotels Anna Plochl in Bad Aussee. „Die Kammer soll die Milliarden, auf denen sie sitzt, endlich nutzen, um uns Unternehmer zu unterstützen!“ Der Kammerbeitrag störe sie nicht, aber mit der Lobby-Arbeit in der Hotellerie ist sie unzufrieden. „Das ist ein aufgeblasener Proporz-Apparat“, schimpft Grieshofer.

Kritik kommt auch aus anderen Branchen, etwa von Stefan Weinberger, der in Graz die Finum Private Finance AG leitet. „Es schockiert mich nicht einmal mehr. Die Intransparenz dort ist ein Wahnsinn.“

Robert Rötzer, Betreiber des Cafés Parks in Graz wünscht sich ebenso mehr Transparenz. „Die Leute im Fachverband Gastronomie sind aber fleißig.“Heftige Kritik der Oppositionsparteien„Zuschüsse für Mitgliedschaften etwa in Golfklubs sind eine Zweckentfremdung der Beiträge“, tobt Architekt Gerhard Deutschmann, dritter Landtagspräsident (FPÖ). Ins selbe Horn stößt Neos-Chef Niko Swatek: „Statt mit Zwangsbeiträgen Jachtklub-Abos zu finanzieren, sollte die Kammer ihre Rücklagen von 1,7 Milliarden auflösen!“ Empört sind auch die Grünen. Andrea Kern betreibt ihr Ein-Personen-Unternehmen in Graz und ist Sprecherin der Grünen Wirtschaft. „Probleme, wie die geringe soziale Absicherung, werden nicht wahrgenommen. Es bräuchte mehr Transparenz, was mit dem Geld passiert.“

WKO-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg wehrt sich gegen die Vorwürfe, die nichts mit der Steiermark zu tun hätten. Explizit bezieht er sich auf die Kritik an Auslandsreisen für Funktionäre: „Es gibt Studienreisen, die man sorgfältig planen muss. Die sind bei uns nur eingeschränkt möglich. Sie müssen argumentierbar sein und das Fachliche muss überwiegen. Selbiges Kontrollamt stellt der Steiermark ein sehr gutes Zeugnis aus.“

 Gut zu wissen: Wer zahlt Mitgliedsbeiträge an die Wirtschaftskammer Steiermark?
Rund 75.000 steirische Unternehmen sind Mitglieder und zahlen eine so genannte Grundumlage an die jeweilige Fachorganisation der Wirtschaftskammer. Über alle Fachgruppen gerechnet fallen dafür durchschnittlich 271 Euro pro Jahr an.

Wer ist Mitglied bei der WKO und wieso?
Laut dem Wirtschaftskammergesetz von 1998 ist jeder Mitglied, der ein Unternehmen - egal, ob in der Industrie, im Gewerbe oder als Dienstleister - betreibt. Die Kammer soll die gemeinsamen Interessen der Mitglieder repräsentieren und sich für die Unternehmer einsetzen.

Wie setzen sich die Mitgliedsbeiträge zusammen?
Ein-Personen-Unternehmen zahlen im Schnitt nur 120 Euro Grundumlage. Je größer, desto teurer also: Wer mehr als 150.000 Euro Umsatz im Jahr macht, zahlt auch die Kammerumlage 1; wer Mitarbeiter hat auch die Kammerumlage 2, die sich nach der Gehaltssumme richtet.

 Was geschieht mit den Beiträgen?
Damit werden die Leistungen der Wirtschaftskammer finanziert. Das sind Interessensvertretungen, die beispielsweise Gesetze begutachten, auch Service wie Rechtsauskunft und Gründerservice. Außerdem gibt es viele Bildungsangebote, etwa beim Wifi oder Talentecenter.

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