„Dinge vorenthalten“

FPÖ wittert „tiefen Staat“ auch in Österreich

Politik
22.02.2021 19:04

Die FPÖ hat am Montag eine Pressekonferenz zum Thema „Ibiza und seine Folgen“ abgehalten und dabei laut eigener Aussage die „Bombe platzen“ lassen, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein „Mitdirigent“ der Ibiza-Affäre sei. Dazu legte FPÖ-Nationalrat Christian Hafenecker Kalendereinträge Van der Bellens vor, die beweisen sollen, dass dieser vor der Veröffentlichung des Videos mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gesprochen habe, womöglich sogar über das baldige Ende der türkis-blauen Koalition und die Möglichkeit einer türkis-grünen Koalition nach Neuwahlen.

Das Medieninteresse sei „seit der Ibiza-Zeit nicht mehr so groß gewesen“, sagte Hafenecker zu Beginn seiner Ausführungen. Gleich darauf sagte der Fraktionsführer der Blauen im Ibiza-Untersuchungsausschuss, dass sich in den vergangenen Monaten während seiner Arbeit im Ausschuss ein „tiefer Staat offenbart hat, der sich in Österreich festgesetzt hat oder aufgebaut worden ist“.

Was ist ein „tiefer Staat“?
Dabei gehe es nicht nur um die ÖVP, sondern auch um Institutionen des Staates und Spitzenbeamte, die diesem tiefen Staat „Vorschub leisten“. Dazu habe Hafenecker einige Notizen im U-Ausschuss gemacht, die seine These des „tiefen Staates“ unterstreichen sollen. Doch zunächst einmal, was genau ist ein „tiefer Staat“? Mit dieser Formulierung ist häufig eine verbotene oder illegitime Machtstruktur innerhalb eines Staates gemeint. Dabei soll eine zumeist verdeckte Macht von Gruppen ausgehen, die nicht zum Wohle des Staates handeln, sondern ihre ganz eigenen Interessen durchsetzen wollen.

Trump und der „deep state“
Der Begriff des „deep state“ oder „tiefen Staats“ existiert schon länger, zu neuer Berühmtheit gelangte er allerdings erst durch den US-amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump, der während seiner Amtszeit häufiger von einer Verschwörung im Zusammenhang mit dem „deep state“ gesprochen hatte. Der Begriff muss in den USA allerdings nicht nur für verschiedene Verschwörungstheorien herhalten, sondern wird von einigen Konservativen auch dazu verwendet, die aus ihrer Sicht tief in Washington verwurzelte Politbürokratie zu beschreiben.

FPÖ sieht „tiefen Staat“ in Österreich
Was hat das alles aber nun mit Österreich, der FPÖ und dem Terminkalender von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu tun? Der Kalender beweise laut Hafenecker, dass es einen solchen „tiefen Staat“ in Österreich gebe. So habe man ihm im U-Ausschuss mitgeteilt, dass die Kalender Van der Bellens und seines Kabinettschefs privat seien und dass es keine Back-ups davon gebe. Das sei insofern bemerkenswert, wenn man auf der anderen Seite sehe, dass im Innenministerium des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) „sogar die Gästeliste“ im U-Ausschuss angekommen sei. Das zeige laut Hafenecker, dass für die FPÖ andere Regeln gelten würden als etwa für die ÖVP oder andere Parteien.

„Es gibt Institutionen und Beamte, die uns Dinge vorenthalten im Ibiza-Untersuchungsausschuss“, so Hafenecker. Dabei verwies er auf „das Ibiza-Video per se“ und wie lange es gedauert habe, bis das Video in den U-Ausschuss gelangt sei und „was für einen Eiertanz“ es deshalb in den Behörden gegeben habe, bis überhaupt von der Existenz des Videos berichtet worden sei. Auch danach habe es bekanntermaßen noch einmal drei Monate gedauert, bis der U-Ausschuss „qualitativ schlechte Aufnahmen“ des Ibiza-Videos erhalten habe.

Hafenecker spricht von einem „inszenierten Eiertanz“
Den gleichen „behördlichen Eiertanz“ habe es auch im Zusammenhang mit den SMS an Kanzler Kurz gegeben, die man vom Handy Heinz-Christian Straches sicherstellen hätte müssen. „Die haben uns auch bis dato nicht erreicht“, weil man aber permanent Druck gemacht habe, gebe es zumindest insofern Entwarnung, als diese Woche der SMS-Verlauf von ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Kurz dem U-Ausschuss zur Verfügung gestellt werde. Einen „inszenierten Eiertanz“ habe es auch zwischen dem Innenministerium (BMI), der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) und der WKStA im Zusammenhang mit der Auswertung von Straches Mobiltelefon gegeben.

Den nächsten Eiertanz habe es von der Bundespräsidentschaftskanzlei gegeben, die erst vergangene Woche darüber informiert habe, dass es „eigentlich schon vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos ein stichhaltiges E-Mail an Van der Bellen gegeben hat“ und zwar von „niemand Geringerem“ als dem Drahtzieher der Ibiza-Affäre, dem Privatdetektiv Julian H. Dieser habe die Nachricht als „Testament“ tituliert und ganz gezielte Informationen über das Ibiza-Video an den Präsidenten übermittelt.

Da müsse man sich schon die Frage stellen, warum man den Behörden diese Nachricht erst „zwei Jahre später“ zur Verfügung stelle. Deshalb stellte Hafenecker die Frage in den Raum, ob in der Präsidentschaftskanzlei „noch alle bei Trost sind, oder ob man Beweise unterdrückt hat“.

Behinderung und politische Einflussnahme
Auf die Frage, was Hafenecker mit dem „tiefen Staat“ genau meine, antwortete er am Montagabend auf krone.at-Anfrage, dass es zu politischer Einflussnahme inklusive gegenseitiger Behinderung der Ermittlungen bei der WKStA, der OStA und im BMI (Soko Tape) gekommen sei. Die Kurz-SMS hätte man dem U-Ausschuss bisher „aus fadenscheinigen Gründen“ vorenthalten. Außerdem habe die Präsidentschaftskanzlei den Kontakt zu Julian H. vorenthalten und anschließend auch noch „die glatte Unwahrheit verbreitet“.

„Genau das, was man als tiefen Staat bezeichnet“
Abschließend könne man daher sagen, dass „diese Behinderung von Ermittlungen durch Behörden und höchste Staatsorgane genau das ist, was man als ,tiefen Staat‘ bezeichnet. Aufgrund dieser Verschränkung der drei Gewalten Exekutive, Judikative und Legislative sowie offensichtlich bestehender Machtstrukturen sind wir der Überzeugung, dass die ÖVP einen tiefen Staat errichten wollte und dieses Ziel noch immer verfolgt“, so Hafenecker.

„Haufen absurder Verschwörungstheorien“
Die ÖVP hingegen scheint sich unterdessen recht sicher, wie die jüngsten Darstellungen der Freiheitlichen einzuordnen sind: „Die von der FPÖ angekündigte politische ‚Bombe‘ entpuppte sich als Haufen absurder Verschwörungstheorien. Die peinliche Inszenierung inklusive tagelangem Countdown gipfelte lediglich in abstrusen Anschuldigungen und der Ankündigung substanzloser Anzeigen“, erklärte die stellvertretende VP-Generalsekretärin Gaby Schwarz.

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