Ohne Rückgrat?

Grüne zu ÖVP: „Uns sind Hände nicht gebunden“

Politik
19.02.2021 18:00

Die WKStA ermittelt gegen Mitglieder der ÖVP, führt eine Hausdurchsuchung beim amtierenden Finanzminister durch, der Bundeskanzler kritisiert die Behörde dafür scharf und erstmals befürwortet die Partei plötzlich eine unabhängige Bundesanwaltschaft. Wie das alles einzuordnen ist, bespricht Damita Pressl bei „Moment Mal“ mit der Präsidentin der Richtervereinigung Sabine Matejka sowie der grünen Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer.

Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft müsse zwar möglich sein, sagt Matejka, aber hier werde „in einem laufenden Verfahren Kritik geübt, die nicht unbedingt sachlich begründet ist“. Es werde für den Beschuldigten Partei ergriffen und das Bild erweckt, dass die Ermittlungen völlig unbegründet seien. „Wir alle kennen die genauen Unterlagen nicht. Wir wissen nicht, was der Staatsanwaltschaft alles zur Verfügung steht und was der Hintergrund der Ermittlungen ist.“

Die ÖVP hatte wiederholt zu bedenken gegeben, dass die WKStA von insgesamt 40.000 Personen nur etwa 400 verurteilt hatte. Die Justiz betont allerdings, dass diese Statistik so nicht stimmt: „Diese Zahl von 40.000 umfasst praktisch jeden, der irgendwann namentlich an die Staatsanwaltschaft herangetragen wurde. Angenommen ich würde eine anonyme Anzeige gegen Sie einbringen, wären Sie eine dieser 40.000.“ Auch, wenn die Staatsanwaltschaft die Anzeige als unsinnig erachtet und nie Ermittlungen einleitet. „Daher hat diese Zahl überhaupt keine Aussagekraft“, so Matejka.

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Eine eidesstattliche Erklärung hat im Strafverfahren überhaupt keine Bedeutung. Sie hat auch keine Beweiskraft.

Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung

Zu den eidesstattlichen Erklärungen von Gernot Blümel und Martina Kurz sagt Matejka: „Eine eidesstattliche Erklärung hat im Strafverfahren überhaupt keine Bedeutung. Sie hat auch keine Beweiskraft.“ Beschuldigte nämlich müssen nicht die Wahrheit sagen und dürfen sich nach Belieben verteidigen - auch durch Lügen. Auch Zeuginnen stehen nicht unter Wahrheitspflicht; „eine Aussage von Frau Kurz wäre nur dann im Sinne des Strafrechts relevant, wenn eine förmliche Einvernahme erfolgt“, erklärt Matejka. „Ich ordne es unter Öffentlichkeitsarbeit ein.“

Ob es normal sei, dass Anwälte routinemäßig Anfragen an die WKStA stellen, ob gegen ihre Mandanten ermittelt werde, wie das laut Bericht der „Presse“ bei Gernot Blümel der Fall war? „Ich gehe davon aus, dass ein Anwalt das nur dann tut, wenn irgendein Grund zur Annahme besteht, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt“, sagt Matejka. Eine Hausdurchsuchung hingegen sei tatsächlich eine Routineangelegenheit, erklärt Matejka: „Das kommt recht häufig vor und 90 Prozent dieser Fälle sind völlig unspektakulär.“ Die Hürde, damit eine Hausdurchsuchung bewilligt werde, sei nicht allzu hoch.

Dass das alles der Regierung nicht gut tut, ist klar. Kritiker werfen den Grünen mangelndes Rückgrat vor. „Uns sind die Hände nicht gebunden“, sagt Prammer zur Lage in der Koalition, und sie geht einher mit der Aussage der grünen Klubchefin Sigrid Maurer: Sollte es zu einer Anklage gegen den Finanzminister kommen, müsse man die Situation neu bewerten. Auch den Sinkflug der Grünen in den Umfragen sieht Prammer gelassen: Nächste Woche werde das Transparenzpaket präsentiert, so Prammer, und hier werde die Partei aufholen. „Das ist ein ganz wesentlicher Meilenstein und eines der Projekte, für die wir in diese Regierung gegangen sind. Wir werden mit diesem Paket etwas Epochales schaffen.“

„Im Moment ist vieles im Fluss“
Das Amtsgeheimnis werde abgeschafft, und so könne jeder interessierte Bürger von Behörden Informationen über Verwaltungsvorgänge erhalten, wobei ein Rechtsanspruch auf Auskunft besteht. Ebenfalls soll der Rechnungshof mehr Kontrollrechte bei Parteifinanzen erhalten, die Grünen wünschen sich auch eine niedrigere Parteikostenobergrenze - Forderungen, die vor zwei Wochen noch schwierig gewesen wären, so Prammer. „Im Moment ist sehr vieles im Fluss. Wir sind in intensiven Verhandlungen.“

Nun soll in Österreich endlich eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft her. Derzeit, erklärt Matejka, ist die Weisungsspitze für die Staatsanwaltschaft die jeweilige Justizministerin. „Das ist ein politisches Organ“, es wechsle häufig und der Verdacht auf politische Einflussnahme auf Ermittlungen sei naheliegend. „So vorsichtig kann ein Minister gar nicht sein und das schadet letztlich auch dem Vertrauen in die Justiz.“ Ein Bundesstaatsanwalt sei also wünschenswert, sagt Matejka; die Person müsse qualifiziert sein, dürfe nicht aus der Politik kommen und müsse in einem fairen Auswahlverfahren ohne politische Einflussnahme auserwählt werden.

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