„Krone“-Interview

Gazelle & The Bear: Sound zur Horizonterweiterung

Musik
08.02.2021 06:00

Zwei heimische Vollblutmusiker treffen sich bei einem Kunstprojekt, finden zueinander und erschaffen seelenvolle Musik, die international und zukunftsträchtig erklingt. Hinter diesem Märchen stecken Gazelle & The Bear aka Ines Kolleritsch und Julian Brennan. Wir haben nachgefragt, was hinter dem neuen Soul/Jazz/R&B/Hip-Hop-Projekt aus Wien steckt.

(Bild: kmm)

Modern-Jazz mit Hip-Hop, R&B und schrägem Pop-Appeal muss man nicht ausschließlich international suchen. Abhilfe schaffen hierzulande die neugegründeten Gazelle & The Bear, die auf ihrem Debütalbum „Weird Shaped Clouds“ smoothe Klänge mit inhaltsstarken Texten und ausdrucksstarken Stimmen verknüpfen. Hinter dem Duo stecken zwei Tausendsassa der heimischen Musikszene. Ines Kolleritsch, bekannt von Lucid Kid, Maravica und Co., sowie Julian Brennan, nimmermüder Komponist und Live-Schlagzeuger von Alice Phoebe Lou und James Hersey von Montreux bis Primavera, haben ihre kompositorischen Kräfte gebündelt, um aus ihren musikalischen Wurzeln eine ganz neue, exklusive Klanggeburt zu erschaffen.

Im Sommer 2019 arbeiteten die beiden erstmals für einen Kompositionsauftrag für das Kollektiv „All Aut Females“ zusammen und verliebten sich künstlerisch sofort ineinander. Da auch die menschliche Komponente sofort passte, machten sich die beiden umgehend ans Songschreiben und begeisterten schon im März 2020 mit der Single „Mama“, die sich um das ernste Thema Bodyshaming dreht und trotzdem unverschämt leichtfüßig aus den Boxen kommt. Erste Konzerte und weitere Songs waren Corona-bedingt stückchenweise möglich, auf weitere Liveauftritte muss man leider warten. Das Debütalbum „Weird Shaped Clouds“ erblickt nun dennoch das Licht der Welt - zu unserem Glück!

„Krone“: Ines, Julian - mit Gazelle & The Bear haben sich zwei Vollblutmusiker zusammengefunden, um ihre Stärken und Leidenschaften in einem Projekt zu bündeln. Wo liegen denn diese Stärken und was macht die besondere Magie zwischen euch aus?
Gazelle & The Bear: Eine der Stärken bei uns im Projekt ist auf jeden Fall, dass die Kommunikation miteinander an erster Stelle steht, was eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit ist. Das Besondere bei Gazelle & The Bear ist, dass wir viel aufeinander eingehen und versuchen, uns gegenseitig alle musikalischen Freiheiten zu lassen. Diese musikalische Offenheit und das Gefühl einer künstlerischen Freiheit zählt auf jeden Fall zu unseren Stärken.

Was war die Grundlage für eure Kooperation? Musikalischer Geschmack? Sympathie? Dieselbe Visionen und Ziele? Und wo unterscheidet ihr beide euch genau so, dass es eben fruchtbar und nicht anstrengend ist?
Unser musikalischer Geschmack war auf jeden Fall ein ausschlaggebender Punkt, abgesehen davon, dass wir uns gegenseitig von dem künstlerischen Schaffen voneinander inspiriert gefühlt hatten. Wir unterscheiden uns sicher in der Hinsicht, dass wir unterschiedliche Herangehensweisen beim Arbeiten haben, die aber auch Rollen sind, in denen wir uns immer wieder abwechseln. Dazu gehört, dass einer von uns vielleicht mal mehr aus dem Bauch heraus agieren möchte, sich mehr ins Ungewisse fallen lässt, die andere Person nach einem gewissen Schema gehen möchte. Da finden wir letztendlich immer eine gute Balance und haben oft das Gefühl, dass das die Musik extrem bereichert.

Wie sieht denn die Zusammenarbeit zwischen euch in der Praxis aus? Wie entstehen Songs, wie entstehen Texte und wie entsteht im Endeffekt ein Album, das sicher auch von Corona-Restriktionen überschattet war?
Bei uns passiert der Kompositionsprozess bei fast allen Songs gemeinsam. Wir haben uns für das Album in einem weiten Spektrum von Songwriting-Möglichkeiten wiedergefunden. Einmal sitzt eine Person am Klavier und beginnt mit harmonischen Ideen/Akkordfolgen und ausgehend davon versuchen wir Melodien darüber zu schreiben. Manchmal sitzen wir gemeinsam an einem Text, summen währenddessen Melodien und kreieren so eine Grundfarbe. Manchmal ist es nur ein Rhythmus, ein Gefühl oder ein Vibe, der als Basis eines Songs dienen kann. Natürlich kann es auch Ausnahmen geben, dass man auch mal die Grundsteine des Songs alleine legt, um dann später gemeinsam daran zu arbeiten. Wir haben nicht direkt mit der Idee gespielt, ein Album zu schreiben. Das hat sich langsam im Songwriting- und Aufnahmeprozess herauskristallisiert. Selbst als für uns klar war, dass wir ein Album machen wollen, haben wir nicht per se an einen roten Faden gedacht, sondern mehr versucht aus dem Bauch heraus unseren künstlerischen Ausdruck in Songs einzufangen. Wir waren beim Fertigwerden selbst überrascht, dass es sich nach einer Geschichte, nach einem Album mit rotem Faden anhört. Es hat sich am Ende also alles schön zusammengefügt obwohl es ursprünglich gar nicht so geplant war.

Ihr habt auch beide internationale Erfahrungen. Ines mit Touren mit Kaiko und etlichen Band und Koops, Julian als Schlagzeuger für James Hersey, Alice Phoebe Lou und Co. International klingt auch euer Debütalbum „Weird Shaped Clouds“. Woher kommen die wichtigsten und entscheidendsten Inspirationen?
Unsere bisherigen musikalischen Erfahrungen und die KünstlerInnen und Projekte mit denen wir zusammengearbeitet haben,
prägten uns sehr. Songs zu schreiben ist für uns auch immer von Gefühlen, Erlebnissen und zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflusst. Zu unseren Inspirationsquellen zählen für uns KünstlerInnen, die wir sehr schätzen. Von Robert Glasper, Cleo Sol, Norah Jones über Sampha und Erykah Badu bis hin zu Silvia Pérez Cruz und Frank Ocean.

Natürlich muss auch die Geschichte hinter dem Bandnamen noch einmal genauer erläutert werden - was steckt denn da genau dahinter?
Wie so oft steckt gar nicht so viel dahinter, aber wenn man‘s erläutern müsste sind Bären und Gazellen einfach coole Tiere. (lacht)

Euer Sound ist sehr smooth und trotz eurer musikalischen Fertigkeiten sehr leichtfüßig und für alle HörerInnen gut zugänglich. Ist das manchmal schwierig, einen Sound eben locker klingen zu lassen und ihn auf drei Minuten und die Essenz runterzubrechen?
Vorerst einmal danke, das ist sehr schön gesagt. (lacht) Wir hören beide zwar gerne auch „komplexe“ Musik aber wollen kompositorisch meistens einen Sound schaffen, der viel Ruhe mit sich bringt und uns entspannt, uns träumen lässt und uns inspiriert. Wir versuchen immer auf die Grundstimmung eines Songs einzugehen, wir sehen da keine Grenzen. Das kann von sehr „komplexer“ Musik bis zu „ganz simplen“ Klängen gehen. Auch hier sind wir sicherlich stark inspiriert von KünstlerInnen wie D’Angelo oder Robert Glasper, die es schaffen einen Sound zu kreieren, der für die ZuhöherInnen aber auch für MusikerInnen, die gerne „komplexere“ Musik hören, funktioniert.

Was steckt hinter den „Weird Shaped Clouds“? Worauf spielt der Albumtitel an und ist das Album an sich als konzeptionell zu betrachten?
Der Name ist sehr zufällig entstanden, hat aber im Nachhinein für uns den Sound vom Album sehr gut beschrieben. Wolken, in denen man sich fallen lassen kann, die einen zum Nachdenken anregen können, vielleicht inspirieren oder doch verwundern können.

Modern Jazz, R&B, Hip-Hop und auch ein schönes, artifizielles Pop-Feeling haben bei euch Platz. Wo steckt ihr die Grenzen zu eurem Sound ab und was würdet ihr als Identität der Band definieren?
Wie schon zuvor gesagt, haben wollen wir uns nicht bewusst Grenzen setzen, sondern wollen all unseren Ideen gegenüber offen sein. Das kann ein cheesy-poppiger Lovesong oder ein ausgehirnter Modern-Jazz Vibe sein.

Worum drehen sich denn die inhaltlichen Themenbereiche? Ein Song wie „Mama“ etwa ist ja durchaus auch gesellschaftskritisch zu sehen und dreht sich zum Beispiel um Body Shaming.
Bis jetzt haben wir uns Themen gewidmet wie die Suche nach Selbstliebe, klassischen Liebesliedern, Bodyshaming bis hin zu Liedern zum Traurigsein. In unserem Song „High Road“ geht es zum Beispiel sehr viel um das Thema der Empathie und des Verständnisses. Dass selbst, wenn man mit einer Person komplett anderer Meinung ist und man oft nicht verstehen kann, wieso eine Person so „tickt wie sie tickt“, man durch Zuhören, Offenheit und einen Perspektivenwechsel seinen Horizont erweitern kann.

Brauchen Gazelle & The Bear-Songs eine Message und einen gesellschaftlichen Inhalt?
Wir schreiben ausschließlich über Themen, die uns berühren und beschäftigen. Wir würden keinen Song schreiben um bloß einen Song zu schreiben, wenn es nicht gerade ein Thema gibt, das uns inspiriert.

Am Album befinden sich auch die Songs „Joy“ und der Closer „Overjoyed“ - besteht da ein direkter Zusammenhang?
„Overjoyed“ ist im Live-Setup das Outro von „Joy“ und eine musikalische Fortsetzung.

Gesellschaftlich wichtige Themen wie Gleichberechtigung, Empowerment, Selbstbestimmung und auch Selbstliebe werden hierzulande auch im musikalischen Kosmos immer wichtiger. Inwieweit wollt ihr aktiv Teil solcher Bewegungen sein und inwieweit soll die Musik auch einfach nur Spaß machen?
Für uns persönlich ist die Balance wichtig, aber wir machen auch nur Musik die uns selbst Spaß macht zu performen.

Gab es auch Gäste und Freunde bzw. Kooperationspartner, die ihr bewusst am Projekt haben wolltet, oder sollte das Album in erster Linie euch und eure Stärken widerspiegeln?
Wir haben insgesamt mit zwei KünstlerInnen zusammengearbeitet. Einerseits mit unserem guten Freund und großartigem Musiker Florian Faltner, der uns beim Song „Joy“ mit seinen „juicy Basslines“ unterstützt hat. Andererseits mit dem in Berlin wohnhaften und in Brooklyn aufgewachsenen Rapper Stimulus, mit dem wir im Distance-Tele-Working-Mode für den Song „When You’re Around“ kooperierten.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Stimulus?
Relativ unspektakulär muss man sagen. (lacht) Stimulus ist ein Freund und Künstler, den wir sehr schätzen. Bei der Entstehung von „When You’re Around“ wollten wir eine Person als Feature einladen und haben sofort an ihn denken müssen und ihn gefragt. Es ging dann alles relativ schnell, zwei drei Nachrichten hin und her und eine Woche später war sein Rap-Part da. Mit der Inspiration von seinem Part haben wir dann den Song fertiggestellt und arrangiert.

„In My Head“ - was geht dann da in eurem Kopf vor? Worauf spielt der Song an?
„In My Head“ ist eine der Ausnahmen bei der Ines das Grundgestell des Songs entworfen hat. Eigentlich handelt er von dem Gefühl, das man bekommen kann, wenn man jahrelang mit chronischen Schmerzen zu kämpfen hat und einfach nicht mehr kann. Ein Song, mit dem man traurig sein kann und diese Trauer auch zulassen kann und vielleicht sogar umarmen möchte.

Julian, du lebst ja glaube ich hauptsächlich in Berlin oder? Wie ist da die derzeitige Lage und pendelst du bzw. wie geht sich das bei euch mit dem Songschreiben und Zusammenarbeiten zurzeit alles aus?
Berlin ist meine Zweitheimat aber ich lebe in Wien. (lacht) Aufgrund der momentanen Situation pendle ich eigentlich nicht aber vermisse Berlin schon sehr!

Was bedeutet euch selbst dieses Projekt im Vergleich zu allen anderen Spielwiesen, bei denen ihr so unterwegs seid? Wie sind da künftig die Prioritäten gewichtet?
Es ist generell für uns oft schwierig, Projekte zu vergleichen, dadurch dass alle so unterschiedlich sind.

Die Album-Releaseshow im Radiokulturhaus ist jetzt vorerst einmal für 19. März avisiert. Das schaut natürlich nicht so gut aus, aber unabhängig davon - was darf man sich live von euch erwarten und wie sind da in weiterer Sicht die Pläne dahingehend?
Wir haben einige Konzerte und bereits eine Tour für 2021 geplant, nichts davon ist - wie erwartet - in Stein gemeißelt, sondern steht noch in den Sternen. (lacht) Die Konzert-Updates und Shows die zurzeit „fixiert“ sind und für die man Karten kaufen kann, lassen sich auf unseren Websites finden:
www.julianberann.com & www.ineskolleritsch.com.

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