12.10.2020 13:43 |

Zwiespältiges Zeugnis

Ischgl-Bericht: Fehler und Kommunikationsprobleme

Alles richtig gemacht, oder doch nicht? Am Montagnachmittag trat in Innsbruck die Expertenkommission rund um den ehemaligen Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ronald Rohrer, vor die Medien, um den mit Spannung erwarteten Bericht zur Untersuchung des Corona-Krisenmanagements Tirols in Sachen Ischgl und Co. zu präsentieren. Vorweg: Die Kommission hat einerseits mit Kritik und andererseits mit Entlastung der Verantwortlichen im Bezirk Landeck und im Land Tirol aufgewartet.

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Seit Anfang Juni hatte die sechsköpfige Kommission in insgesamt vier mehrtägigen Sitzungen 53 Auskunftspersonen angehört. Unter ihnen befanden sich Touristiker, Seilbahnverantwortliche, Personen, die mit Covid-19 infiziert waren, ein Fernsehjournalist, ein Vertreter des Verbraucherschutzvereins, Ärzte und Wissenschaftler, Vertreter der Wirtschaft und die Verantwortungsträger der Bezirke, des Landes und des Bundes.

Die Anhörungen umfassen insgesamt fast 41 Stunden Tonmaterial und sind auf 287 Seiten verschriftlicht. Die vom Land Tirol vorgelegten und zusätzlich von der Kommission beigeschafften Unterlagen umfassen einschließlich jener Teile des Strafaktes, die das zur Einsicht in den Strafakt berechtigte Land Tirol der Kommission überlassen hat, 5798 Seiten.

Ziel der Kommissionstätigkeit sei es laut Rohrer gewesen, zu erheben, was im Zuge der sich ausbreitenden Infektionen gut gelaufen ist, wo es etwaige Schwachstellen gab und wo es zu Fehlern bzw. Fehleinschätzungen gekommen ist.

Fehleinschätzungen im Bezirk Landeck, kein Druck auf Land
Verantwortungsträger und Mitarbeiter der Behörden des Landes Tirol hätten sowohl auf der Ebene des Landes als auch der Bezirke, oft unter großem Zeitdruck, in der beispiellosen Krisensituation ein großes Arbeitspensum bewältigt. Es sei dabei in einem Bezirk zu folgenschweren Fehleinschätzungen gekommen.

Die Beendigung des Skibetriebes in Tirol sei grundsätzlich richtig und angemessen gewesen, dass das Land dabei von Touristikern oder Seilbahnbetreibern unter Druck gesetzt worden sei, dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Das Zuwarten mit der Verordnung zur Beendigung des Skibetriebes in Ischgl bis zum 12. März sei aus „epidemiologischer Sicht“ aber falsch gewesen. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Fehlverhalten des Bürgermeisters geortet - dieser hätte noch an diesem Tag die Verordnung der Beendigung der Skisaison an der Amtstafel kundmachen müssen. Dies geschah jedoch erst am 14. März - damit habe er gegen die Gemeindeordnung verstoßen und den Skibetrieb noch länger aufrecht erhalten.

Verordnung zur Schließung hätte am 9. März erfolgen müssen
Überdies hätte nach Bekanntwerden der Infektionen der Isländer (5. März) und des norwegischen Kellners in der Apres-Ski-Bar „Kitzloch“ (7. März) bereits im Laufe des 9. März die Schließung des Seilbahnbetriebs und aller Apres-Ski-Lokale sowie die Untersagung von Menschenansammlungen verordnet werden müssen - die „Besonderheit“ der Virenübertragung in diesen Lokalen sei für die Verantwortlichen „klar erkennbar“ gewesen. Stattdessen wurde am 8. März das „Kitzloch“ nach dem Austausch des Personals und einer „Wischdesinfektion“ wieder eröffnet, tags darauf wurde es behördlich geschlossen. Am 10. März wurden schließlich alle Apres-Ski-Lokale im Ort gesperrt. 

Quarantäne-Erlass ohne Bedacht
Die Ankündigung der Verhängung der Quarantäne über das Paznaun und St. Anton am Arlberg am 13. März durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sei überraschend erfolgt und „ohne Bedachtnahme auf die notwendige substanzielle Verbreitung“. Es habe an Kommunikation und der Einbeziehung der allein zuständigen Bezirkshauptmannschaft Landeck gefehlt.

Kurz habe Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Vormittag zwar darüber informiert, der Landeshauptmann habe dabei aber darauf verwiesen, dass den Stäben noch viel Arbeit bevorstehe, weil noch nicht alle Details klar seien, schilderte der Kommissionsvorsitzende Ronald Rohrer. Kurz selbst habe dann in seiner Befragung jedoch angegeben, dass er davon ausgegangen sei, dass die Stäbe die notwendigen Vorbereitungen getroffen hätten.

Kontrollierte Abreise hätte erfolgen können und müssen
Ab Erkennbarkeit der Infektionsgefahr wäre ein kontrolliertes Abreisemanagement zu planen und umzusetzen gewesen, hieß es. „Die missverständliche Ankündigung des Bundeskanzlers hätte für die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck Anlass sein müssen, sofort im Wege der Tourismusverbände dahin gehend zu informieren, dass die Abreise der ausländischen Gäste nicht sofort, sondern gestaffelt und kontrolliert über das Wochenende erfolgen kann und muss.“

Überarbeiteter Pandemieplan offenbar nicht veröffentlicht
Zudem kritisierte Rohrer das Gesundheitsministerium. Dieses habe trotz frühem Wissen über die Ansteckungsgefahr den überarbeiteten Pandemieplan nicht veröffentlicht. Zudem wurde das veraltete Epidemiegesetz von 1950 weder auf seine Anwendbarkeit in Tourismusgebieten geprüft, noch wurden rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobilität anzupassen.

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