Interview mit Vitalpin

„Müssen die Extreme im Tourismus zurückschrauben!“

Tirol
13.08.2020 15:00

Vor einem Jahr wurde der Verein Vitalpin gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hat, Unternehmen und Menschen zu verbinden, die von und mit dem Tourismus leben. Zum Start zählte man noch 25 Mitglieder. Mittlerweile sind es 95. Sie stammen aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz. Geschäftsführerin Theresa Haid erläutert im Interview mit der „Krone“, wie ein nachhaltiger Tourismus in Tirol aussehen kann und welche Mitglieder sich seit der Gründung angeschlossen haben. 

Krone: In einer Presseaussendung haben Sie gesagt, dass Sie im Tourismus von den Extremen zurück zum rechten Maß wollen. Was stellen Sie sich darunter konkret vor?
Haid: Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Der Rückhalt der Bevölkerung für den Tourismus, die so genannte Tourismusgesinnung, schwindet. Das macht ein Umdenken unter Branchenvertretern und Betrieben notwendig. Mit dem zurecht gestiegenen ökologischen Augenmerk steht das Wirtschaften in und mit der Natur im Fokus. Auch wenn bei Projekten seit langem ein hoher Standard im Umweltmanagement gilt, können Touristiker nicht abgegrenzt ihr Geschäft betreiben. Es braucht noch mehr Dialog, um die Zukunft in den Alpen konstruktiv zu gestalten. Das ist unser Ziel. Verstärkt eingebunden werden muss auch die Bevölkerung, die von den Projekten direkt betroffen ist.

Sie setzen gerade einen Fonds ein, um in Klimaschutzprojekte zu investieren. Welche Projekte möchten Sie diesbezüglich fördern?
In dem Projekt „Vitalpin – dein Partner im Klimaschutz“ möchten wir die Auswirkungen des Tourismus auf Umwelt und Natur minimieren und einen schonenden und bewussten Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen unterstützen. Dafür entwickeln wir gemeinsam mit Climate Partner und teilnehmenden Tourismusbetrieben umfassende Reduktionspakete, die den CO2-Fußabdruck reduzieren. Mit dem Klimaschutzfonds können Kompensationsoptionen in unserem Alpenraum erfolgen, denn es sollen die Geldmittel für wichtige Naturprojekte in jener Region eingesetzt werden, in der die Mittel auch erwirtschaftet wurden.

Durch die Corona-Krise geriet der Massentourismus wie etwa jener in Ischgl stark in Kritik. Wie stehen Sie dazu?
Durch die Krise ist der Tourismus praktisch zum Erliegen gekommen. Seine hohe Bedeutung und der Nutzen für die Menschen in den Alpen werden uns dadurch wieder deutlich vor Augen geführt. Die Forderung nach einem Mehr an Qualität anstatt von Quantität und Masse klang in den letzten Monaten fast schon absurd. Extreme Entwicklungen in manchen Bereichen sind gerade jetzt noch stärker zu hinterfragen. Beispielsweise braucht es im Umgang mit Après-Ski und Tagesbustouristen, die nur zum Feiern kommen, ein Umdenken. Wir müssen solche Extreme zurückschrauben. Daher haben wir das Projekt „Tourismus mit Zukunft“ initiiert, in dem wir in „Think Tanks“ und Interviews mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten aus Geistlichkeit, Tourismus, Wissenschaft, Industrie und Handel sowie Politik und NGOs Visionen für einen nachhaltigen Tourismus im Alpenraum erarbeiten.

Wie steht Vitalpin denn zur Gletscherehe im Pitztal und dem Ötztal?
Es ist nicht Intention von Vitalpin, einzelne touristische Projekte zu kommentieren oder zu beurteilen. Klar ist, dass wir in den Alpen vom Tourismus leben und Stillstand keine Option ist. Es braucht Weiterentwicklung. Allerdings muss diese im Gesamtkontext betrachtet werden. Es braucht einen gemeinsamen gesellschaftlichen Konsens, wo erweitert wird und wo nicht.

Wo sehen Sie noch ein Verbesserungspotenzial beim Tourismus in Tirol?
Die Preisdurchsetzung und damit die Wertschöpfung ist in vielen Bereichen zu gering. Wir müssen uns noch stärker bewusst werden, wie wertvoll unsere Natur, die Berge und unsere alpine Landschaft sind. Oftmals verkaufen wir Urlaubserlebnisse unter ihrem Wert.

Sie konnten die Anzahl der Mitglieder von zu Beginn 25 auf mittlerweile mehr als 90 steigern. Aus welchen Bereichen sind die Mitglieder?
Wir haben Akteure aus allen Tourismusbereichen – Hotellerie, Gastronomie, Destinationen, Seilbahn- und Freizeitwirtschaft – mit im Boot. Es sind Dienstleistungsbetriebe mit dabei, aber auch Betriebe aus Industrie, Handwerk und Finanzwirtschaft. Sie sehen uns als Brückenbauer, die durch die Förderung von Dialog und Information verantwortungsvolle Weichen für die Zukunft stellen und dabei die Tourismusgesinnung positiv beeinflussen.

Ihr Verein ist ein Jahr alt. Was waren denn die bisherigen die Höhepunkte?
Wir versammeln heute drei Mal so viele Partner aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz wie noch vor einem Jahr. Wir erreichen und vertreten damit fast eine Million Menschen und Betriebe, die von und mit dem Tourismus leben und von einem funktionierenden Tourismus abhängen. Besonders freut uns, dass unser Klimaschutz-Projekt so erfolgreich angelaufen ist und dass dieses bei den Betrieben auf sehr hohe Akzeptanz stößt.

Wie stellen Sie sich den Tourismus in Tirol 2030 vor?
Meine Vision ist ein Tourismus, der sowohl ökologisch, ökonomisch als auch sozial tragfähig ist und bei dem sich alle beteiligten Akteure, also Urlauber, Einheimische, Touristiker und Mitarbeiter, auf Augenhöhe begegnen. Es geht heute darum, die Lebensgrundlage für zukünftige Generationen abzusichern, die Lebensqualität in den gastgebenden Gemeinden zu erhalten und eine intakte Natur zu bewahren. Auch das Thema Verkehr und Mobilität wird uns im intensiv beschäftigen.

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