Terrorprozess

Attentat-Video brachte Angeklagten zum Grinsen

Ausland
22.07.2020 16:41

Harte Kost bekamen am Mittwoch die Beteiligten am Terrorprozess gegen jenen 28-jährigen Mann vorgesetzt, der im Vorjahr einen Anschlag auf eine Synagoge in der deutschen Stadt Halle verüben wollte. Und der nach seinem Scheitern, auf der Flucht vor der Polizei, zwei Menschen getötet und weitere verletzt hatte. Vor dem Oberlandesgericht Naumburg wurde nämlich am zweiten Verhandlungstag das Tatvideo gezeigt, das Stephan B. live ins Netz gestellt hatte. Während einige Zuschauer sich die Ohren zuhielten und ihre Blicke abwandten, grinste der Angeklagte.

„Hallo, mein Name ist Anon. Und ich glaube, der Holocaust ist nie passiert.“ Mit diesen Worten beginnt Stephan B. seine über eine Helmkamera mitgefilmte und im Internet live gestreamte Aufnahme von dem versuchten Anschlag auf die Synagoge in Halle. Auf den Filmaufnahmen ist zu sehen, wie B. am 9. Oktober versucht, die Tür der Synagoge aufzuschießen bzw. sie einzutreten, was ihm nicht gelingt. Zu diesem Zeitpunkt halten sich 52 Menschen in der Synagoge auf. B. tötet auf der Straße eine zufällig vorbeigehende 40-jährige Frau und schießt später in einem Döner-Laden um sich, wo er einen 20-Jährigen tödlich verletzt.

„Döner, nehmen wir“
Während der Angeklagte den 20-jährigen Deutschen für einen Araber hielt und seinen Irrtum heute bedauert, meinte B. zu Prozessbeginn zum Ableben der 40-Jährigen: „Das war eine Kurzschlussreaktion.“ Der 28-Jährige kommentiert seine Taten im Video teilweise auf Englisch. Nach seinem gescheiterten Versuch, in die Synagoge einzudringen, ruft er „Scheiße Mann“ und bezeichnet sich mehrfach als Versager. „Einmal Verlierer, immer verloren“, meinte er zu seinen Taten. Dann sucht er sich andere Opfer und entdeckt das Döner-Lokal. „Döner, nehmen wir“, sagt B.

Man fühlt sich bei dem Video an den Spieler eines Ego-Shooters erinnert, der mit seinen Freunden über ein Headset verbunden ist und das Geschehen kommentiert bzw. Befehle erteilt. Sechs Frauen mussten während der Vorführung den Gerichtsaal verlassen. Nach der knapp 40-minütigen Vorführung ordnete die Richterin eine 45-minütige Verschnaufpause an. Nach dieser erklärte der Halle-Attentäter, dass er wegen seiner dämlichen Witze im Video grinsen musste.

Überhaupt wirkte der Beschuldigte am zweiten Verhandlungstag gut gelaunt. In Pausen plaudert er grinsend mit seinen Verteidigern oder lässt seine Blicke durch die Reihen der Nebenkläger schweifen. Auch der Hinweis der deutschen Bundesanwaltschaft, dass er womöglich den Rest seiner Tage hinter Gittern verbringen wird, bringt ihn augenscheinlich nicht aus der Ruhe. Selbstkritisch ist er hingegen bei den technischen Pannen seines Anschlags. So gab es bei seinen selbst gebauten Waffen beispielsweise Ladehemmungen - was vermutlich zahlreichen Menschen das Leben rettete.

Angeklagter bittet nicht um Vergebung, sondern erklärt Beweggründe
Es geht ihm - so wirkt es - nicht darum, seine eigene Darstellung der Geschehnisse vom 9. Oktober zu erläutern, um Vergebung zu bitten oder gar die Schuld zu leugnen. Es scheint, als wolle er dem Gericht zeigen, dass er kein verrückter Attentäter ist, der einfach drauf losstürmt. Als wolle er erklären, dass er bedacht und geplant vorging. Das wurde schon am ersten Verhandlungstag deutlich.

Laut Anklage der deutschen Bundesanwaltschaft handelte B., der sich zu den meisten Punkten der Anklage schuldig bekennt, aus antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven. Der Prozess findet aus Sicherheits- und Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. Bisher sind Termine bis Mitte Oktober anberaumt. Der Zentralrat der Juden fordert, dass der Angeklagte „mit aller Härte des Gesetzes“ bestraft wird.

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