Rote-Khmer-Prozess

Österreichische UN-Richterin: “Urteil ist ein Meilenstein”

Ausland
27.07.2010 17:56
Nach einem monatelangen Prozess ist nun erstmals ein Vertreter des Schreckensregimes der Roten Khmer in Kambodscha verurteilt worden. Der ehemalige Folterchef Kaing Guek Eav wurde für den Tod von mehr als 12.000 Menschen für schuldig befunden (Bericht in der Infobox). Mit dabei im internationalen UNO-Tribunal: die österreichische Richterin Claudia Fenz (Bildmitte).

Im "Krone"-Interview spricht die erfahrene Juristin über die Bedeutung des Urteils, mögliche weitere Angeklagte und wie sie die Schilderungen der Überlebenden über die diversen grausamen Foltermethoden verkraften konnte.

"Krone": Frau Fenz, Sie sind Mitglied des UNO-Tribunals, das das Urteil gegen Kaing Guek Eav, den Chef des berüchtigten Foltergefängnisses in Kambodscha, fällte. Wie kam es zu dem Strafausmaß von 35 Jahren?
Fenz: "Der Angeklagte wurde wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, für den Tod von mehr als 12.000 Menschen verantwortlich zu sein, und wurde zu 35 Jahren Haft verurteilt. Fünf Jahre wurden Kaing Guek Eav alias 'Duch' als Kompensation für unrechtmäßige Haft in einem Militärgefängnis erlassen. Elf Jahre sitzt er schon in U-Haft, die werden angerechnet. Bleiben also noch 19 Jahre Haft übrig."

"Krone": Viele Opfer zeigten sich über das Strafausmaß enttäuscht. Ist das nicht ein zu mildes Urteil angesichts der schrecklichen Verbrechen?
Fenz: "Ich gebe keinen Kommentar zum Urteil ab. Ich möchte allerdings festhalten, dass sich die internationale Strafpraxis von der nationalen unterscheidet. Bei der Bestimmung des Strafausmaßes gelten andere Überlegungen."

"Krone": Was bedeutet dieses Urteil für Kambodscha?
Fenz: "Ich bin normalerweise vorsichtig mit Superlativen, aber das ist schon ein Meilenstein. Zum ersten Mal hat es ein Urteil gegen einen Vertreter des Regimes der Roten Khmer gegeben. Das Verfahren hat mitgeholfen, diese schreckliche Zeit, über die in Kambodscha so lange geschwiegen wurde, zu thematisieren. Heuer ist die Herrschaft der Roten Khmer erstmals Unterrichtsgegenstand."

"Krone": Wie sieht die weitere Arbeit des Tribunals aus?
Fenz: "Vier mutmaßliche politisch Hauptverantwortliche des Roten-Khmer-Regimes sind in U-Haft. Im September soll über eine Anklage entschieden werden. In anderen Fällen gibt es Vorerhebungen. Die folgenden Prozesse werden aber wohl auch nicht schneller gehen."

"Krone": Wird es zu dem aktuellen Urteil eine Berufung geben?
Fenz: "Das jedenfalls hat der Verteidiger schon vor dem Urteil angekündigt."

"Krone": Wie gehen Sie persönlich damit um, wenn Sie monatelang immer und immer wieder mit diesen unfassbaren Verbrechen konfrontiert werden?
Fenz: "Als erfahrene Richterin habe ich gelernt, die Ereignisse durch die juristische Brille zu sehen und zu wissen, wie weit man diese Dinge an sich heranlassen darf. Aber natürlich gab es auch für mich Tage, die nicht einfach waren. Zum Beispiel, wenn die wenigen Überlebenden detailliert die diversen Foltermethoden geschildert haben."

Interview: Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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