Soldat totgebissen

Familie: „Wir wollen endlich die Wahrheit wissen“

Niederösterreich
15.03.2020 06:00

Im November 2019 wurde ein junger Soldat in einer Kaserne in Niederösterreich von zwei Hunden totgebissen. Bis heute sind die Hintergründe des Dramas ungeklärt. „Warum musste Dominik sterben?“, fragt die Familie des Opfers.

Vergangene Woche, abends, in einer hübschen Dachgeschoßwohnung im niederösterreichischen Möllersdorf. Petra (55) und Gerold Rakuschan (60) sitzen an ihrem Esstisch, neben ihnen Tochter Denise (35).

„Die Tragödie wird uns für immer begleiten“
Die kleine Familie wirkt verzweifelt. Der Vater versucht, das ist ihm anzumerken, Stärke zu vermitteln; ein leidender Zug um seinen Mund zeigt, wie schwer ihm das fallen muss. Unaufhörlich laufen Tränen aus den Augen seiner Frau. „Mama, beruhige dich bitte“, fleht Denise, obwohl sie selbst bitterlich weint. „Doch, wir wollen dieses Interview geben“, sagt Gerold Rakuschan, „denn vielleicht hilft es uns ja, wenn wir öffentlich über unsere Tragödie reden.“ Die - das ahnt der Mann - „uns alle drei begleiten wird, für immer“. Aber es gibt eben diese Hoffnung, „dass wir unser Schicksal vielleicht besser meistern könnten, wenn wir endlich die Wahrheit erfahren würden“.

Warum, unter welchen Umständen ist der geliebte Sohn, der geliebte Bruder wirklich gestorben? Am 13. November 2019, in der Flugfeld-Kaserne in Wiener Neustadt.

Dominik „Toni“ Rakuschan - 31 Jahre alt, ein erfahrener Soldat, dem Jagdkommando zugeteilt, ein bestens ausgebildeter Hundeführer - war damals gegen 16 Uhr mit seinem Wagen, im Fond sein Schäfer „Jack“, auf das Gelände der Truppenunterkunft gefahren, um die Tiere eines Kameraden zu versorgen. Der Kollege nahm nämlich gerade an einer Übung in der Steiermark teil; seine beiden Belgischen Schäfer - „Hati“, sein Dienst-, und „Ragna“, sein Privathund - waren deshalb in einem Zwinger untergebracht.

Was dort nach Rakuschans Eintreffen geschehen ist, „dafür fehlen bis dato“, so Erich Gemeiner, der Anwalt der Opferfamilie, „echte Erklärungen“. Rekonstruktionen des Bundesheers zufolge dürfte es zwischen den Tieren und dem Soldaten zu einer schweren Konfliktsituation gekommen sein, die Ursache dafür sei nicht eruierbar.

„Er hätte sich nicht in Gefahr begeben“
„Mein Sohn kannte sich mit Hunden gut aus“, betont sein Vater, „er war also fähig, außergewöhnliche Situationen einzuschätzen. Er hätte sich niemals bewusst in Gefahr begeben.“ Fest steht mittlerweile, laut Obduktionsbefund: „Hati“ und „Ragna“ verbissen sich in den 31-Jährigen, fügten ihm letale Verletzungen an einer Schlagader zu.

„Dominik muss doch während seines Todeskampfs um Hilfe oder vor Schmerzen geschrien haben. Warum hat ihn niemand gehört?“, fragt seine Mutter: „Und überhaupt: Wieso blieb das Drama so lange unentdeckt?“ Niemand in der Kaserne machte sich offenkundig Sorgen, als Rakuschan nach seiner Tour „verschollen“ war. Und trotz angeblich mehrerer Kontrollgänge auf dem Gelände in den Abendstunden - wurde sein schrecklich zugerichteter Körper erst am folgenden Tag, um etwa 1 Uhr morgens, entdeckt.

„Dominik hatte doch noch so viele Pläne“
Von einem Kameraden, „der“, so Gemeiner, „bei Vernehmungen unterschiedliche Dinge zu Protokoll gegeben hat. Zunächst berichtete er, die Hunde seien bei seinem Eintreffen am Tatort aggressiv gewesen; später relativierte er seine Angaben. Weiters ist Fakt: Die beiden Tiere hätten sich gar nicht auf dem Kasernengelände aufhalten dürfen - jedenfalls wurde dafür keine Genehmigung eingeholt.“

Offen sei zudem, wann die Schäfer vor dem Drama zuletzt mit Nahrung versorgt worden sind. Und: „Hatis“ Unkontrollierbarkeit soll im Kollegenkreis bekannt gewesen sein. Eine offizielle diesbezügliche Meldung habe allerdings nie stattgefunden.

„Totalversagen des Systems“
„Die schreckliche Tragödie“, resümiert der Anwalt, „ist auf ein Totalversagen des Systems in der Flugfeld-Kaserne zurückzuführen. Ich halte das für extrem bedenklich, umfangreiche Evaluierungsmaßnahmen wären dringend angebracht.“ Peinigende Ungewissheit, das ist der Zustand, in dem Dominiks Angehörige nun leben - und mit den ständigen Gedanken an seinen grauenhaften Tod. In der besten Phase seines Lebens.

„Er freute sich auf einen Auslandseinsatz mit seinem Hund, er war glücklich mit seiner Freundin. Er hatte so viele Pläne“, erzählt seine Schwester: „Und er hätte sie nicht durch Unvorsichtigkeit gefährdet.“

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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