Trends analysiert

Generation X, Y, Z – und was kommt jetzt?

Österreich
06.01.2020 06:00

Wir sind immer und überall vernetzt, aber einsamer denn je. Facebook steckt in der Krise und von Firmen gekaufte Influencer-Meinungen sind längst out. Welche zehn Gesellschaftstrends uns im neuen Jahrzehnt begleiten - Zukunftsforscher Tristan Horx analysiert.

1. Total Digital? Willkommen im post-digitalen Zeitalter: Soziale Medien stecken in der Krise. Facebook wird vielerorts für das gesellschaftliche Unwohl und Fake News verantwortlich gemacht. Das Hinterfragen von Internet-Monopolen läutet eine gesellschaftliche Korrekturschleife ein. Was uns erwartet, nennen wir in der Forschung das post-digitale Zeitalter, in dem wir das Real-digitale suchen.

Fazit: Der Gedanke, alles digitalisieren zu müssen, ist Vergangenheit. Analoges muss nicht auf Zwang ersetzt werden. Neue Technologien bringen alte auf ihre eigentliche Stärke zurück.

2. Handyticks sind im Vormarsch. Die Smartphonizierung des Menschen schreitet voran. Völlig automatisch greifen wir alle fünf Minuten dorthin, wo sich unser Handy befindet. Kein Wunder - diese Geräte sind regelrecht darauf programmiert, unsere Aufmerksamkeit zu stehlen und uns zu manipulieren. Ich bin mir sicher, jeder hat schon das Phänomen „Hollow Flow“ (zu Deutsch: leerer Fluss) erlebt: Man ist unterwegs, blickt aufs Smartphone, weil man die Uhrzeit ablesen will. Und verliert sich im Internet - vielleicht beim Schauen von lustigen Videos oder beim Lesen von Nachrichten. Fakt ist: Wenige Minuten später wissen wir nicht mehr, was wir alles auf unserem Smartphone gesehen haben.

Lösungsvorschlag: „Digisziplin“ - also Disziplin beim Digitalen. Wo lenke ich meine Aufmerksamkeit hin? Alleine dieser Gedankengang ändert unser Verhalten.

3. Pornos statt Sex. Unsere Jugend - damit sind die Generationen Y und Z gemeint - erlebt ihre erste sexuelle Interaktion durch Pornografie. Daraus ergibt sich eine verzerrte Wahrnehmung, was überhaupt reale Sexualität bedeutet. Junge Männer stellen schrägste sexuelle Ansprüche an Frauen. Die Medizin nennt das Problem digitale Impotenz.

Empfehlung: Am besten eine Porno-Pause einlegen oder auf frauenwertschätzende Video-Alternativen umsteigen.

4. Vernetzt & einsam. Die digitale Einsamkeit nimmt zu. Statistiken belegen: Viele Menschen - ob jung oder alt - fühlen sich einsamer als früher. Dieser Widerspruch liegt der Digitalisierung zugrunde. Wir haben uns alle immer mehr verbunden und sind trotzdem einsam. Das Netz hat Verbindungsfragen gelöst, aber keine Beziehungsfragen.

Lösungsvorschlag: Das Smartphone nur dazu benutzen, um reale Treffen zu vereinbaren. Eine SMS ist niemals ein Ersatz für Zwischenmenschliches.

5. Authentisch, bitte! Sinnfluencer ersetzen Influencer: Die Leute haben die ewige Oberflächlichkeitskultur und digitale Inszenierung durch Instagram & Co. satt. Wenn Meinungen von Firmen gekauft werden, sind sie wertlos.

Fazit: Weg von der Inszenierung, hin zur Wertigkeit. Wir wollen echte Menschen, mit denen wir uns identifizieren können. DariaDaria hat diesen Wandel geschafft.

6. Alphabet am Ende. Die Generationen verschwimmen. Wir kommen an einen Punkt, an dem sich Menschen nicht mehr aufgrund ihres Alters einer Gruppe zuordnen lassen. Innerhalb einer Generation existieren viele differenzierte Lebensstile. Nehmen wir etwa Menschen ab 70 plus - da gibt es fitte, erlebnishungrige Pensionisten, genauso wie es Pflegepatienten gibt. Es trifft sich also gut, dass wir mit der Generation Z das Ende des Alphabets erreicht haben.

Lösungsvorschlag: Menschen nach ihrem Lebensstil beurteilen, statt sie in Generations- und Altersschubladen zu stecken.

7. Die „Greta-Krise“. Greta kann die Welt unmöglich alleine retten, das müssen wir gemeinsam tun. Es gibt andere junge Talente, wie etwa Boyan Slat, der mit seinem Projekt „The Ocean Cleanup“ die Weltmeere von Plastikmüll befreit. Auch muss uns klar sein: Der Klimakonflikt wird stark über die Generationen ausgetragen. Die Leute leben länger und aktiver - die Welt gehört genauso den „Babyboomern“. Ich halte das Argument mancher Jungen „Wir leben länger, deswegen gehört uns der Planet mehr“ für sehr gefährlich.

Appell: Genug rebelliert, jetzt zur Umsetzung. Nicht nur für Verzicht sein oder auf eine Technologie hoffen, die alles löst. Es muss etwas von beidem sein.

8. Poly-Mobilität ist gefragt. Das Auto als Statussymbol nimmt ab. Die Menschen sind gewillter, Mobilität zu teilen, wenn sie so schneller von A nach B kommen. Zu glauben, dass fliegende Autos alle Mobilitätsprobleme und Staus beseitigen, ist eine Illusion. Wir müssen mit der Suche nach dem EINEN Mobilitätsmittel aufhören. Keine der Mobilitätsformen wird abgeschafft.

Fazit: Poly-Mobilität bedeutet, unsere Verkehrsmittel komplett miteinander zu vernetzen. Der Weg muss vom Autohersteller hin zum Mobilitätsanbieter gehen. Wer diese Gesamtleistung schafft, wird das Rennen machen.

9. So muss Job. Werden wir alle durch Roboter ersetzt? Nein. Durch die Automatisierung fallen zwar Jobs weg, dafür entstehen neue. Wenn Maschinen bessere Maschinen werden, dann müssen wir Menschen bessere Menschen werden. Das heißt einerseits Selbstoptimierung und andererseits Besinnung auf das, was wir gut können: kreativ und empathisch sein. Zudem brauchen wir neue Arbeitsmodelle. Weg aus dem Industrie-Mindset, hin in die kreative-digitale Ökonomie. Geografisch unabhängige Arbeitsplätze, Home Office, flexible Arbeitszeiten - das sind die Ansprüche, die junge Generationen an ihren Job stellen. Das alte System lässt das aber oft nicht zu. Auch zeigen uns Studien, dass der Mensch an einem Acht-Stunden-Arbeitstag nur drei bis vier Stunden produktiv ist. Schweden hat das Problem erkannt und den Sechs-Stunden-Arbeitstag eingeführt.

Fazit: Berufe, in denen Empathie gefragt ist, sollten finanziell besser belohnt werden. Etwa in der Pflege oder im Bildungsbereich. Für Mitarbeiter muss es flexiblere Arbeitszeitmodelle und weniger bürokratische Hürden geben.

10. Neue Erwachsene. Die Generation Z ist anders, als viele denken. Sozial-liberal, finanziell überlegter und konservativer. Das Motto ihrer Vorgänger, der Generation Y, könnte „Sammle Momente, nicht Dinge“ lauten - also Erlebtes vor Materiellem. Die Generation Z hingegen wurde stark von der Wirtschaftskrise 2008 geprägt. Sie denkt früh über Pension, Vorsorge und Familienplanung nach. Sie hat später Sex, pflegt weniger, aber enge Kontakte und legt Wert auf Freundschaften, die sich primär im realen Leben abspielen.

Vorhersage: Generationsmuster wiederholen sich wie eine Welle. Liberaler denkende Generationen werden von konservativer eingestellten abgelöst. Was sich verändert, ist, dass die Welle mit der Zeit immer flacher wird. Extreme Grundhaltungen nehmen ab.

Zur Person
Tristan Horx (26) hat Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien studiert. Seit 2018 ist er Dozent an der SRH Hochschule Heidelberg. Der Sprecher und Autor am Zukunftsinstitut befasst sich mit den Themen des gesellschaftlichen Wandels und erforscht, was der Generation X, Y und Z folgen wird. Ab sofort schreibt er auch wöchentlich als Kolumnist in der „Krone“.

Tristan Horx, Kronen Zeitung

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