„Tierecke“ vor Ort

Kambodschas grausamer Handel mit Hundefleisch

Tierecke
04.11.2019 13:03

Ich erkenne den blauen Wagen mit dem Konterfei des Guerillaführers Che Guevara sofort. Vor Stunden habe ich das Auto in der Provinz Siem Reap gesehen, wo ganze Dorfgemeinschaften in den Handel mit Hunden und deren Fleisch involviert sind. Jetzt ist es beladen mit Vierbeinern, so dicht gedrängt in den Käfigen, dass sie sich kaum rühren können. Die Hunde haben denselben Weg zurückgelegt wie das Team der „Vier Pfoten“ und ich. Ein paar Stunden im Auto - für uns nur dank Klimaanlage und literweise Wasser erträglich. Die Tiere fuhren dagegen bei sengender Hitze ihrem grausamen Tod entgegen. Und ich werde gleich Zeuge davon sein. 

Ein paar harte Schläge auf den Kopf und das Aufschlitzen des Halses. Ertränken - oft kommt gleich ein überfüllter Käfig ins Wasser, zehn bis 15 Vierbeiner auf einmal. Erhängen. Das sind die drei populärsten Tötungsmethoden für Hunde in den Schlachthäusern Kambodschas. Gleich in meinen ersten fünf Minuten vor Ort sehe ich eine Fellnase mit Seil um der Kehle an einem Baum hängen, die Artgenossen der Hündin sehen ihr panisch beim Todeskampf zu. Mir laufen Tränen übers Gesicht, ich halte mit der Handykamera drauf und weiß gleichzeitig: Diese Bilder kann ich meinen Lesern nicht zumuten.

Angekommen in der Hölle
Bis zu 30 Minuten kann es dauern, bis ein Vierbeiner wirklich gestorben ist. Oft landen die Tiere schon vorher im kochend heißen Wasser. Diese Behandlung ist notwendig, damit man ihnen das Fell möglichst mühelos entfernen kann. Zahlreiche Säcke mit Hundehaaren liegen in der Gegend herum. Am Boden finden sich immer wieder Blutflecken, Gestank liegt in der Luft, Fliegen überall. Ich bin in der Hölle angekommen, so kommt es mir vor.

Die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ nahm sich des Themas Hunde- und Katzenfleisch in Südostasien an. Im Kambodscha konnte durch ausführliche Untersuchungen nachgezeichnet werden, wie der Handel mit den Vierbeinern funktioniert. Die Tiere werden entweder angekauft - oft erfolgt ein Tauschhandel gegen Töpfe oder Pfannen - oder von der Straße eingefangen. Vereinzelt kommt es sogar vor, dass Haushunde von Familien gestohlen werden.

In Käfigen zusammengepfercht geht es für die Tiere dann in sogenannte Holding Areas. Gesamte Dörfer beteiligen sich teilweise am Geschäft. In Tram Neak durchlaufen Hunderte Fellnasen pro Woche die Station und warten darauf, den Weg zur Schlachtung anzutreten.

Die Schlachthäuser befinden sich hauptsächlich in den Provinzen Kampong Cham, Kandal und Skun. Ganze Minivans voller Vierbeiner kommen dort an - so wie der Wagen, der mir aufgefallen ist. Nach dem Tod durch Erhängen, Ertränken oder Erschlagen werden die toten Tiere dann an die Lokale ausgeliefert. Überraschend: In der Hauptstadt Phnom Penh gibt es mindestens 110 Restaurants, die auf Hundefleisch spezialisiert sind, auch in touristischen Gegenden. Die Tierschützer kommen zu dem Schluss, dass geschätzt zwei bis drei Millionen Hunde jährlich in Kambodscha für den menschlichen Konsum ihr Leben lassen müssen.

Doch wer isst eigentlich Hund? „Vier Pfoten“ fand heraus, dass es sich bei den Kunden der Restaurants hauptsächlich um Khmer, das sind die Einheimischen Kambodschas, und Vietnamesen handelt, zu einem kleinen Teil auch um koreanische und chinesische Touristen. Meist wird das Fleisch von Arbeitern bestellt. Den Konsum als solchen anzukreiden, fällt mir schwer, denn in Österreich sind wir einfach nur anders sozialisiert. Für uns ist es normal, Kühe oder Schweine zu konsumieren, Hunde sind allerdings tabu.

Die meisten Khmer lehnen Hundefleisch ab
Und auch in Kambodscha wird der Verzehr durchaus kontrovers gesehen: 60 Prozent der Einheimischen weigern sich, das Fleisch zu essen. Viele glauben, es brächte negative Energie. Den Tatsachen entspricht auf jeden Fall, dass in Kambodscha eine der höchsten Tollwut-Infektionsraten herrscht. Der Handel mit Hunden und deren Fleisch bedroht daher auch die menschliche Gesundheit. Für uns Tierschützer sind die „Haltungsbedingungen“ - die Grausamkeiten können eigentlich nicht als „Haltung“ bezeichnet werden - und die brutalen Tötungen der Kernpunkt.

Armut ist auch im Hundefleischhandel ein treibender Faktor. Das wird mir spätestens klar, als wir Kheav Chan und seine Familie besuchen. Der Mann hat über Jahre Hunde geschlachtet, heute kommen wir vorbei, um ihm die verbleibenden zehn Vierbeiner abzunehmen. Vor den Kameras bricht Chan weinend zusammen. Er hätte den Tieren nie wehtun wollen, doch er habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen, seine Familie zu ernähren. Bevor das „Vier Pfoten“-Team die Hunde aus dem Käfig befreit, verabschiedet und entschuldigt sich der Mann bei den Fellnasen. Kein Auge bleibt trocken ...

„Vier Pfoten“ kaufte Reisfeld für Hundefleischer
Möglich ist das nur, weil die Tierschutzorganisation dem Mann ein Reisfeld gekauft hat. Damit kann sich Chan eine neue Existenz ganz ohne Tierleid aufbauen. Stolz zeigt er uns sein neues Stück Land, schon bald wird er Wasser aus einem angelegten Brunnen verkaufen. Er ist überglücklich, wir freuen uns mit ihm. Doch noch mehr freue ich mich mit den Hunden, die gerettet werden konnten. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber für diese zehn Vierbeiner wird bald ein neues Leben beginnen. „Wenigstens zehn“, denke ich mir.

Dr. Katherine Polak und Matt Backhouse von der "Vier Pfoten"-Streunerhilfe Südostasien verladen gemeinsam einen nach dem anderen. Diesmal wird der Van die Tiere in Sicherheit bringen, aber das wissen sie noch nicht. Dementsprechend ängstlich drücken sie sich in ihre Hundeboxen. Polak und Backhouse haben noch eine wichtige Sache zu tun, bevor das Team abrückt: Das Schild an der Straße muss weg. Übersetzt steht da "Spezialfleisch", in Kambodscha ist das die übliche Bezeichnung für Hund. Gemeinsam reißen es die Tierschützer ab, die Erleichterung und Freude ist ihnen anzusehen. Ich bin froh, dass ich nicht nur mit Erinnerungen an sterbende Hunde nach Hause fliegen muss.

Was können Sie tun?
Im Rahmen meiner Woche in Kambodscha wurde ich Zeugin der umfangreichen Maßnahmen, die von „Vier Pfoten“ ergriffen wurden, um der brutalen Folter ein Ende zu bereiten. Es finden bereits Gespräche mit politischen Akteuren statt, die sich des Ausmaßes bisher gar nicht bewusst gewesen sein dürften. Es gibt mobile Tierkliniken, in die Khmer ihre Hunde und Katzen bringen können, um sie medizinisch versorgen und kastrieren zu lassen.

Das Reisfeld für Kheav Chan, die Rettung und Versorgung von Hunden, das Team aus Tierärzten und Übersetzern - für all das braucht es dringend finanzielle Unterstützung. Und auch eine Petition wurde bereits aufgesetzt - jede Unterschrift zählt. Zurück bleibt die Gewissheit, dass es noch ein langer Weg ist, bis das Leid der Hunde und Katzen in Südostasien beendet werden kann. Ein Weg, auf dem ich ein paar Meter mitgehen durfte.

Spendenkonto
Stichwort „Hundefleisch“
IBAN: AT20 1200 0097 0632 7511
BIC: BKAUATWW

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