krone.at-Interview

“Teilzeit-Grieche” Steinbäcker über Krise und Vorurteile

Österreich
27.05.2010 12:50
Gert Steinbäcker, das erste S der steirischen Kultcombo STS, hat "Irgendwann bleib i dann dort" bereits in die Tat umgesetzt. Fünf Monate pro Jahr tauscht der Liedermacher seit langem schon die "Grüne Mark" gegen die "grüne Insel" Korfu. Die Entwicklung der Schuldenkrise und die österreichischen Reaktionen darauf kennt der 58-Jährige aus beiden Blickwinkeln. krone.at traf den "Teilzeit-Griechen" anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Solo-Albums "Bilder an der Wand" zum Gespräch über seine ganz spezielle Sicht auf die griechische Krise.

"Kein Steuergeld für die Griechen!" "Die Griechen liegen mit unseren Milliarden in der Sonne und wir müssen sparen!" Parolen wie diese finden sich in Internetforen, am Stammtisch und in so mancher Politikerrede, wenn das Thema zur Sprache kommt. Das Image der "Wiege der Demokratie", das Bild vom Urlaubsland mit den gastfreundlichen Inselbewohnern wurde durch die Schuldenkrise und das Gerangel um die EU-Kredite arg ramponiert.

An der Krise selbst gebe es rein gar nichts zu beschönigen. Dem pauschalen Fingerzeig auf die "faule griechische Bevölkerung", während man die eigene als einzig anständige hervorkehrt, kann Gert Steinbäcker aber überhaupt nichts abgewinnen. "Das sind völlig falsche Vorurteile, dass in Griechenland jeder faul ist. Um sieben in der Früh wuselt's dort genauso auf den Straßen, wie sonst überall", erzählt Steinbäcker, der freilich auch das Griechenland abseits der touristischen Hochburgen kennt. Dort, wo sich das Arbeitsleben abspielt, komme im Urlaub in der Regel ja kaum einer hin.

Griechen und Österreicher eint der Schmäh
 Österreicher und Griechen seien sich in vielerlei Hinsicht "eigentlich sehr ähnlich", meint Steinbäcker. Vor allem beim Humor verstehe man sich mitunter besser, als mit den direkten Nachbarländern der Alpenrepublik. 

"Der Schmäh ist von A bis Z derselbe", sagt Steinbäcker und nennt ein Beispiel, das er bei dieser Frage immer anführt: "Wenn draußen die Sonne niederbrennt und du sagst 'Mein Gott, heut' regnet's wieder', wird der Grieche lachen. Der Österreicher wird auch lachen. Der Deutsche wird sagen: 'Wieso? Das stimmt doch nicht'."

"Eine reparierte Straße ist keine Selbstverständlichkeit"
Doch wie konnte es so weit kommen, dass Griechenland in ein derartiges Schuldendesaster schlittert? Steinbäcker sieht die Verantwortung mehrheitlich bei der Politik, das Grundproblem aber in den staatlichen Strukturen, die in Griechenland ja noch sehr jung seien und nicht so funktionieren, wie sie sollten (erst 1974 kehrte nach Jahrzehnten der Militärdiktatur die Demokratie zurück, Anm.). "Dass man seine Steuern zahlt und dafür dann die Straße repariert wird, ist keine Selbstverständlichkeit in Griechenland." 

Die Folge: Eine sinkende Bereitschaft, dem Staat entgegenzukommen, die noch dazu verstärkt wird, weil die staatlichen Institutionen auch bei der Kontrolle nicht nachkommen bzw. nachlässig sind. Steinbäcker berichtet von griechischen Freunden, die erzählen, wie das wohlhabende Ärzteehepaar von nebenan 10.000 Euro Jahreseinkommen deklariert - und problemlos damit durchkommt, weil niemand nachprüft. "Da ist es verständlich, dass die, die brav Lohnsteuer zahlen, irgendwann ang'fressen sind."

Das Verhältnis der breiten Bevölkerung zur Politik und zu den staatlichen Institutionen ist ein anderes als bei uns, nämlich (noch) viel stärker von Misstrauen geprägt, meint Steinbäcker, der zuhause eine griechische Auslandszeitung abonniert hat und sich immer auf dem Laufenden hält. "58 Prozent der Griechen sind der Meinung, dass die gesamte Politgruppierung, die die letzten zwanzig, dreißig Jahren das Land beherrscht hat, ausgetauscht werden sollte. Um Steuergerechtigkeit zu schaffen, aber auch um einfach einen funktionierenden Staat zu bekommen", erzählt Steinbäcker. 

Aber auch hier mahnt der Liedermacher, der sowohl an die Steiermark als auch Griechenland musikalische Liebeserklärungen schrieb, vor Schlagwörtern und Vorurteilen gegen die "Kleinen": Dass es in Griechenland dreimal mehr Beamte gibt als bei uns, könne man dem Staatsdiener selbst schlecht vorwerfen. "Kein Beamter der Welt wird sagen: 'I bin einer zu viel'", meint Steinbäcker zynisch.

Fakelaki: "Jeder weiß, dass es so ist"
Zum geflügelten Wort in der Berichterstattung über die Griechen-Krise wurde der Ausdruck "Fakelaki", das griechische Wort für Bestechungsgeld, das man bei Beamten in Griechenland angeblich sehr oft zahlen müsse. "Jeder weiß, dass das so ist", bestätigt Steinbäcker. Er selbst, der auf Korfu ein Haus besitzt und auch ein vor vielen Jahren gekauftes Segelboot hat, sah sich damit als "normaler Bürger" jedoch noch nie konfrontiert. 

Auch dass man für Spitalsaufenthalte per se Schmiergeld zahlen müsse, stimme so nicht. Allerdings: "Wenn du einen bestimmten Operateur haben willst, dann solltest wahrscheinlich a bisserl was dazuzahlen. Aber i bin mir net sicher, ob's das net bei uns auch gibt", fügt der Steirer hinzu. 

Streiks richten sich nicht gegen EU-Hilfe
Zu den jüngsten Generalstreiks, die von europäischen Medien häufig mit Argwohn betrachtet wurden, hat Steinbäcker keine eindeutige Meinung. "Dass die Leute gegen harte Sparmaßnahmen streiken, is mir an sich aber sonnenklar. Dass es dann in Österreich und Deutschland heißt 'Jetzt krieg'n die a Geld und dann streiken sie', is aber a Unsinn. Es hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Es wird ja intern gegen die Zustände gestreikt und wie das Sparen jetzt aufgeteilt wird. Die Griechen streiken sicher nicht dagegen, dass ihnen als Staat beim Überleben geholfen wird."

Die Krawalle und Ausschreitungen, wie sie derzeit im Fernsehen bei nahezu jedem Griechenland-Beitrag gezeigt werden, sieht Steinbäcker unabhängig von der Schuldenkrise. "Schon vor der Krise hat es aufstandsähnliche Situationen gegeben. An der Spitze werken da aber autonome Leute, die dann zu den Gewerkschafts-Demonstrationen gehen und dort den Radau machen", erklärt er. 

Bei den EU-Krediten - Österreich hat bis dato 440 Millionen Euro für Griechenland aufgenommen - glaubt Steinbäcker an ein Wiedersehen: "Ich glaube schon, dass das Geld wieder zurückkommt. Und zwar weil die Griechen müssen. Die steuerten ja auf eine katastrophale Situation zu, wenn sie das nicht mehr tun können. Dass sie es vielleicht trotzdem nicht schaffen, ist theoretisch möglich. Aber zu unterstellen, man würde die Kredite von vornherein nicht zurückzahlen wollen, halte ich für einen Blödsinn."

Für Gert Steinbäcker, der mit dem österreichisch-griechischen Duett "O Xenos" auch schon in seiner Wahlheimat musikalische Erfolge feierte, ist jedenfalls klar: "Die, die jetzt bluten müssen, sind nicht die, die die Krise verschuldet haben." Anfang Juni wird er wieder für zwei Monate nach Griechenland ziehen.

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