Proteste in Bangkok

“Rothemden”-Anführer stirbt nach Sniper-Attentat

Ausland
17.05.2010 18:04
Die Straßenkämpfe zwischen Regierung und Opposition in Thailands Hauptstadt Bangkok haben seit Donnerstag mindestens 37 Menschen das Leben gekostet. Die Zahl der Verletzten ist auf 244 gestiegen. Am Montag erlag ein zu den "Rothemden" übergelaufener Offizier seinen Verletzungen. Generalmajor Khattiya Sawasdiphol, der als militärischer Berater der Demonstranten galt und unter dem Namen "Falke" bekannt war, wurde am Donnerstag von einem Scharfschützen in den Kopf geschossen.

Der 58-Jährige war bewusstlos ins Spital eingeliefert worden, nachdem er während eines Gesprächs mit Journalisten im von den "Rothemden" besetzten Bangkoker Geschäftsviertel dem Attentat zum Opfer fiel. Seine Mitarbeiter machten für den Anschlag Scharfschützen verantwortlich, die Regierung wiederum wies jede Verantwortung für den Mord zurück.

"Falke" genoss große Popularität
Durch den Tod von Sawasdiphol könnte sich die Lage in Thailand neuerlich verschärfen. Der seit Jänner suspendierte Generalmajor galt als "Falke" unter den "Rothemden" und genoss große Popularität innerhalb der Bewegung. Er überwachte die Sicherheit in der besetzten Zone. Sawasdiphol galt als treuer Verbündeter des 2006 vom Militär gestürzten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra, dessen Anhänger den Großteil der "Rothemden" stellen.

Der General gehörte zu denjenigen, die von der Regierung als "Terroristen" bezeichnet wurden. Er wurde für einige der Gewalttaten der jüngsten Zeit verantwortlich gemacht, es gab auch einen Haftbefehl gegen ihn. Khattiya hatte sich zuletzt aber auch kritisch über einige Führer der Demonstranten geäußert, die bereit waren, auf den Vorschlag der Regierung zur Beilegung der Krise einzugehen.

Erneute Gewalteskalation befürchtet
Nach Ablauf eines zweiten Ultimatums der Regierung zur Beendigung der Proteste ist in Bangkok am Montagnachmittag die Angst vor einer Großaktion von Polizei und Armee gewachsen. Eingeschlossen von der Armee harrten noch rund 5.000 Demonstranten in dem verbarrikadierten Geschäftsviertel aus, darunter auch Frauen und Kinder. Ihre Anführer erklärten, sie seien erst zu Gesprächen bereit, wenn sich die Armee zurückgezogen habe. Die Regierung forderte ihrerseits, dass die Gewalt gegen die Sicherheitskräfte enden müsse, bevor Gespräche über die Forderung der Oppositionellen, umgehend Neuwahlen abzuhalten, beginnen könnten.

Das befestigte Protest-Camp erstreckt sich über mehrere Kilometer im Einkaufsviertel der thailändischen Metropole. Die Regierung hatte die Oppositionellen aufgefordert, das Gebiet bis 10.00 Uhr MESZ zu verlassen. Die Demonstranten ließen das neue Ultimatum von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva jedoch verbarrikadiert hinter aufgetürmten Reifen und Bambus-Stäben verstreichen. Ein Vertreter der Regierung kündigte daraufhin an, die Zone "so bald wie möglich" zu räumen, anschließend werde die Öffentlichkeit informiert. Die Armee hatte das Gebiet am Donnerstag abgeriegelt. Militärhubschrauber warfen Flugblätter über den Demonstranten ab, in denen sie zu einer sofortigen Aufgabe aufgefordert wurden.

Hotelgäste verharrten Nacht im Keller
Die Zusammenstöße hielten auch in der Nacht auf Montag unvermindert an. Eine Rakete traf Augenzeugen zufolge den 14. Stock des Dusit-Thani-Hotels, in dem sich noch Gäste aufhielten. Sie wurden in der Früh in Sicherheit gebracht, nachdem sie sich die ganze Nacht im Keller verschanzt hatten. Aus Angst vor einer erneuten Eskalation horteten die Menschen im ganzen Stadtgebiet Lebensmittel. Hotelbewohner wurden aufgefordert, abzureisen. Die Schulen blieben geschlossen, Märkte und Banken waren jedoch geöffnet. Im Geschäftsbezirk packten zahlreiche Bewohner ihre Koffer und verließen das Viertel, ein Krankenhaus war bereits evakuiert worden.

In Teilen des Landes war der Notstand verhängt worden. Auch im Norden und Nordosten des Landes kam es zu gewaltsamen Protesten. Diese Landesteile gelten als Hochburg des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, dessen Anhänger in Bangkok für Neuwahlen demonstrieren. Sie werden angeführt von der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), die ihre Anhänger vor allem unter der ärmeren Landbevölkerung hat. Sie ist nicht im Parlament vertreten und hält die Verbindung zu Thaksin, der im Exil lebt. Zwar unterstützen nicht alle Rothemden uneingeschränkt den Kurs des ehemaligen Ministerpräsidenten, doch der Unmut über den Putsch des Militärs gegen Thaksin 2006 eint die Demonstranten.

"Die Menschen erheben sich"
Die "Rothemden" erwarten eine Ausweitung der Unruhen auf weitere Teile Thailands. Einer ihrer Anführer, Arisman Pongruengrong, sagte am Sonntag gegenüber "Spiegel Online" auf die Frage, ob sich die Auseinandersetzungen weiter auf Bangkok beschränken würden: "Ganz bestimmt nicht. Die Menschen in 30 Provinzen erheben sich. Es kommt zudem immer mehr Verstärkung in die Hauptstadt." In mehreren Provinzen haben Anhänger der "Rothemden"-Bewegung UDD unterdessen angekündigt, man werde zurückschlagen, sollte die Regierung die zentrale Protestkundgebung im besetzten Viertel Ratchaprasong gewaltsam auflösen. 

Thailand-Reisen derzeit nicht ratsam
Indes hat die österreichische Botschaft in Bangkok ihren Parteienverkehr vorrübergehend eingestellt. Allerdings bestehe ein "konsularischer Notbetrieb", der telefonisch aufrechterhalten werde, sagte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal. Die Maßnahme gelte zunächst bis Dienstag, die Sicherheitslage werde "laufend evaluiert". Die diplomatische Vertretung stehe in laufendem Kontakt mit rund 150 im Großraum Bangkok lebenden Österreichern, denen es "den Umständen entsprechend gut" gehe.

"Die Sicherheitslage in Bangkok ist nach wie vor sehr angespannt", so Launsky-Tieffenthal. Es gelte daher eine Reisewarnung für die thailändische Hauptstadt. Der internationale Flughafen sei in Betrieb und derzeit - etwa für allfällige Weiterreisen - nicht betroffen. Generell rät das Außenministerium bis auf Weiteres von nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Thailand ab.

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