19.07.2019 06:53

krone.at-Gespräch

Ruttensteiner: „Österreich ist außer Reichweite“

Nächste Woche geht‘s für Willi Ruttensteiner zurück nach Israel. krone.at traf den Technischen Direktor des israelischen Verbandes zuvor während seines sommerlichen Aufenthalts in Oberösterreich, um über sein erstes Jahr in Israel, seinen Langzeitplan, Andi Herzogs „Klagen“ und seine „noch größere Karriere“, den Unterschied zu Österreich und sein Verhältnis zu ÖFB-Präsident Leo Windtner zu sprechen (siehe auch Video oben).

Willi Ruttensteiner im krone.at-Gespräch über ...

... sein erstes Jahr in Israel:
“Es ist eine zweiseitige Aufgabe: Die Nationalmannschaft ist jene Herausforderung, die unmittelbar angestanden ist. Auf der anderen Seite verfolge ich einen Langzeitplan. Ich habe einen israelischen Weg konzipiert. Diesen Planen beginnen wir in allen Bereichen umzusetzen. Das wird sich über die gesamten drei Jahre erstrecken, die mein Vertrag läuft. Aber natürlich sind mir die Nationalmannschaften auch wichtig.“

... die Schwierigkeit der Umsetzung des Langzeitplans:
“Ich bin - auch dank meiner FIFA- und UEFA-Tätigkeiten - mit einem großen Erfahrungsschatz als Sportdirektor nach Israel gekommen. Ich hätte mir aber nicht gedacht, dass es elementar so schwierig ist, Analysearbeit zu betreiben, eine Strategie zu entwickeln und beginnen, sie zu implementieren. Fast ein halbes Jahr hat es gedauert, die Analyse zu erstellen. Und dann brauchten wir ebenfalls fast ein halbes Jahr, die Strategie festzulegen. Das ist in Österreich schneller gegangen. In Israel stand ich natürlich vor der Herausforderung, erst die Kultur kennenlernen zu müssen. Aber für mich persönlich war es eine große Weiterentwicklung.“

... die 0:4-„Watschn“ der israelischen Nationalmannschaft gegen Polen:
“Watschn möchte ich nicht stehen lassen. Natürlich spricht das Ergebnis eine klare Sprache. Aber dabei hilft die klare Analyse: Wir haben gegen Polen Fehler gemacht, die bestraft wurden. Wir sind allerdings nicht in dem Glauben nach Polen gefahren, dass Israel gleichstark wie Polen ist. Mein Wissen war - abgesichert durch sämtliche Daten -, dass Polen eine bessere Mannschaft hat. Wir haben dennoch eine gute Strategie gewählt und dort 30 Minuten lang sehr gut gespielt, 50 bis 60 Minuten - auch beim Stand von 1:0 für Polen - das Spiel gestaltet, wurden aber durch einen Hand-Elfmeter bestraft. Dann war es mental schwierig. Aber die Leistung entsprach für mich eine Stunde lang einer Weiterentwicklung der israelischen Nationalmannschaft. Ich bin in Israel nicht so resultatabhängig wie womöglich in einem anderen Land. Natürlich wollen wir jedes Spiel gewinnen. Aber dass Polen und Österreich außer Reichweite sind, ist uns völlig klar, davon bin ich 100-prozentig überzeugt. Aber man kann in einem Spiel immer wieder überraschen.

... die Arbeit von Israels Teamchef Andi Herzog:
Wenn ich das Auftreten der israelischen Nationalmannschaft in den ersten Quali-Auswärtsspielen, beginnend mit Albanien, und dem aktuellen Auftreten vergleiche, komme ich zu Erkenntnis, dass dahinter - obwohl wir gegen Polen höher verloren haben - eine große Entwicklung steckt. Dazu muss man dem Andi Herzog und seinem Team, auch in der Zusammenarbeit mit mir, ein Kompliment machen. Es ist eine richtig tolle Arbeit, und wird geschätzt in Israel.

... Andi Herzogs „Klage“, dass israelische Spieler trotz großen Potenzials bei Europas Topklubs oft keine Rolle spielen:
Ich verstehe den Andi diesbezüglich sehr gut. Natürlich hätte er gerne, dass die Spieler besser vorbereitet zum Nationalteam kommen. Andererseits ist es eine ganz logische Situation. Wenn wir etwa zu Beginn der 200er-Jahre von österreichischen Nachwuchsspielern gesprochen haben, wurden sie nicht geschätzt. Wenn wir von österreichischen Trainern gesprochen haben, wurden sie auch nicht so sehr geschätzt. Ganz ähnlich war es, wenn wir von österreichischen Sportdirektoren gesprochen haben. Das ist jetzt auch in Israel im Entstehen und im Entwickeln. Grundsätzlich müssen wir mit der israelischen Nationalmannschaft Leistungen erbringen, sich vielleicht auch für ein Großereignis qualifizieren, dann wird der Spieler immer mehr geschätzt. Aber: Mit Manor Solomon zum Schachtjor Donezk und anderen aktuellen Transfers sieht man bereits, Ergebnisse, Spiele und Qualität wahrgenommen werden. Aber dieser Prozess wird noch dauern. Und das beklagt Andi Herzog vermutlich. Denn acht oder zehn Jahre wird er nicht Teamchef in Israel sein - da wird er noch eine größere Karriere machen.

... sein Verhältnis zu ÖFB-Präsident Leo Windtner:
Danke für diese Frage! Ich verdanke Leo Windtner sehr viel. Er hat mir in der Entwicklung seiner Person beim ÖFB sehr viel geholfen. Ich habe international großartige Erfahrungen machen dürfen, das werde ich ihm nie vergessen. Das Ende der Zusammenarbeit und die Art und Weise, wie wir auseinandergegangen sind, hätte man meiner Meinung nach anders tun sollen. Es handelte sich bei mir ja um einen Mitarbeiter, der fast 20 Jahre für den ÖFB gearbeitet hat, und ich glaube auch, nicht so schlecht. Darüber lässt sich freilich diskutieren. Aber summa summarum war der ÖFB ein hervorragender Dienstgeber.

... die mediale Darstellung, er sei bei seiner ÖFB-Ablöse das „Bauernopfer“ gewesen:
Das hat mich nicht interessiert. Ich wollte alles ordnungsgemäß abschließen, das ist passiert. Wichtig war mir auch eine Perspektive für die Zukunft, die habe ich. Und vielleicht war es für meine Entwicklung sogar gut, nach so einer langen Zeit andere Herausforderungen zu sehen und irgendwann einmal vielleicht wieder in Österreich zu arbeiten. Momentan stehe ich mit Leo Windtner nicht in Kontakt. Aber wir haben uns einmal bei einer Gala getroffen. Wir sprechen, und es gibt keine Sentimentalitäten.

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