Live im Porgy & Bess

Holland & Almond: Paarlauf zwischen Freunden

Musik
20.03.2019 00:17

Jools Holland und Marc Almond sind nicht nur Kultstars aus England, sondern auch begnadete Musiker und gute Freunde. Gemeinsam tingeln sie derzeit durch Europa und machten mit stimmkräftigen Sängerinnen Dienstagabend im Wiener Porgy & Bess Halt. Ein Abend mit viel Improvisation und Nostalgie, aber ohne markante Höhepunkte.

(Bild: kmm)

Eine der wichtigsten Regeln im Showbusiness lautet: Wirf deinem Publikum die allergrößten Highlights niemals schon zu Beginn vor die Füße. Insofern macht der britische Pianist und Talkshow-Host Jools Holland im restlos ausverkauften Porgy & Bess alles richtig, denn seinen großen Stargast hebt er sich bis zur Showmitte auf. Wobei - ein Highlight ist Holland selbst natürlich auch schon. Erst letztes Jahr brillierte er mit seinem getreuen „Rhythm & Blues Orchestra“ im Wiener Metropol, doch seine wahre Berühmtheit verdankt er seiner seit 1992 laufenden und ungebrochen populären Show „Later… With Jools Holland“, in der er von Amy Winehouse über George Harrison bis hin zu BB King alles begrüßte, was Rang und Namen hat. Seine wahre Passion findet freilich hinter dem Piano statt, wo er seit mittlerweile rund 45 Jahren in verschiedensten Ausprägungen für Furore sorgt.

Zerrissener Spaß
Die unbändige Spielfreude merkt man ihm auch in der schweißtreibenden Porgy-Atmosphäre von der ersten Sekunde weg an. Mit flinken Fingern fegt er über die Tasten und kommuniziert unentwegt mit seinem anfangs reservierten, aber zunehmend auftauendem Publikum. Er referiert über seine Liebe zu Wien, freut sich über sein Lieblingsplattengeschäft, das die besten Boogie-Woogie-Alben hat und pfeffert bezüglich seiner formidablen Mitmusiker einen Schmäh nach dem anderen aus dem Effeff. Ein echter Entertainer vom Scheitel bis zur Sohle, der zwar nicht jede einzelne Pointe exakt anbringt, es aber sogar schafft, die unbändige Liebe zu seinem Flügel humoristisch darzustellen. Das einzige Problem bei der Witze-Revue ist es, dass der musikalische Faden dadurch etwas zu oft zerrissen wird. Das ist vor allem dann schade, wenn die famose Louise Marshall ans Mikrofon tritt. Mit ihrer Soulstimme irrlichtert sie präzise in lichte Höhen, nur um bei „Waterloo Bridge“ rechtzeitig wieder in den Groove zu kommen.

Dagegen tut sich Beth Rowley sichtlich schwer, denn die hochgeschossene Sängerin verfügt zwar über ein eindringliches Stimm-Timbre, kann den Spannungsbogen in ihren Songs aber zu keiner Zeit so hoch halten wie Marshall. Zwischendurch setzt Holland immer wieder zu seinen Piano-Solos an und lässt sich rhythmisch perfekt von Klaxons-Drummer George Latham begleiten, der ihm unaufgeregt, aber prägnant das Fundament für die eigene Kreativität unterbreitet. Auf Langstrecke ist das Dargebotene aber trotz der unterschiedlichen Stimmen und des kompositorischen Abwechslungsreichtums etwas ermüdend. Klar, die ständigen Genre-Wechsel zwischen Boogie Woogie, Shuffle und erdigem Blues sind gut gesetzt, doch der Zusammenhalt des Showprogramms lässt doch etwas zu wünschen übrig.

Auftritt des Stars
Nach einer guten Stunde kommt dann aber doch DER Special Guest des Abends auf die Bühne. Jener britische Kult-Popstar, für den gefühlte 90 Prozent aller Anwesenden das Ticket gelöhnt haben - Marc Almond. Mit seinen 61 Jahren sieht die 80s-Pop-Ikone von Soft Cell immer noch unverschämt jung und vital aus. Erwartungsgemäß passend in Schwarz gekleidet, kämpft er anfangs noch mit einem widerspenstigen Mikrofonständer, findet aber sofort ins Set, was mitunter auch an den johlenden Fans liegt, die ihn von der ersten Sekunde an anpeitschen. Der Fokus liegt klar auf Almonds letzten Winter gemeinsam mit Holland aufgenommenem Album „A Lovely Life To Live“, auf dem sie gleichermaßen Eigenkompositionen, Vergangenheitsrelikte und Lieblingssongs packten. Dass gerade die selbstgeschriebenen Nummern außen vor bleiben, ist dann doch etwas unverständlich.

Wie ein trittfestes Chamäleon wandelt Almond stilsicher durch die unterschiedlichen Songs. Bei „Big Black Mercedes 600“ gibt er sich selbstsicher und lasziv, die sanfte Ballade „Hymne á L’amour“ schmachtet er partiell ohne Mikrofonunterstützung durch das Oval. Zwischenzeitlich herrschen Irritationen im Zuseherbereich, weil sich bei der Kreuzung zwischen Sitz- und Stehplatz Protagonisten beider Parteien nicht ganz sicher sind, wer seine Aufgabe nun gerade richtig erfüllt und dieses Problem lautstark und mit herbem Dialekt untereinander austragen. Almond quittiert das souverän mit humorigen Warnhinweisen und läuft am Ende bei seinem legendären Soft-Cell-Kultsong „Tainted Love“ zur Hochform auf - auch wenn die vom Piano begleitete Soloversion gewöhnungsbedürftig ist. Auf den Sitzen hält es nun keinen mehr. Die mit einer göttlichen R&B-Stimme gesegnete Ruby Turner hat es zum Schlussteil der Show natürlich schwer, dieses Highlight zu übertrumpfen - zumal sich der eine oder andere nach Almond umgehend auf den Heimweg macht. Mission accomplished. Wenn auch nicht mit Glanz und Gloria.

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