Raue Sitten

Gastronomiebranche: Strafe für schmutzige Krawatte

Nachrichten
18.03.2019 05:55

Harte Bandagen hinterm Herd: Während in Österreich die Arbeitszufriedenheit steigt, herrschen in der Gastronomie oft raue Sitten.

Österreich ist ein Land der Gastlichkeit, mit gelebter Kaffeehauskultur, Slow Food und Gerichten von regionaler Topqualität. Doch die Gastrobranche kämpft mit einem Imageproblem. Ein Strafenkatalog für Hotelmitarbeiter in einem Betrieb am Wörthersee heizte unlängst die Debatte um Arbeitsbedingungen in der Gastronomie erneut an: Kellner, die mit dreckiger Krawatte zum Dienst erscheinen, müssen zwei Euro bezahlen (siehe Listen unten).

Hotelchef: „Erzieherische Maßnahme“
Ist bei der Kollegin die Unterwäsche „zu auffällig“, sind ebenfalls zwei Euro fällig. Wer elf Minuten zu spät den Dienst im Wörthersee-Hotel antritt, muss vier Euro bezahlen, und ein vergessener Gang in der Speisefolge kostet ebenfalls. Das sorgte in der Szene für Aufregung. Der Hotelchef hingegen bezeichnet es als „erzieherische Maßnahme“. Das Strafgeld komme außerdem ohnehin der Belegschaft zugute, und zwar für gemeinsame Unternehmungen. Manche werten derartige Maßnahmen als „Sinnbild für die schlechten Arbeitsbedingungen im Tourismus“. Andere beharren darauf, dass es ohne klare Regeln und gepflegtes Erscheinungsbild in der Gastronomie nicht funktioniere.

Österreich liegt bei der Arbeitszufriedenheit im EU-Spitzenfeld. Der Arbeitsklima-Index 2018 der AK Oberösterreich bestätigt, dass die Zufriedenheit zunehme. Beschäftigte in der Gastronomie klagen hingegen über unregelmäßige Arbeitszeiten, hohe gesundheitliche Belastungen und schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, heißt es. Vor allem im Service wollen viele den Job wechseln (Grafik unten). Top-Gastronomen sind überzeugt: Um wieder mehr Junge für die Branche begeistern zu können, müsse ein rascher Wandel her.

Gebäck nicht boniert: „Fristlose“
Die oft umstrittenen Praktiken in der Gastronomie sind mittlerweile auch bereits Fälle für Juristen. Die Rechtsschutzexperten der Arbeiterkammer (AK) sind immer wieder mit Problemen in der Gastronomie konfrontiert. „Viele bekommen ihre Überstunden nicht ausbezahlt, die sie aber leisten müssen, weil es zu wenig Personal gibt. Eines der häufigsten Probleme ist, dass Arbeitnehmer bei einem Krankenstand sofort entlassen und oft sogar rückwirkend abgemeldet werden“, weiß AK-Arbeitsrechtsexpertin Karmen Riedl. Erst vor Kurzem sorgten einige Fälle bei den Arbeitnehmervertretern wieder für Kopfschütteln.

In einem Selbstbedienungslokal in Wien wurde ein Arbeiternehmer fristlos entlassen, weil er angeblich ein Gebäck nicht boniert hatte. Es geht um 2,49 Euro. In einem italienischen Lokal verweigerte der Chef seiner erkrankten Küchenhilfe den Lohn. Um das dringend benötigte Geld zu bekommen, lässt sich die Frau wieder gesundschreiben - und wird vom Chef gekündigt. In einem Wiener Hotelbetrieb wurde ein Kellner (26) gekündigt, weil er eine Flasche Rum nicht korrekt boniert hatte - nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag. Vor Gericht bekam der Mann recht.

Koch brach zusammen - gekündigt
In einer Wiener Pizzeria erkrankte ein Koch, nachdem er regelmäßig bis zu 60 Stunden pro Woche hatte arbeiten müssen. Als der Koch in einer Apotheke dann krank zusammenbrach, wurde er gekündigt. Mithilfe der Arbeiterkammer bekam der Mann 9000 Euro für noch offene 173 Überstunden und nicht konsumierte 13 Urlaubstage zugesprochen.

Der österreichische Koch des Jahres, Hubert Wallner, spricht im Interview mit der „Krone“ über Servicequalität und einen notwendigen Imagewechsel in der Branche.

„Krone“: Die Gastronomie in Österreich leidet unter einem schlechten Image. In vielen Regionen fehlt es an Kellnern und Köchen. Mancherorts muss sogar die Küche kalt bleiben. Personal aus dem Ausland soll das Problem lösen.
Hubert Wallner: Die Gastronomie ist ein wunderschöner Beruf, der auch viel Arbeit mit sich bringt. Ich halte es aber für den falschen Weg, die Tür Richtung Osten zu öffnen. Wir sollten das Problem im eigenen Land anpacken. Österreich ist ein Tourismusland - wir brauchen qualifiziertes Personal. Es geht dabei unbedingt auch um die Freundlichkeit am Gast.

Wie könnte das Problem des Personalmangels bei uns gelöst werden? Allein in Kärnten fehlen Hunderte Köche und Kellner.
Es benötigt einen Imagewandel, die Berufe müssen wieder attraktiver werden. In Österreich kommen derzeit viele junge Kochtalente nach. Die Aus- und Weiterbildung ist besonders wichtig. Es gehört unbedingt ein neues Lohngesetz her, das die Lohnnebenkosten senkt, damit dem Arbeitnehmer mehr bleibt.

Thomas Leitner, Kronen Zeitung

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