„Krone“-Interview

Muse: Mit Vollgas zurück in die 80er-Jahre

Musik
08.11.2018 07:00

Mit dem Konzeptalbum „Drones“ und der dazugehörigen 360-Grad-Tour haben die britischen Stadion-Rocker Muse sich selbst übertroffen. Für das nun erscheinende Album „Simulation Theory“ verlassen sie die technoiden Pfade, gehen zurück zur Menschlichkeit und beamen sich knallhart in die 80er-Jahre. Ein mutiger und interessanter Schritt, der die Meinungen der Fans spalten wird. Schlagzeuger Dominic Howard erzählte uns detailliert über die neue Ausrichtung. 2019 kommt die Band nach Graz.

(Bild: kmm)

„Krone“: Dominic, euer neues Album „Simulation Theory“ wird für viele Muse-Fans eine große Überraschung darstellen. Das Album wirkt heller, bunter, hat noch mehr Synthie-Elemente und ist eine klare Referenz an die 80er-Jahre. Was war ausschlaggebend dafür?
Dominic Howard: Wir wollten ein bisschen zurückgehen vom Sound des „Drones“-Albums, weil es sehr rockig und traditionell ausfiel. Das Thema war sehr dunkel und schwer und auch die Tour mit den ganzen Drohnen und der Rundum-Bühne war sehr intensiv. Wir wollten einfach etwas ganz Anderes machen, was ohnehin immer unser Ziel ist. Dieses Mal sollte es etwas Helleres und wesentlich Optimistischeres geben. Es geht auch mehr um den Eskapismus als um die Unterdrückung durch künstliche Intelligenz. Musikalisch haben wir im Studio wesentlich mehr experimentiert. Wir haben mehr Synthies und Technologie eingesetzt. Wir wollten einfach mehr Farbe in den Klang bringen und nicht mehr so Schwarz-Weiß klingen, wenn das jetzt irgendwie Sinn macht. (lacht)

Das Cover-Artwork hat Kyle Lambert gemacht, der auch für „Stranger Things“ zuständig ist. Die Videos sind von Lance Drake. War der Schritt in die 80er für euch auch eine Nostalgie-Reise, weil ihr in diesem Jahrzehnt aufgewachsen seid?
Exakt richtig, das trifft es ziemlich auf den Punkt. Wir haben jetzt nicht direkt unser Leben reflektiert und zurückgeschaut, aber je älter man wird, umso mehr wird man sich seinen Erinnerungen aus der Kindheit bewusst. In den 80er-Jahren liegen unsere frühesten musikalischen Einflüsse und wir haben die ganze Zeit viel darüber geredet. Irgendwann haben wir realisiert, dass uns Filme, vor allem aus dem Science-Fiction-, Fantasy- und Horror-Bereich, am meisten inspirierten. Sie hatten eine große Bedeutung für uns und die Soundtracks waren grandios. John Carpenter war revolutionär und hat uns nachhaltig geprägt. Die Synthie-Klänge von damals reflektieren die Zeit perfekt wider - genauso wie diese Filme. Zusammengenommen hat sich das sehr explizit zu einer Kunstform entwickelt. Als wir uns von diesem Thema begeistern ließen, haben wir immer mehr auf die Ästhetik geachtet und versucht, sie zu reproduzieren, ohne die Moderne und den Futurismus zu vernachlässigen. Mit „Dig Down“ hat vor knapp zwei Jahren alles angefangen und dann ging es über zu „Thought Contagion“. Als diese Grundpfeiler standen, rollte der Ball und wir wussten bald, wie das Album klingen sollte.

Es war doch deine Idee, dieses Mal kein Konzeptalbum zu machen, sondern sich mehr auf die einzelnen Songs zu konzentrieren? Die letzten drei Alben von euch folgten immer einer gewissen Grundthematik.
„Drones“ war deutlich konzeptionell, das stimmt. Es gibt aber auch hier einen roten Faden. Der Albumtitel, die Videos, das Artwork und die Dramatik der Songs spielen sehr gut ineinander. Alles hängt irgendwie zusammen, aber es gibt kein bestimmtes Konzept. Das Konzept ist in diesem Fall, dass sich die Themen und Songs ähneln. „Simulation Theory“ klingt definitiv anders und das war auch bewusst so geplant.

Worum dreht sich „Simulation Theory“ am Ende? Geht es um die Theorie, dass wir nicht unbedingt reale Personen sind, sondern bloß ein Gedankenkonstrukt in diesem Universum sein könnten?
Ist gibt eine reale Theorie darüber, die dokumentiert wurde. Matt hat darüber gelesen und wir haben früh darüber gesprochen, als wir noch überlegten, wohin das Album gehen soll. Sie dreht sich grundsätzlich um die Macht und Kraft von Computern und wie schnell sich in diesem Bereich alles entwickelt. Heute verwenden Wissenschaftler Computersimulationen um herauszufinden, wie die Welt endstanden ist oder sie enden könnte. Es gibt sehr viele virtuelle Simulationen. Es gibt die Theorie, dass diese aufsteigende Macht von Computern so weit gehen könnte, dass sie in der Lage wären, das Universum und die Zeit virtuell zur Gänze zu entdecken. Das könnte sich dann so anfühlen, als wäre es echtes Leben und wenn du an dem Punkt angelangt bist, gibt es auch die Theorie, dass all das, was wir jetzt gerade tun, eine reine Simulation ist. (lacht) Es ist eine wilde Theorie, das ist uns bewusst, aber virtuell schreiten wir so schnell voran, dass du irgendwann vielleicht wirklich hinterfragen musst, was nun real ist und was nicht. Uns hat das Thema begeistert. Das Album ist so eine Art von Schirm, die diese Theorie grob unter sich versammelt.

Ihr habt aber auch zeitgemäße Themen auf dem Album verknüpft. Auf „Thought Contagion“ geht ihr etwa auf die vielen Falschinformationen amerikanischer Nachrichtensender ein.
Das ist korrekt. Falschinformationen und Meinungsmache werden derzeit wie ein Virus auf der Welt verbreitet, was dann schlussendlich zu Propaganda führt.

Was uns wiederum zu einem weiteren Songtitel auf „Simulation Theory“ führt. Ist es euch ein Anliegen, euren Hörern und Fans nicht den Spiegel vorzuhalten, aber sie zumindest auf diverse Verfehlungen in dieser Welt aufmerksam zu machen?
Ich glaube nicht, dass wir die Verantwortung haben, diese Dinge zu benennen. Wir machen die Musik, die wir mögen und Matt singt über Dinge, die wir als relevant erachten. Es ist nicht so, dass wir die Band als politische Plattform sehen, um den Leuten unsere Gedanken weiterzugeben.

Ich meine auch nicht, dass ihr den Leuten da etwas vorpredigt, sondern vielmehr, dass ihr sie aufmerksam macht oder sie für diverse Dinge und Probleme auf dieser Welt erwecken wollt.
Das kommt vielleicht hin, ja. Aber es passiert nicht vorsätzlich. Wenn sich die Leute Gedanken machen, weil wir darüber singen, ist das cool, aber wir wollen der Welt sicher nichts bewusst mitteilen. „Uprising“ war ein Song, der sich ganz klar darauf bezog, was 2008 in England und auch in Griechenland passierte, als die Finanzkrise einsetzte und die Leute deshalb auf die Straße gingen. Die Menschen haben damals aufgrund der Bankenkrise ihren Verstand verloren. Die Inspiration kam damals aus dem Realen. Oft kommt sie aber eben aus Büchern oder Theorien, die uns interessieren.

„Something Human“, einer der rockigeren und „herkömmlicheren“ Songs auf eurem neuen Album, behandelt mitunter die Themen Heimweh und das Ausgebranntsein nach langen Touren. Fühlt ihr euch bei eurem intensiven Live-Programm manchmal selbst mehr wie Maschinen denn Menschen?
Dieser Song war der erste, den wir nach Beendigung der 18-monatigen „Drones“-Tour geschrieben haben. Das war wirklich eine verdammt lange Zeit wo sich fast jeder Gig gleich anfühlte. Außerdem haben wir in manchen Städten öfter hintereinander gespielt und manchmal hast du wirklich das Gefühl, dass die Zeit angehalten hat. (lacht) Ich hatte oft das Gefühl, ich würde schon zwei Wochen in Paris sein, obwohl es nur ein paar Tage waren. Die Tour war unglaublich ambitioniert und wir haben vor lauter Arbeit gespürt, dass es schwierig werden würde, wieder runterzukommen. Am Ende waren wir ausgebrannt, da gibt es nichts zu beschönigen. Der Großteil der Konzerte ist immer grandios und auf der Bühne fühle ich mich meist gut. Aber manchmal rutscht du am Vorabend an einer Bar ab und dann überlegst du am nächsten Abend, wo der nächste Drumstick steckt. (lacht) Das ist natürlich die Ausnahme, aber wenn man jeden Abend dieselben Songs spielt, dann wird es irgendwann verdammt hart.

Die 360-Grad-Bühne samt den fliegenden Drohnen und den Videoeinspielungen war unglaublich teuer und aufwändig. Wie werdet ihr die Live-Umsetzung der nächsten Tour anlegen? Ein eher düsteres Bühnenbild wie das letzte würde nicht mehr zu „Simulation Theory“ passen.
Wir arbeiten die Show derzeit aus und sind erst am Beginn des Designs. Wir haben eine gute Idee und wollen alles etwas Theatralischer machen. Die letzten paar Touren waren immer sehr nahe am Thema Technologie. Die Drohnen flogen herum und wir hatten so viele Spielereien, die sich mit Technik befassten und wir hatten schon etwas Kopfweh, weil nicht immer alles so perfekt klappte. (lacht) Wir wollen dieses Mal etwas zurückstecken. Wir wollen auch keine Filme mehr im Hintergrund abspielen und davor stehen, denn auf der letzten Tour fiel mir auf, dass die Leute schon nur mehr auf die Leinwand starrten und gar nicht mehr so ganz registrierten, was wir auf der Bühne eigentlich tun. (lacht) Wir wollen mehr Menschen in die Show einbauen, um den humanistischen Aspekt zu steigern. Natürlich werden wir nicht auf Technologie verzichten, aber wir wollen die Leute nicht mehr mit Visuals bombardieren. Wir wollen mit anderen Künstlern oder Artisten kooperieren und mehr Livekunst bieten, als nur Filme abzuspielen.

Die Show an sich sollte also im Gegensatz zur Synthie-basierteren Musik wieder eher traditioneller zum Rock zurückgehen?
Mehr Menschlichkeit ist das Wichtigste. Die Bühne sollte die Aufmerksamkeit der Leute auch ohne großen technischen Firlefanz gewinnen können.

Ist deine große Liebe zu den Filmen der 80er-Jahre mitunter ein Grund, warum ihr zu jedem einzelnen Song ein dazu passendes Video dreht?
Zum Teil schon. Wir haben mit Lance Drake das Video zu „Dig Down“ gemacht und uns sehr gut verstanden. Dann haben wir am Anfang über das Album geredet und die Idee geboren, dass es cool wäre, zu jedem Song ein Video zu machen, das am Ende eine Art Film ergeben würde. Das ist sehr ambitioniert und ich bin mir nicht sicher, ob wir das schaffen, bevor uns das Geld ausgeht. (lacht) Wir haben aber soweit schon einige Videos abgedreht und sind auf einem guten Weg dorthin. Lance ist auch sehr motiviert und wir kreieren eine bizarre, virtuelle Welt, die dem Albumthema entspricht. Manche Videos folgen einer Story in den Songs, andere wiederum sind eher virtuell zu betrachten. Manche drehen sich um Paralleluniversen - etwa „Dig Down“ oder „Thought Contagion“. Das Video zu „Pressure“ ist wohl das mit den größten 80er-Referenzen und wohl das dümmste, das wir je gemacht haben. (lacht) Es ist aber großartig und ein Mash-Up von unseren Lieblingsfilmen aus dieser Zeit. Es ist grob gesehen eine Mischung aus „Zurück in die Zukunft“, den „Gremlins“, „Ghostbusters“ und „Footloose“. Der in den USA bekannte Schauspieler Terry Crews bekämpft darin die Gremlins - es ist einfach irrsinnig witzig.

Was macht die 80er-Jahre so speziell für euch? Warum diese große Zuneigung zu dieser Zeitepoche?
Ich weiß nicht, ob das Jahrzehnt besser war als andere. Meine Teenager-Zeit hatte ich in den 90er-Jahren. Die waren für mich wichtig, um den Rock kennenzulernen und selbst eine Band zu starten. Die 80er haben einfach so viel Spaß gemacht und waren unheimlich bunt. Alle waren damals sehr optimistisch und es herrschte rundum Aufbruchsstimmung, das sieht man auch in den Filmen. Damals haben viele Regisseure Filme über die Zukunft gemacht und das aus einem positiven Blickwinkel heraus. Dieser Gedankengang hat mir immer gefallen, denn der Optimismus ist heute leider vielen Menschen verloren gegangen.

Was ist dein persönlicher Lieblingsfilm aus den 80er-Jahren?
Ich würde sagen „Aliens“. Aber der zweite Teil, denn der erste war strenggenommen schon Ende der 70er-Jahre. Da muss ich aufpassen. (lacht) „Zurück in die Zukunft“ ist ein zeitloser Klassiker, da gibt es auch keine Diskussion.

Noch gibt es keinen fixen Wien-Termin, aber man kann wohl damit rechnen. Gibt es etwas, worauf du dich freust, wenn du an Österreich denkst?
Wir werden definitiv wiederkommen. Ich war noch nie in der Wiener Staatsoper und würde da gerne einmal hin. Ein klassisches Konzert hat Matt schon mal besucht, aber mir fehlt das noch. Irgendjemand, der Beethoven spielt würde mir gefallen. Wien ist eine atemberaubende Stadt und die Architektur macht mich jedes Mal sprachlos. Ich hoffe, dass wir bald wieder dort spielen.

Live zu sehen sind Muse mit ihrer brandneuen Show am 29. Mai in der Stadthalle Graz. Alle weiteren Infos und Tickets gibt es Freitag, 16. November, unter www.psimusic.com

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