Gänsehaut-Garantie

Im Sturzflug über Graz – die perfekte Illusion

Steiermark
03.10.2009 20:04
Der Flugsimulator steht fix verankert auf dem Boden, das weiß ich. Aber die Illusion ist absolut perfekt: Ich fliege wirklich in 1.800 Fuß Höhe...

Später, als die Hände nicht mehr ganz so schweißnass waren und ich mich in meinem Cockpit sicherer und sicherer fühlte, legte ich den Steuerknüppel schon recht energisch nach rechts. Das Panorama vor mir kippt, mir wird ein bissl schlecht. "Jetzt", sagt Chefpilot Walter Fuchs neben mir ganz trocken, "jetzt übergeben sich etwa 80 Prozent Ihrer Passagiere…"

Da waren wir schon wieder im Anflug auf Graz. Bei der ersten Landung hatte Fuchs mir noch geholfen; beim Bremsen schlitterte ich zwar in Richtung Rasen, aber dann stand meine zweipropellige Diamond, und ich konnte erstmals durchatmen. Aber jetzt sollte ich ganz allein aufsetzen. Die Landebahn ist schon unter mir, Schub zurück, Steuerknüppel ganz ruhig halten - und zack, wir haben wieder Boden. "Naja", sagt Fuchs, "ein bissl hart, diese Landung, aber okay. Wir leben alle noch."

Erfahrender AUA-Chefpilot
Der Mann weiß, wovon er spricht. Als AUA-Chefpilot hat er 18.000 Starts und Landungen hinter sich. In Graz ist er Ausbildungsleiter für angehende Piloten. Die müssen mindestens 40 Stunden im Simulator "fliegen", ehe sie in einen echten steigen dürfen. Und der Mann hat Humor. Meine Füße liegen auf den Pedalen für das Seitenruder, aber instinktiv will ich mit dem rechten Fuß immer Gas geben, wie im Auto. "Macht nix", lacht mein "Copilot", "Gaspedal gibt's eh keines."

Nächster Start. Mit 72 Knoten soll ich abheben. Die beiden Schubhebel also ganz nach vorne, meine "Diamond" macht jetzt ordentlich Lärm, bei exakt 72 Knoten ziehe ich den Steuerknüppel zwischen meinen Beinen nach hinten. "Nicht so steil!", rät Fuchs, "Wir verlieren sonst zuviel Fahrt!" Also schau ich brav auf den künstlichen Horizont. Steigflug mit zehn Prozent Neigung. Langsam verschwindet Graz unter mir. Ich fliege. Ich fliege! Wunderbar! Ist ja gar nicht so schwer...

"Darf ich einmal in den Sturzflug gehen?"
"Chef", sage ich in 1.800 Fuß Höhe, "darf ich einmal in den Sturzflug gehen?" - "Klar!" Steuerknüppel nach vorn. Wir rasen auf den Boden zu. Der Tachometer rasselt die Zahlen hinauf, dass es eine Freude ist. 120 Knoten, 135, dann 160... Das macht Spaß! Bei 194 Knoten meldet sich Fuchs wieder. "Genug, bitte", sagt er, "sonst verlieren wir noch einen Flügel." Schluss mit lustig.

Hinter mir sitzt Martin Stessl und programmiert den Simulator immer wieder neu. Alles ist möglich: Wind, Regen, Hagel, und alle europäischen Airports können angeflogen werden. "Bisher sind wir auf Sicht geflogen", sagt er. Aber jetzt ist es Nacht." Und schon ist alles schwarz, als hätte irgendwer den Lichtschalter umgelegt. Nur ein ferner weißer Strich ist zu sehen - die Landebahn mit der Pistenbefeuerung und den rotweißen Gleitweganzeigen: Sind alle vier Lichter rot, bin ich zu tief; sind alle weiß, bin ich zu hoch. Zwei weiße, zwei rote, dann passt's. Aber jetzt nur nach den Instrumenten zu fliegen - unmöglich! "Bitte wenigstens Dämmerung!", flehe ich, und schon wird's heller.

Bruchlandung
Zuletzt flogen wir Innsbruck an. Föhnsturm. Mein "Vogel" wackelt hin und her, als wär' er betrunken. Wir rumpeln links, rechts, rauf, runter. Die Landebahn kommt näher. Panik! In zehn Metern Höhe schmeiß' ich die Nerven weg, lass alles los und schaue Fuchs hilflos an. Wir krachen auf den Beton. Fuchs: "Naja, herunten sind wir. Aber wir haben das rechte Rad abgebrochen..."

von Christoph Biró, "Steirerkrone"

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