Makabere PR-Aktion
“Selbstmord-Anschlag” als Werbung für Kinofilm
Stahlberg ist mit subversiv-satirischen Kinoproduktionen wie "Muxmäuschenstill" bekannt geworden. Sein neues Werk "Short Cut To Hollywood", aus dem der Grundgedanke und das gesamte Material für seine Fälschung stammen, läuft am 24. September in den Kinos an. Stahlberg bezeichnete die Inszenierung als "PR-Versuch, ganz nah an unserem Film". Da gehe es um drei "vollkommene Nichtskönner" aus Berlin, die in den USA dadurch berühmt werden wollen, dass sie den Medien ein Selbstmordattentat versprechen. "Ich wollte sehen, ob so etwas tatsächlich in der Realität passieren kann", meinte Stahlberg. Der Journalismus in Zeiten von Twitter und Webrecherche sei zunehmend von Schnelllebigkeit geprägt.
Den Trailer und die Bilder zum Film "Short Cut To Hollywood" findest du in der Infobox!
In der Inszenierung hatte ein Sender namens "vpk-tv" zunächst berichtet, es gebe einen Selbstmordanschlag in einem Lokal in der Innenstadt von Bluewater. Eine Stunde später berichtete der Sender, es handle sich nicht um "arabisch-stämmige" Männer, wie zunächst berichtet, sondern um drei deutsche Rapper einer Gruppe mit dem Namen Berlin Boys. Die Berlin Boys sind auch die Hauptfiguren in "Short Cut To Hollywood".
Nachrichtenagentur ausgetrickst
Ein angeblicher deutscher Hospitant des Senders hatte am Vormittag unter anderem die deutsche Nachrichtenagentur dpa auf den "Anschlag" aufmerksam gemacht. Die dpa berichtete nach kurzer Überprüfung der Websites und Anrufen bei Polizeinummern, die auf einer ebenfalls gefälschten Website des Ortes Bluewater standen, über den Fall.
Bilder aus dem Film für Fake verwendet
Auf den Bildern der Website des erfundenen Senders - die dem Film "Short Cut To Hollywood" entstammen - war zu sehen, wie Menschen aus einem Lokal rennen und eine Nachrichtensprecherin aufgeregt und stockend über das Ereignis berichtet. Das ganze Ausmaß der Inszenierung inklusive der Website einer Kleinstadt namens Bluewater, Telefonnummern der zuständigen Polizei und Feuerwehr (die mit amerikanischen "Mitspielern" Stahlbergs besetzt waren) und eines falschen Medien-Informanten wurde erst Stunden später deutlich. Nicht nur die Website des TV-Senders war gefälscht, auch der Webauftritt des Ortes Bluewater stimmte nicht.
Dort angegebene Telefonnummern von Polizei und Feuerwehr waren ebenfalls falsch. Auf telefonische Anfrage der dpa hatten die Mitspieler als Sprecher von Polizei und Feuerwehr bestätigt, dass es einen Vorfall gegeben habe, und später, dass drei Deutsche festgenommen worden seien. Erst ein Anruf bei der übergeordneten Polizeistation in San Bernardino ergab, dass dort niemand von einem derartigen Vorfall oder von Festnahmen wusste.
Bild der "Terroristen" auf Twitter veröffentlicht
Regisseur Stahlberg nutzte für die geschmacklose Kampagne auch das Netzwerk Twitter. Dort berichteten angebliche Augenzeugen von mehreren Streifenwagen, die mit Blaulicht zum "Anschlagsort" geeilt seien. Sogar ein Bild von den angeblichen Terroristen wurde veröffentlicht. Es zeigte drei vermummte Männer in dem Restaurant.
Eine übliche kurze Überprüfung der Websites zu Beginn der Recherche hatte zunächst keine größeren Auffälligkeiten ergeben. Erst eine genauere Untersuchung mit dem Überprüfungstool "whois.net" zeigte, dass sowohl die Website des Senders als auch die angebliche Website der Kleinstadt erst am 29. Juni 2009 registriert worden waren. Bei beiden Anmeldungen war auch dieselbe Faxnummer angegeben. Ebenfalls manipuliert war ein Wikipedia-Eintrag, wo erst seit dem 9. September ein Link auf die gefälschte Website der Stadt Bluewater führte.
Filmfirma Senator distanziert sich von PR-Aktion
"Außer dem guten Geschmack ist niemand zu Schaden gekommen", teilte die Berliner Marketing-Agentur "Neverest", die mit der Bewerbung von "Short Cut To Hollywood" beauftragt ist, am Donnerstagnachmittag bekannt. Die Filmfirma Senator fand die PR-Aktion gar nicht lustig und distanzierte sich ausdrücklich von der Kampagne: "Es handelt sich dabei um eine von den Filmemachern Jan Henrik Stahlberg und Marcus Mittermeier eigenmächtig initiierte Aktion, von der wir uns aufs Deutlichste distanzieren."
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.