Alles erfunden

SPD-Abgeordnete gibt Fälschung des Lebenslaufs zu

Ausland
20.07.2016 09:43

Matura, Studium der Rechtswissenschaften, Staatsexamen - alles erfunden: Die Essener Bundestagsabgeordnete Petra Hinz hat zugegeben, wichtige Teile ihres Lebenslaufs gefälscht zu haben. Die Politikerin verfüge weder über Matura noch über ein abgeschlossenes Jus-Studium, erklärten ihre Anwälte am Dienstagabend in einem Schreiben, das auch auf Hinz' Internetseite veröffentlicht wurde. Am Mittwochnachmittag kündigte die Politikerin an, ihr Mandat niederzulegen.

Die SPD-Politikerin sei "sehr bestürzt, nicht die Courage aufgebracht zu haben, für ihr Fehlverhalten geradezustehen", schrieben die Anwälte. "Sie bittet ihre Wegbegleiter, ihre Mitarbeiter, ihre Freunde und Familie, all die Menschen, die ihr vertraut haben, und auch die allgemeine Öffentlichkeit von ganzem Herzen um Entschuldigung."

"In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit", so die Anwälte in ihrem Schreiben.

Auf zweitem Bildungsweg gescheitert
In ihrem offiziellen Lebenslauf, der in der Nacht auf Mittwoch noch auf der Internetseite des Bundestags abrufbar war, hatte Hinz angegeben, 1984 maturiert zu haben. Von 1985 bis 1995 habe sie ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften absolviert, das sie mit beiden Staatsexamina abgeschlossen habe. Danach sei sie beruflich als Juristin unter anderem in einem Konzern für den Bereich Immobilien tätig gewesen.

Nach Angaben ihrer Anwälte hatte Hinz 1983 die Fachhochschulreife erworben. Mitte der 1990er-Jahre habe sie dann den Versuch unternommen, auf dem zweiten Bildungsweg die Matura nachzuholen "und so zumindest einen Teil ihrer biografischen Falschangaben zu heilen". Aufgrund ihrer "zeitlichen Beanspruchung als Mitglied im Rat der Stadt Essen und ihres ehrenamtlichen politischen Engagements" habe Hinz diesen Versuch jedoch bereits nach etwa einem Jahr wieder aufgeben müssen.

"Aufrichtigkeit und Integrität"
Die Anwälte stellten klar, "dass Frau Hinz zu keinem Zeitpunkt rechtsberatend tätig war". Ihre Angestelltentätigkeit in den Jahren 1999 bis 2003 sei - im Gegensatz zu dem Eindruck, den ihr offizieller Lebenslauf erweckt - "nicht juristischer Natur" gewesen. "Das politische Engagement von Frau Hinz war und ist von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt", behaupten die Anwälte in dem Schreiben.

Partei forderte Rücktritt
Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Lebenslauf-Fälschung waren am Mittwoch Forderungen nach einem Rücktritt laut geworden. "Sie muss jetzt alles Erforderliche tun, um weiteren Schaden von der Politik und ihren Kolleginnen und Kollegen, aber auch von sich selbst abzuwenden", erklärte Christine Lambrecht, Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion.

Auch der SPD-Unterbezirk Essen forderte die 54-Jährige auf, ihr Mandat "sofort niederzulegen". Mit ihren falschen Angaben habe sie Vertrauen verspielt und auch der SPD großen Schaden zugefügt, erklärte Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty als Vorsitzender der Essener SPD.

Hinz habe Bundestagspräsident Norbert Lammert bereits "um einen schnellstmöglichen persönlichen Termin gebeten", um ihm gegenüber ihren Verzicht auf das Mandat zu erklären. Das gaben ihre Anwälte bekannt.

Anzeigen bei Staatsanwaltschaft
Bei der Essener Staatsanwaltschaft sind indes zwei Anzeigen gegen Hinz eingegangen. Derzeit werde geprüft, "ob ein Anfangsverdacht wegen eines Täuschungsdeliktes gegeben ist", so die zuständige Oberstaatsanwältin Anette Milk. Hinz hat als Bundestagsabgeordnete allerdings Immunität. Von Seiten der Bundestagsverwaltung gebe es "keinen Ansatzpunkt für rechtliche Konsequenzen" wegen des gefälschten Lebenslaufes, teilte ein Sprecher mit.

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