Warum benannte der Mönch und Kartograph erstmals ein Gebiet als "America" und änderte in späteren Dokumenten die Namensgebung? Wie konnte er Südamerika derartig akkurat umreißen? Und warum zeichnete er - Jahre, bevor europäische Entdecker auf den Pazifik stießen - einen riesigen Ozean westlich von Amerika? "Das ist das Rätsel, die Frage, die uns hier beschäftigt", sagt John Hebert, Chef der Geografie- und Kartenabteilung der Library of Congress.
Die Karte war ein ehrgeiziges Projekt des Herzogs von Lothringen. Er betraute zu Beginn des 16. Jahrhunderts - nur wenige Jahre, nachdem Christoph Columbus die westliche Hemisphäre erreicht hatte - den deutschen Kartographen Waldseemüller und weitere Gelehrte mit der Erstellung einer neuen Weltkarte. In einem französischen Kloster entstand das Dokument, seine Zeichner bedienten sich der Überlieferung zufolge aus den 1.300 Jahre alten Werken des griechischen Geografen Claudius Ptolemäus und den Briefen des florentinischen Seefahrers Amerigo Vespucci.
"America" vs. "Terra Inkognita"
Tatsache ist, dass Waldseemüller erstmals den Namen "America" verwendete, angelehnt an den Vornahmen Vespuccis. In späteren Dokumenten bezeichnete der Kartograph das Gebiet jedoch als "Terra Inkognita" - unbekanntes Land. "Amerika ist aus seinem Wortschatz gestrichen", sagt Hebert. Auch die 1507 akkurat gezeichneten Umrisse des Kontinents sind in späteren Aufzeichnungen nur noch teilweise vorhanden, Waldseemüller zeichnete dann zudem eine Verbindung des Nordens mit Asien.
Die Wissenschaft rätselt auch darüber, wie Waldseemüller Südamerika auf der Karte von 1507 derart genau aufzeichnen konnte. Soweit bekannt ist, hätten die Europäer zur damaligen Zeit diese Informationen noch nicht haben können, sagt der Wissenschaftler. Dem Stand der heutigen Geschichtswissenschaft zufolge erreichte der spanische Entdecker Vasco Nunez de Balboa den Pazifik über Land erst 1513. Der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan umrundete die Südspitze weitere sieben Jahre später.
Die aus zwölf Teilen bestehende Karte wurde erst 1901 in den Archiven des Adelsgeschlechts Waldburg-Wolfegg in Süddeutschland entdeckt. Mehr als 100 Jahre später verkaufte Fürst Johannes Waldburg-Wolfegg das Dokument für zehn Millionen Dollar an die Library of Congress. Die US-Wissenschaftler hoffen, dass die Ausstellung der bisher selten gezeigten Karte Experten aus aller Welt zu weiteren Nachforschungen über ihre Entstehung animieren wird. Doch selbst wenn nicht alle Rätsel gelöst werden, ist sich Hebert ihrer Bedeutung für die Menschheit sicher: "Sie ist im Grunde der Beginn oder die erste Karte der Neuzeit - alles was danach kommt, basiert auf ihr."
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