Quo vadis, Vatikan?

Was man vom nächsten Papst erwarten kann

Ausland
12.02.2013 12:39
Nach acht Jahren begibt sich die katholische Kirche auf die Suche nach einem Nachfolger für Benedikt XVI. Die Anforderungen an den nächsten Papst sind gewaltig, laufen der Kirche doch seit Jahren - besonders in Europa - die Gläubigen davon. Noch immer lasten diverse Affären, allen voran zahllose Missbrauchsfälle, auf dem Katholizismus. Frauen fordern eine größere Rolle, dazu kommt der Streit um Verhütung, Abtreibung und Homosexualität. Was dürfen die Gläubigen und der Rest der Welt vom nächsten Papst erwarten?

Besonders in Europa, aber auch den USA, laufen dem Papst die Schäfchen davon, Benedikts Nachfolger wird einen Weg suchen müssen, den Wunsch dieser Katholiken nach Erneuerung und moderneren Ansichten mit den traditionellen Werten des Vatikans zu verbinden. Die Brennpunkte für den nächsten Papst sind dabei mannigfaltig:

Missbrauchsskandale
In Europa wie den USA kamen in den vergangenen Jahren zahllose grauenhafte Missbrauchsskandale ans Licht. Viele sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt, was ebenso für Unverständnis sorgt wie der Umgang des Vatikans und des Papstes mit dem Thema. Zahlreiche Priester wurden gedeckt oder lediglich versetzt, obwohl manche Vorwürfe seit Jahren bekannt waren. In Deutschland erntete die Kirche gerade erst Unverständnis, nachdem sie eine umfassende Untersuchung zum Thema abblies. Viele Anhänger der katholischen Kirche erwarten daher vom nächsten Papst eine schnellere Reaktion auf derartige Vorwürfe, das harte Durchgreifen gegen verdächtige Priester und die lückenlose Aufklärung der Missbrauchsskandale.

Abtreibung bei Vergewaltigung
2009 exkommunizierte die katholische Kirche in Brasilien die Mutter und Ärzte einer vergewaltigten Neunjährigen, weil sie eine Abtreibung erlaubt bzw. durchgeführt hatten. 2010 ernannte Benedikt XVI. dann Marc Ouellet zum Kardinalpräfekten der Bischofskongregation - der im selben Jahr gesagt hatte, Abtreibung sei auch im Fall einer Vergewaltigung ein "moralisches Verbrechen".

Das Dilemma kam für die Kirche diesen Jänner erneut auf, als der Fall eines deutschen Vergewaltigungsopfers für Aufregung sorgte: Zwei katholische Kliniken weigerten sich, die Frau zu untersuchen und Spuren zu sichern. Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner hat sich inzwischen entschuldigt und festgestellt, er halte die "Pille danach" in Ausnahmefällen für vertretbar. Der Papst wisse über diesen Standpunkt Bescheid, so Meisner - möglicherweise ein Ansatzpunkt für seinen Nachfolger und ein Anzeichen auf einen Meinungsumschwung in der katholischen Kirche.

Verhütung und Schutz vor HIV/Aids
Schon das Thema Verhütung stellt die katholische Kirche vor große Probleme. Dabei sorgte Benedikt XVI. vor fast drei Jahren für eine Überraschung: Er erklärte, in wenigen Fällen sei der Gebrauch eines Kondoms akzeptabel, etwa wenn Prostituierte damit eine HIV-Infektion vermeiden können. An das Thema Empfängnisverhütung und die Verwendung von Kondomen in heterosexuellen Beziehungen wagte sich der Papst aber nicht heran.

Und auch der Vatikan war später bemüht klarzustellen, dass der Papst die Lehren der Kirche nicht verändert habe, sondern nur auf eine Ausnahmesituation, in der Leben in Gefahr seien, aufmerksam gemacht habe. Im Jahr zuvor hatte Benedikt XVI. zudem noch erklärt, Kondome seien keine Antwort auf HIV und Aids in Afrika - und damit für wütende Reaktionen gesorgt. Dass der nächste Papst hier eine Trendumkehr wagt, ist dennoch unwahrscheinlich.

Frauen in der Kirche
2007 sagte Benedikt XVI., Frauen hätten schon in Jesus' Umfeld wichtige Aufgaben erfüllt und eine "aktive Rolle" gespielt. Doch die Fragen nach der Priesterweihe für Frauen ist damit naturgemäß nicht gelöst. Immer mehr "ungehorsame" Katholikinnen lehnen sich gegen die Doktrin auf, lediglich niedere Dienste in der Kirche verrichten zu dürfen, die österreichischen Gläubigen spielen hier eine führende Rolle. Diesem Wunsch erteilte der Papst im April 2012 aber eine weitere klare Absage - die Priesterweihe für Frauen sei ausgeschlossen und nicht verhandelbar. Dieser Doktrin wird der kommende Papst aller Voraussicht folgen.

Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ehe
Auch wenn die Kirche gegen Gewalt gegen Homosexuelle auftritt, besteht sie weiterhin darauf, dass Homosexualität nicht von Gott gewollt sei. Die gleichgeschlechtliche Ehe sei zudem ein Angriff "auf die Strukturen der Familie - bestehend aus Vater, Mutter und Kind", so Benedikt XVI. in seiner letzten Weihnachtsbotschaft. Dabei ist Homosexuellen in zahlreichen Ländern Europas bzw. Bundesstaaten der USA das Recht auf Eheschließung und Adoption bereits zugesprochen worden. Dass die Kirche etwa bei Demonstrationen gegen die Homo-Ehe in Frankreich weiterhin als Speerspitze des Protests auftritt, macht eine Abkehr von diesen Ansichten durch den nächsten Papst unwahrscheinlich.

Was darf man vom nächsten Papst erwarten?
Dass der nächste Papst all diese drängenden Fragen anders lösen wird als sein Vorgänger, darf also bezweifelt werden. Schließlich verliere die Kirche zwar viele Mitglieder aufgrund ihrer teils als rückständig angesehenen Vorstellungen, doch die neuen Mitglieder hätten kein Interesse an einem "Light-Katholizismus", so George Weigel, Vatikan-Experte von NBC News. Sie schätzten gerade die traditionellen Werte der katholischen Kirche.

Zudem würden alle ernsthaften Kandidaten für Benedikts Nachfolge gleich traditionelle Positionen vertreten, so Weigel. Rocco Palmo, der den katholischen Blog "Whispers in the Loggia" betreibt, stimmt zu: "Die Lehren der Kirche sind die Lehren der Kirche und es ist nicht das Vorrecht des Papstes, das zu ändern."

Entpuppt sich der nächste Papst als Revolutionär?
Schwester Chris Schenk von FutureChurch, einer progressiven Vereinigung, hofft dennoch auf einen Papst, der seinen eigenen Weg geht. So habe etwa Papst Johannes XXIII., der 1958 gewählt wurde, 1961 überraschend das Zweite Vatikanische Konzil ausgerufen. Darin wurden unter anderem die Abschaffung der lateinischen Messe für das Volk und der verstärkte Dialog mit Anders- und Nichtgläubigen festgelegt. Auch das Grundrecht der Religionsfreiheit wurde damit erstmals von der katholischen Kirche festgehalten - und dies alles trotz massiver Widerstände aus den eigenen Reihen.

Mitgliedersuche als Priorität für nächsten Papst
Palmo erwartet dennoch keine Änderungen bei den strittigen Punkten der Moderne. Schließlich habe die Kirche schon beim Zweiten Vatikanischen Konzil nicht ihre Lehren verändert, sondern lediglich die Vermittlung ebendieser. Genau an diesem Punkt sollte der nächste Papst denn auch ansetzen, merkt etwa John L. Allen Jr. in der "Washington Post" an, der mehrere Bücher über die katholische Kirche geschrieben hat. Der Katholizismus habe in den letzten Jahren viel Zeit mit internen Debatten verbracht und müsse sich nun wieder mehr darauf konzentrieren, das Evangelium zu verkünden und neue Mitglieder zu finden.

Pragmatiker statt Denker gesucht
Statt eines Denkers wie die letzten beiden Päpste könnte nun daher die Stunde eines Pragmatikers gekommen sein, stimmen mehrere Experten überein. Schließlich verlangt auch die Römische Kurie - die Leitungs- und Verwaltungsorgane der Kirche - nach einer großen administrativen Reform. Das sei nur mit einem starken Leiter mit großem Kommunikationstalent, der sich gegen Widerstände aus den eigenen Reihen durchsetzen könne, möglich.

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