"Teuerster Feind"

Osama bin Laden kostete die USA drei Billionen Dollar

Ausland
10.05.2011 09:24
Den Sowjets hat der "Wüstenkampf" in Afghanistan Ende der Achtzigerjahre endgültig das Genick gebrochen, mit dem Ende der beinahe 15-jährigen Jagd auf Osama bin Laden warnen amerikanische Wirtschaftsforscher nun auch vor ähnlichen Folgen für die USA. 9/11 lähmte das Land psychisch wie ökonomisch, die Endlos-Kriege in Afghanistan und dem Irak wurden auf Pump finanziert. Alles in allem seien drei Billionen Dollar (rund 2,1 Billionen Euro) wegen eines einzigen Mannes und aufgrund seiner gefällten Entscheidungen verpulvert worden.

Bin Laden sei der "teuerste Staatsfeind aller Zeiten", heißt es in einer Analyse zweier Budget- und Wirtschaftsexperten des renommierten Magazins "National Journal", die am Wochenende auf mehreren US-Websites veröffentlicht wurde. Die Schätzung von drei Billionen Dollar, rund ein Fünftel des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten, sei dabei noch "konservativ", behaupten Tim Fernholz und Jim Tankersley in ihrem Dossier. (Anmerkung: Da bei den US-Zahlennamen nach der Million nicht die Milliarde, sondern die Billion kommt, sind es im Originalartikel drei Trillionen.)

Krieg aus Sicht der Ökonomen
Teurer als die Jagd auf Bin Laden mit all ihren Folgen war nur das US-Engagement im Zweiten Weltkrieg, das von Historikern und Kongress mit 4,4 Billionen Dollar beziffert wird. Damals habe die Beteiligung am Weltkrieg - betrachtet aus der nüchternen und zahlenorientierten Perspektive der Wirtschaftsforschung - aber den wirtschaftlichen Aufschwung nach der "Great Depression" ermöglicht. Von den technischen Innovationen wie Flugzeugturbinen und Atom-Energie, die durch den Weltkrieg entscheidend vorangetrieben wurden, profitiere man noch heute. 738 Milliarden Dollar (rund 500 Milliarden Euro) habe der Vietnamkrieg gekostet, der allerdings keine positiven ökonomischen Nachwirkungen gebracht habe.

Der 280 Milliarden Dollar teure Sezessionskrieg am Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen der Nordstaatenunion und den konföderierten Südstaaten habe aus wirtschaftlicher Sicht immerhin das Ende der Sklaverei und damit die Integration der ehemaligen Sklaven in die Arbeitsgesellschaft eingeläutet. Allerdings stellen die Kosten fast das komplette damalige Bruttonationalprodukt dar. Das Rüstungs- und Technologie-Wetteifern während der fast fünf Jahrzehnte des Kalten Krieges wird mit 19 Billionen (sic!) Dollar beziffert. Allerdings sei dieses Geld nicht bloß "hinausgepulvert" worden, sondern habe das zivile Leben revolutioniert - als direkte Folge wird z.B. die Verbreitung des Internet genannt.

Lange Liste an Folgen der Bin-Laden-Jagd
In ihrer Analyse zählen die beiden Wirtschaftsjournalisten auf, was sich während der Jagd auf Osama bin Laden, der von den USA im Jahre 1998 erstmals auf die Liste der "Most Wanted" gesetzt wurde, alles zusammengetragen hat. Die Liste ist lang:

  • "Zwei Kriege, die dauerhaft je 150.000 Soldaten binden und ein Viertel des Verteidigungsbudgets auffressen."
  • "Ein aufgeblähter inländischer Sicherheitsapparat, der die zivilen Freiheiten und Aktivitäten einschränkt."
  • "Das teuerste Desaster in der Geschichte der Vereinigten Staaten, nämlich die Anschläge vom 11. September, mit Sachschäden von 25 Milliarden Dollar und wirtschaftlichen Real- und Aufschwungsverlusten von 150 Milliarden Dollar, Börsenverluste nicht eingerechnet."
  • "Ein um 50 Prozent gestiegenes Verteidigungsbudget für nicht-kriegerische (!) Aktivitäten seit dem Jahr 2001; für die Kriege in Afghanistan und im Irak wurden zum Höhepunkt 2008 4,8 Prozent des BIP aufgewendet."
  • "Die Vervielfachung der Ausgaben für die Sicherheit von Botschaften und Diplomaten von 172 Millionen Dollar auf 2,2 Milliarden in den letzten zehn Jahren."
  • "Steigende Ölpreise durch die Terror-Bedrohung."
  • "Ein 15-prozentiger Anteil Bin Ladens am Schuldenberg."

Die Rechnung, sofern es überhaupt eine gegeben habe, sei schlicht nicht aufgegangen, schreiben Fernholz und Tankersley, die die Irak-Invasion, die sich eigentlich gegen Saddam Hussein richtete, trotzdem auch auf Bin Ladens Konto schreiben. Erst die "Kultur der Angst", die sich nach dem 11. September in der amerikanischen Gesellschaft breitgemacht habe bzw. breitgemacht wurde, habe nämlich den Einmarsch der Bush-USA in den Irak ermöglicht.

Wenige Profiteure, keine Innovationen, keine Stabilität
Anders als frühere Kriege sollen die Konflikte in Afghanistan und im Irak keine positiven ökonomischen Nebeneffekte für die USA gebracht haben - und für die restliche Welt auch nicht. Mit Ausnahme einiger weniger Vertragspartner des Pentagons und der globalen Ölindustrie ("Diese Kriege kosten hauptsächlich Treibstoff") habe praktisch niemand sonst finanziell von den Feldzügen profitiert. Viel schlimmer sei, dass die hohen Ausgaben keine nennenswerten Innovationen für die Allgemeinheit nach sich zogen. Drohnen und Datenverarbeitungszentren seien die einzigen Errungenschaften gewesen, die die vom "National Journal" befragte Experten nennen konnten. Und Bürokratie: Mit der sich gegenseitig zugeworfenen Flut an Anti-Terror-Reports werden die mittlerweile 1.271 verschiedenen mit dem "War on Terror" beauftragten Behörden und Institutionen in den USA schon lange nicht mehr fertig. Der Großteil der jährlich 50.000 Berichte wird erst gar nicht gelesen.

Der ökonomische Schub sei auch deswegen ausgeblieben, weil der "War on Terror" nicht für mehr, sondern bisher eher für weniger Stabilität in der Welt gesorgt habe. "Stabile Länder mit funktionierenden Regierungen geben bessere Handelspartner ab", schreiben Fernholz und Tankersley trocken. Der immer wieder gebrachte Vorwurf, die USA würden in Länder einmarschieren, um sich deren Ressourcen zu bemächtigen, sei legitim, von einer Umsetzung dieser angeblichen Strategie sei aber nichts zu merken.

Wie es den US-Finanzen heute gehen würde, hätte man die beiden Kriege nicht begonnen, sei schwer zu beurteilen. Jedenfalls hätten die Vereinigten Staaten aber auf ihre "Friedensdividende" verzichtet, die man nach Ende des Kalten Kriegs abzustauben begann.

Den falschen Staatsfeind gejagt?
Das Fazit der Analyse: Mit drei Billionen Dollar hätten sich die USA weder Sicherheit noch Stabilität erkauft, sondern lediglich das Gefühl, gegen eine als existenzielle Gefahr eingestufte Bedrohung etwas getan zu haben. Immerhin: Seit 9/11 gab es keinen einzigen größeren Terroranschlag auf amerikanischem Boden. Den wirklichen Staatsfeind habe man währenddessen aber außer Acht gelassen, schreiben die Autoren, und zitieren dazu den US-amerikanischen Generalstabschef Mike Mullen: "Unser Schuldenberg ist die größte Bedrohung der nationalen Sicherheit."

Am Ende ihrer Analyse rechnen die Autoren ihren Lesern - das "National Journal" ist in Washington D.C. Pflichtlektüre - vor: Wenn die Regierung nicht an der Budgetschraube drehe, würden sich in den nächsten zehn Jahren neun Billionen Dollar an Schulden zusätzlich anhäufen ("Das sind drei Osamas"). Und am Ende würde Bin Laden posthum einen Sieg feiern: "Dann geschieht nämlich das, was er sich wünschte: der Bankrott der Vereinigten Staaten von Amerika."

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