Folgt Trichet nach

Mario Draghi führt ab sofort die Geschicke der EZB

Ausland
01.11.2011 08:33
Er ist der neue "Mr. Euro", den Spitznamen "Super-Mario" hat er schon vor seinem Amtsantritt verpasst bekommen: Seit Dienstag ist der Italiener Mario Draghi Europas oberster Währungshüter. Die Erwartungen an den neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank sind angesichts der Euro-Schuldenkrise und eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums hoch.

Noch vor einem Jahr sprachen ihm viele nur Außenseiterchancen für den Posten zu. Doch in diesem Jahr ist viel passiert, und nun bezieht der vormalige Außenseiter Draghi das Chefbüro der EZB. Sein größter Konkurrent, der Deutsche Axel Weber, hatte sich im Februar selbst aus dem Rennen genommen. Ernstzunehmende Gegenkandidaten gab es nicht - und so entschied sich im Mai die Euro-Gruppe und im Juni dann auch die Runde der Staats- und Regierungschefs der EU-Länder für den Gouverneur der italienischen Notenbank als Nachfolger von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.

Der zweifache Familienvater Draghi übernimmt die EZB-Führung in einer Zeit, die sein Vorgänger in der Vergangenheit mehrfach als "die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" bezeichnete. Das Amt gilt als Schlüsselposten in der Euro-Krise. Der 63-jährige Draghi genießt großes Ansehen wegen seiner Diskretion und Ernsthaftigkeit. Er ist kein römischer Lebemann, gilt aber als jemand, der seine Beziehungen zu pflegen weiß. Dies wird ihm auch in seiner Amtszeit als EZB-Chef nutzen, die bis 2019 läuft.

"Super-Mario" hat bereits Krisen-Erfahrung
Draghi hat Erfahrung mit Krisen. Der Römer kam 2005 zur Banca d'Italia, als diese von Skandalen erschüttert war. Unter seiner Leitung gewann die Bank international wieder an Format. Sein entschlossenes Handeln trug maßgeblich zur Stabilität des italienischen Bankensektors bei, der während der Finanzkrise allzu großen Problemen entging.

Seine Karriere verfolgte Draghi nicht nur in seiner Heimat. Er absolvierte ein Wirtschaftsstudium in Rom, anschließend promovierte er in den USA. Es folgten die Habilitation und die Arbeit als Professor an italienischen Universitäten. Draghi vertrat sein Land zwischen 1984 und 1990 bei der Weltbank, bevor er 1991 Generaldirektor im italienischen Finanzministerium wurde. Diesen Posten bekleidete er zehn Jahre lang. Bevor "Super-Mario" zur Banca d'Italia wechselte, war er Vizepräsident bei der US-Investmentbank Goldman Sachs.

Zwei Italiener in der Euro-Bank
Die Italiener nehmen seine Analysen sehr ernst. Seine regelmäßigen Appelle nach Reformen haben dennoch für ein angespanntes Verhältnis vor allem zu Wirtschaftsminister Giulio Tremonti gesorgt. Das hielt Rom dennoch nicht davon ab, ihn zum Kandidaten für den EZB-Chefposten zu machen. Auch wenn sich Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi sich damit ein neues EZB-Problem einhandelte: Landsmann Lorenzo Bini Smaghi denkt entgegen anderslautender Versprechen angeblich gar nicht mehr daran, seinen Posten im EZB-Direktorium aufzugeben. Damit sitzen seit Dienstag mit Smaghi und Draghi zwei Italiener in dem Führungsgremium der Notenbank, dafür aber kein Franzose mehr. Paris zeigt sich wenig erfreut.

Der Konflikt könnte bereits als erste Bewährungsprobe für das diplomatische Geschick Draghis dienen. Auf dieses hatte er sich schon in den Monaten vor seiner Nominierung als Trichet-Nachfolger verlassen und Lockangebote in Richtung Berlin geschickt. So lobte Draghi die deutsche Finanzpolitik und betonte mehrfach die Bedeutung der Preisstabilität.

Mit diesem Vorgehen versucht der Italiener, eines der letzten Hindernisse aus dem Weg zu räumen: seine Nationalität. Italien und Preisstabilität ist für einige immer noch ein Widerspruch. Draghi will sie eines Besseren belehren.

Haufenweise Fragen und Aufgaben für die EZB
Der 64-Jährige übernimmt von seinem Vorgänger Trichet ein ganzes Bündel schwieriger Fragen: Wird die EZB weiterhin Milliarden für Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten ausgeben? Welche Pfeile gegen die Krise hat die Notenbank noch im Köcher? Muss die EZB bald die Zinsen weiter erhöhen, um die galoppierende Inflation im Zaum zu halten - oder sie eher senken, damit die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt?

Zuletzt mehrten sich wieder Stimmen, die vor einem wachsenden Einfluss der Politik auf die EZB warnten. Doch einen grundsätzlichen Kurswechsel unter dem neuen Präsidenten erwarten Beobachter nicht. Schließlich kann auch "Super-Mario" nicht alleine entscheiden, sondern muss sich unter anderen mit den Vertretern der 17 Euro-Staaten im EZB-Rat einigen.

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