Gaza-Hilfsflotte

Medien: Türkische Aktivisten wollten “Märtyrer” werden

Ausland
02.06.2010 15:50
Neue Wendung im Fall der Hilfsflotten-Erstürmung vor der Küste des Gazastreifens: Mindestens drei der vier Türken, die bei der israelischen Kommandoaktion getötet wurden, wollten laut türkischen Presseberichten zu "Märtyrern" werden. Alle vier türkischen Todesopfer stammten aus islamistischen Kreisen, berichteten mehrere Zeitungen am Mittwoch. Drei der frommen Muslime sagten demnach vor der Abfahrt des Schiffskonvois zu Verwandten oder Freunden, sie wollten als "Märtyrer" sterben. Israel hat indes alle Aktivisten wieder freigelassen.

Den türkischen Zeitungsberichten zufolge war ein bei der Aktion getöteter türkischer Aktivist ein früherer Student der Al-Azhar-Universität in Kairo, eines Zentrums islamischer Bildung. Zwei weitere waren freiwillige Helfer der islamischen Hilfsorganisation IHH, die den Schiffskonvoi geleitet hatte, das vierte Opfer soll ein Anhänger der islamistischen Partei FP gewesen sein.

Türkei fordert offizielle Entschuldigung
Ungeachtet der neuen Enthüllungen hat das türkische Parlament Israel zu einer offiziellen Entschuldigung für die Kommandoaktion aufgefordert. Außerdem müsse Israel den Hinterbliebenen eine Entschädigung zahlen und die Verantwortlichen für den Einsatz vor Gericht stellen, hieß es in der am Mittwoch verabschiedeten Deklaration. Die türkische Regierung wird darin zu einer umfassenden Überprüfung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern auf allen Ebenen aufgefordert: "Die Türkei soll versuchen, durch nationale und internationale Rechtsinstitutionen Gerechtigkeit gegen Israel zu erwirken."

Unterdessen hat Ankara angesichts der heftigen Proteste nach dem israelischen Militäreinsatz ihre Sicherheitsvorkehrungen für die jüdische Minderheit im Land verstärkt. Der türkische Innenminister Besir Atalay erklärte am Mittwoch, die Maßnahme konzentriere sich vor allem auf Istanbul. In der Millionenstadt leben 23.000 Menschen jüdischen Glaubens. Die israelische Regierung rief die Familien ihrer Diplomaten auf, die Türkei zu verlassen.

Alle Gaza-Aktivisten wieder auf freiem Fuß
Indes hat Israel am Mittwoch nach eigenen Angaben alle ausländischen Aktivisten wieder freigelassen. 632 internationale Häftlinge seien aus der Haft entlassen worden und auf dem Heimweg. Es werde keine strafrechtliche Verfolgung der Menschen geben, die vorübergehend festgesetzt worden waren, sagte Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein. Man habe sich zur Abschiebung entschlossen, da Israel mehr Schaden als Nutzen entstünde, wenn man die Aktivisten im Land behalte. Ursprünglich war darüber nachgedacht worden, etwa 50 Personen juristisch zu verfolgen, die in die Übergriffe auf die israelische Soldaten verwickelt gewesen sein sollen.

Wenige Stunden vor der Ankündigung hatte die Türkei Israel eine Frist für die Freilassung der pro-palästinensischen Aktivisten gesetzt. Sollten die türkischen Aktivisten nicht bis Mittwochabend auf freien Fuß kommen, werde die Türkei die Beziehungen zu Israel überprüfen, erklärte Außenminister Ahmet Davutoglu in Ankara. Insgesamt waren rund 400 Türken an Bord der Hilfsflotte für den Gazastreifen.

Eine israelische Sprecherin der Gefängnisbehörde betonte, alle Häftlinge seien gut behandelt worden. Sie hätten Wasser und Lebensmittel sowie saubere Kleidung erhalten: "Sie wurden von Diplomaten, Rotkreuz- Mitarbeitern und Rechtsanwälten besucht." Einige hätten sich sogar für die gute Behandlung bedankt. Zuvor waren gegenteilige Berichte von Inhaftieren über eine schlechte Behandlung bekanntgeworden.

Israel begann unterdessen damit, die ersten Hilfsgüter der Solidaritätsflotte in den Gazastreifen zu bringen. Ein Armeesprecher sagte, dass zehn Lastwagen unter anderem Medikamente, Nahrungsmittel, Rollstühle und Kinderspielzeug zum Grenzübergang Kerem Shalom gebracht hätten.

Weiteres Hilfsgüter-Schiff mit Kurs in die Region
Ungeachtet der israelischen Militäraktion bleibt indes ein weiteres Schiff mit Hilfsgütern auf seinem Kurs in dieselbe Region. Irland hat an Israel appelliert, ein irisches Hilfsboot in das Palästinensergebiet zu lassen. Israel müsse eine sichere Fahrt des irischen Bootes gewährleisten, welches humanitäre Hilfe in den Gazastreifen bringen wolle, sagte der irische Außenminister Micheal Martin am Mittwoch. Es dürfe auf keinen Fall passieren, dass nochmals eine gewalttätige Konfrontation oder Blutvergießen wegen einer solchen rein humanitären Hilfsaktion entstünden.

Das Besatzungsmitglied der "MV Rachel Corrie", Derek Graham, kündigte an, er werde die israelischen Behörden informieren, wo genau sich die Passagiere an Bord befänden. Insgesamt halten sich 15 Aktivisten auf dem Schiff auf, unter ihnen die 66-jährige nordirische Friedensnobelpreisträgerin von 1976, Mairead Maguire. "Ich werde den Passagieren und der Besatzung raten, sich ruhig hinzusetzen und ihre Hände zu zeigen, damit sie es nicht wie am Montag machen können und behaupten, wir hätten sie angegriffen", sagte Graham. "Wir sind eine friedliche Mission."

Neun Tote bei der Erstürmung des türkischen Schiffes 
Bei der Erstürmung eines türkischen Schiffes, die den Konvoi von sechs Schiffen mit Hilfsgütern angeführte, wurden am Montag neun Menschen getötet und mehr als 680 festgenommen. Die Militäraktion stieß weltweit auf Empörung. Die israelischen Behörden hatten argumentiert, die Soldaten seien angegriffen worden und hätten sich verteidigt.

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