Minister dafür

Brexit: Kommt jetzt ein zweites Referendum?

Ausland
28.06.2016 06:54

Vier Tage nach dem EU-Austrittsvotum hat nun ein britischer Minister ein weiteres Referendum, diesmal zur Rücknahme des Brexit, ins Spiel gebracht. Eine zweite Volksabstimmung könnte stattfinden, wenn Großbritannien eine Übereinkunft mit der EU über die Kontrolle der Zuwanderung schließe, sagte Gesundheitsminister Jeremy Hunt am Montagabend. Die EU-Mitgliedsstaaten beraten am Dienstag bei einem Gipfel in Brüssel über die verworrene Lage.

Bevor London formell den EU-Austritt beantrage, "sollten wir einen Deal aushandeln und ihn dem britischen Volk vorlegen, entweder in einem Referendum oder in einer Neuwahl", sagte Hunt, der als Anwärter auf die Nachfolge von Premierminister David Cameron gehandelt wird.

Die unkontrollierte Zuwanderung aus den anderen EU-Staaten hat beim Referendum am Donnerstag maßgeblich zum Sieg des Austrittslagers beigetragen. Es gilt jedoch als fraglich, dass Brüssel auf einen Anti-Migrations-Deal einsteigen würde. Die Personenfreizügigkeit ist mit dem Binnenmarkt verknüpft und muss selbst vom Nicht-EU-Mitglied Schweiz akzeptiert werden.

Cameron: "Lassen uns nicht drängen"
Cameron wird seinen Noch-EU-Kollegen am Dienstag beim Gipfel in Brüssel vom Ausgang des Referendums berichten. Am Montag hatte er betont, dass sich Großbritannien nicht zum Austrittsgesuch drängen lasse. Unmittelbar nach dem Referendum hatten die EU-Spitzen gefordert, dass London umgehend einen Austritt nach Artikel 50 des EU-Vertrags beantrage. Mit dem Gesuch beginnt eine Frist von zwei Jahren, nach der Großbritannien dann nicht mehr EU-Mitglied wäre.

Juncker: "Wir bestimmen die Tagesordnung"
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bekräftigte am Montag die Forderung nach einer raschen Klärung der Lage. Diese Klärung müsse aber "nicht unmittelbar" erfolgen, räumte er London Zeit ein. Der Kommissionspräsident verwies gleichzeitig darauf, dass "wir mit Großbritannien eine neue Beziehung herbeiführen müssen". Allerdings "hängt das nicht von irgendwelchen Geheimverhandlungen mit britischen Unterhändlern ab, sondern auch von uns. Wir bestimmen die Tagesordnung, nicht die, die die EU verlassen", so Juncker.

Kern: "Kein Rosinenpicken für die Briten"
Österreichs Bundeskanzler Christian Kern sprach sich dafür aus, rasch Klarheit in Bezug auf die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu schaffen. Im EU-Hauptausschuss des Nationalrats räumte Kern aber am Montagabend ein, dass es juristisch kaum Handhaben gebe, die Briten zum Handeln zu zwingen.

Sonderlösungen für Großbritannien lehnte der Kanzler ab: Ein "Rosinenpicken" dürfe es nicht geben. Die EU müsse klar machen, dass es sich beim Austritt aus der Union um einen Schritt handelt, der Konsequenzen nach sich ziehe und kein Spiel sei. Mit Blick auf eine Expertise der Ratingagentur Moody's zum Brexit meinte Kern, dass "Österreich wahrscheinlich jenes Land ist, das am wenigsten davon betroffen sein wird".

Queen: "Jedenfalls bin ich noch am Leben!"
Eine, die wie immer die Fassung behält, ist Queen Elizabeth II. "Jedenfalls bin ich noch am Leben, ha!", erwiderte die britische Königin am Montag bei einem Besuch in Nordirland auf die Frage, ob es ihr gut gehe. Die Antwort der 90-Jährigen hörte sich an wie ein Stoßseufzer, allerdings war unklar, ob Elizabeth dabei lediglich ihre Gesundheit oder auch den Zustand ihres Landes nach dem Referendum im Sinn hatte. Offiziell hat sich die Königin bisher nicht zu dem Brexit-Votum geäußert. Aus der Tagespolitik hält sich Elizabeth II. heraus, sie ist in Großbritannien nicht Aufgabe des Monarchen.

"Briten zielten auf EU und trafen Großbritannien"
In drastische Worte hingegen fasste der Politologe Anton Pelinka die Folgen des Brexit: "Die Briten haben auf die EU gezielt und das Vereinigte Königreich getroffen. Zwei Büchsen der Pandora wurden geöffnet", eine gegen die Einheit der EU, die andere gegen die Einheit Großbritanniens. Beides sei als "gefährlich" einzustufen, erklärte der Politikwissenschaftler am Montagabend in einer Podiumsdiskussion des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche.

Als herausragende Faktoren des Referendums über den EU-Austritt Großbritanniens hob Pelinka die Diskrepanz zwischen den Generationen sowie das Faktum der Bildung hervor: Je besser gebildet die Menschen seien, desto mehr würden sie ihre Zukunft in der EU sehen. Dieses Bild biete sich auch in anderen EU-Staaten, einschließlich Österreich, so Pelinka.

Unter dem Hinweis auf die "Remain"-Haltung der Schotten und Nordiren hielt er zudem fest, dass das Ergebnis des Referendums "eine englische Entscheidung" war. Hier gehe es auch um "englischen Nationalismus" und darüber hinaus um "das verlorene Empire". Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg vermerkte Pelinka, dass die Briten - anders als die Franzosen - nie eine Niederlage gegen Nazi-Deutschland hinnehmen mussten. Pelinka sprach von "einer anti-deutschen Xenophobie, die auch in den britischen Medien weiterlebt".

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