1 Billion $ Schaden

50 Jahre US-Embargo gegen Kuba: “Völkermord”

Ausland
25.10.2011 10:43
Über 50 Jahre ist es her, dass die USA ein Embargo gegen das kommunistische Kuba verhängten. Der "Bloqueo" existiert immer noch, mit schweren ökonomischen und sozialen Folgen für die Karibik-Insel. Am Dienstag stimmt die UNO-Generalversammlung wieder einmal über das Embargo ab. Die Weltgemeinschaft tritt fast geschlossen für dessen Aufhebung ein - im Vorjahr wurden die USA bei ihrem Nein nur mehr von Israel unterstützt. Kubas Botschafter in Österreich, Juan Carlos Marsan Aguilera, spricht von einer "kriminellen Politik", die einer Supermacht unwürdig sei.

Für die Abstimmung hat Kuba einen 50-seitigen Bericht vorbereitet, der den durch das US-Embargo, das am 7. Februar 1962 verhängt wurde, verursachten Schaden auf fast eine Billion Dollar beziffert. Diese "moralisch unhaltbare Blockade" widerspreche dem Völkerrecht und der UNO-Charta und stelle das Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung des Inselstaates dar. Auch habe es den von Washington verfolgten Zweck verfehlt, die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht Kubas zu brechen, heißt es in dem Text.

"Das ist ein Akt des Völkermordes"
"Das Ziel des Bloqueo bestand darin, Kuba ins Elend zu treiben, damit sich das Volk gegen seine Regierung wendet", erklärt Botschafter Marsan im APA-Gespräch. "Das ist ein Akt des Völkermordes. Das Embargo beeinflusst das Leben der Kubaner von der Wiege bis zur Bahre", so der Botschafter. In valorisierten Zahlen sei Kuba durch die Blockade bisher ein Schaden von 975 Milliarden Dollar erwachsen. Die Vereinigten Staaten hätten im Lauf der Jahre ihre anti-kubanischen Maßnahmen weiter verschärft.

Der US-Präsident selbst habe laut Marsan "viele Möglichkeiten, die Blockade zu erleichtern", etwa bezüglich Medikamenten oder Reisefreiheit. Doch auch unter Barack Obama habe sich die Situation nicht verbessert. Marsan sieht dies vor dem Hintergrund der Abhängigkeit des US-Präsidenten von Midterm-Elections, also den Zwischenwahlen, aber vor allem von der einflussreichen anti-kubanischen Lobby im Kongress und den Exil-Kubanern in Florida. In der rund eine Million Menschen umfassenden kubanischen Community würden 60 Prozent für eine Normalisierung eintreten, doch hätten extreme Gruppen dort das Sagen, die für die Beibehaltung des Status quo eintreten, so der Diplomat.

Auswirkungen auf alle Lebensbereiche
Laut Marsan wirke sich die Blockade auf alle Lebensbereiche aus - Wirtschaft, Technologie, Gesundheit, Bildung, Kultur, Sport. Der Botschafter nennt Beispiele: Im Kampf gegen Krebs und Herzkrankheiten etwa könne Kuba gewisse Geräte nicht kaufen, Kinder und alte Menschen hätten zu lebensrettenden Medikamenten aus den USA keinen Zugang. Kultur- und Sportaustausch, die Teilnahme an Tourneen und Wettkämpfen seien eingeschränkt.

Kuba könne auch über Drittstaaten keinen Handel mit den USA betreiben, es erhalte keine Kredite vom Internationalen Währungsfonds und der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Bankabwicklungen dürften nicht in US-Dollars erfolgen. In der Pharmaindustrie und in der Informatik, wo die USA am Weltmarkt führend sind, wirke sich das Embargo laut Marsan drastisch aus. Technologisch sei Kuba von Vielem abgeschottet: So könne es etwa seine Luftflotte russischer Maschinen nicht umstellen, auch der Kauf des europäischen Airbus ist nicht möglich, weil dieser zehn Prozent US-Komponenten beinhalte.

Im täglichen Leben wären ohne US-Blockade viele Lebensmittel billiger, "wenn wir etwa Milch aus den südlichen US-Bundesstaaten kaufen könnten". Milchimporte aus dem fernen China verursachten um 40 Prozent höhere Kosten, rechnet der Botschafter vor. Dass sich die Sanktionen auf Drittländer beziehen, sei besonders verwerflich. So werden Firmen an Geschäften und Hotelketten an Investitionen gehindert. Ein Schiff, das in einem kubanischen Hafen anlegt, darf sechs Monate lang keinen US-Hafen anlaufen.

Ein Fall aus jüngerer Zeit, wo die USA laut Kuba Druck auf einen Drittstaat ausübten, betrifft die spanische Öl-Firma Repsol. Im Kuba-Bericht an die UNO heißt es, im Bestreben, die Präsenz ausländischer Unternehmen bei der Ölsuche in kubanischen Wirtschaftszonen zu behindern, seien US-Vertreter in Madrid vorstellig geworden. Die Causa sei noch offen, meint dazu der Botschafter. Mit Österreich gab es 2009 einen Fall, als Kuba von einer Linzer Firma eine Stranggussmaschine kaufen wollte - mit dem Hinweis, die Muttergesellschaft Siemens AG notiere auf der New Yorker Börse, wurde das Geschäft abgeblasen.

"Bei Kuba gibt es eine doppelte Moral"
Zur Position der EU meint Botschafter Marsan, die Staaten der Union lehnten die Blockadepolitik ab, doch verknüpften sie das Thema mit dem Menschenrechtsdiskurs. "Bei der Behandlung Kubas gibt es eine doppelte Moral." Denn der Westen unterhalte gute Wirtschaftsbeziehungen mit autoritären Regimen, verwies er auf das aktuelle Beispiel Libyen.

Bereits 20. Anlauf zu Embargo-Aufhebung
Kuba wird nun - zum 20. Mal - einen Anlauf zur "bedingungslosen Aufhebung" der Blockade nehmen, unterstützt von lateinamerikanischen Staaten. Im Vorjahr forderte die UNO-Vollversammlung von den USA das Ende des unzeitgemäßen Handelsboykotts. Umsonst - bei drei Enthaltungen stimmten die USA, sekundiert von Israel, gegen die Resolution.

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