Sonderregeln etc.

GB pfeift immer mehr auf die EU – Brüssel genervt

Ausland
24.10.2012 17:00
Euro, Schengen-Reisefreiheit oder EU-Finanzierung: Es gibt schon lange Bereiche in der Europäischen Union, bei denen Großbritannien nicht mitmacht oder Sonderregeln für sich ausgehandelt hat. In der Euro-Krise driftete die Insel dann erneut ein Stück weiter von der Kern-EU weg. Und nun plant London auch noch, aus der Zusammenarbeit bei Justiz und Innenpolitik auszusteigen. Inzwischen gehen die Briten Brüssel gehörig auf die Nerven.

Die britische Innenministerin Theresa May kündigte vor eineinhalb Wochen im Parlament an, dass sich ihre Regierung im Jahr 2014 aus der gesamten Gesetzgebung zu den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht verabschieden will, die vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags im Jahr 2009 verabschiedet wurde. Das betrifft nach ihren Angaben rund 130 Gesetze, darunter so wichtige Regelungen wie den Europäischen Haftbefehl und das Schengen-Informationssystem. Das Recht auf einen solchen Ausstieg hatte sich London - wieder einmal - durch eine Sonderregelung gesichert.

"Die Praxis zeigt, dass manche der vor Lissabon beschlossenen Maßnahmen sinnvoll sind, andere weniger und manche faktisch nicht bestehend", sagte May. In einem Brief an ihre EU-Kollegen schrieb sie, dass die britische Regierung "versuchen wird, sich an einigen dieser Rechtsakte, die im nationalen Interesse sind, später wieder zu beteiligen". Was so viel heißt wie: Erst einmal will die Londoner Regierung die betreffenden Gesetze komplett aufkündigen, dann für die als wichtig und interessant erachteten Regelungen erneut eine Beteiligung verhandeln.

"Die Briten picken sich überall die Rosinen heraus"
"Wir wünschen uns, dass die Briten bei der Zusammenarbeit mit an Bord bleiben - nicht aber um jeden Preis", sagte dazu der Vizechef der konservativen Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, am Mittwoch. Gerade im Kampf gegen Terrorismus und Organisierte Kriminalität sei mehr Kooperation besser. Weber verärgern vor allem die Pläne Londons, für sich eine europäische Justiz- und Innenpolitik à la carte zu beanspruchen: "Was nicht geht, ist, sich überall die Rosinen herauszupicken, selbst aber kaum einen Beitrag zu leisten."

"Stellen sich an Spielfeldrand und pöbeln nur rein"
"Das kommt hier immer schlechter an", meinte auch der innen- und justizpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Jan Philipp Albrecht. Er forderte von Großbritannien, sich entweder für eine gemeinsame Innen- und Justizpolitik zu entscheiden oder dagegen - dann müssten die Briten aber auch den Verhandlungstisch verlassen. Denn derzeit könne London die entsprechenden Gesetze mitverhandeln und beeinflussen, sich letztendlich aber dann doch nicht an deren Umsetzung beteiligen. "Stattdessen stellen sie sich an den Spielfeldrand und pöbeln nur rein", kritisierte Albrecht.

Die EU war auf der britischen Insel noch nie ein Verkaufsschlager. Doch derzeit kühlen die Beziehungen immer weiter ab. Während sich die EU-Länder darum bemühen, Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen, sieht Großbritannien die Gemeinschaft inzwischen offenbar mehr und mehr als Binnenmarkt - und immer weniger als politisches Projekt. Beim Fiskalpakt macht London nicht mit, geht es um die Zügelung der Finanzmärkte, sorgen sich die Briten vorrangig um den Finanzplatz London. Inzwischen wird in Großbritannien sogar über eine Volksabstimmung über den Verbleib des Landes in der EU diskutiert.

"Großbritannien muss sein Verhältnis zur EU ordnen"
Zum großen Krach könnte es kommen, wenn Großbritannien in einem Monat den Sondergipfel zur EU-Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 platzen lässt. Regierungschef David Cameron drohte bereits mit einem Veto, falls die Ausgaben steigen sollten. EU-Diplomaten sehen London deshalb in den Verhandlungen vollkommen isoliert. Angesichts der vielen Unstimmigkeiten fordert Weber: "Großbritannien muss sein Verhältnis zur EU ordnen."

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