Blonder Soul

Duffy: “Rockferry”

Musik
20.03.2008 22:33
Wer in den letzten Tagen durch London spaziert ist, entkam unmöglich ihrem sehnsüchtigen Blick, den sie auf dem Cover ihrer Hitsingle "Mercy" aufs weite Meer richtet. Seit sie mit dem souligen Song auf Anhieb Platz eins der britischen Charts erklomm, ist die 23-jährige Aimee Duffy auf Postern, Citylights und Magazincovern allgegenwärtig im Stadtbild der britischen Hauptstadt. Dem Erfolg von "Mercy" wird jetzt auch das Album "Rockferry" gerecht, das seit zwei Wochen an der Chartspitze residiert. Am 28. März setzt sie damit nun auch auf Kontinentaleuropa über - und die Platte hat einige Überraschungen zu bieten.
(Bild: kmm)

Mit "The New Amys" subsumierte ein Artikel in der Times Duffy und ihre ebenso erfolgreiche Genre-Kollegin Adele (siehe Infobox), die nach dem Absturz Amy Winehouses und der damit einhergehenden Zwangspause der Soul-Diva die groovesüchtigen Ohren im Vereinigten Köndigreich mit den entsprechenden Frequenzen versorgen. Das war mitten im Hype um "Mercy".

Aber so leicht lässt sich die 23-jährige Waliserin, die sich als kleines Kind weigerte, Englisch zu lernen und ihre erste EP in der wie eine Mischung aus Tschechisch und Holländisch klingenden walisischen Sprache aufnahm (Hörprobe siehe Infobox), nicht einordnen. Während "Mercy" nämlich noch kräftig in den Fahrwassern Amy Winehouses Schwung nahm, hat "Rockferry" eigenständigen und ganz anderen Charakter. Hier knöpft sich der blonde Shootingstar, der zuhause in Wales noch eine Zwillingsschwester hat, den Sound von 60er/70er-Jahre-Popsongs à la Dusty Springfield vor.

Hauchdünne bis pompöse Streicher, flache Drumsounds, jazzige bis poppige Gitarren und die konstant am Peak ausschlagenden, auf Bandmaschine und Kofferradio getrimmten Vocals von Duffy prägen das Balladen-lastige Album - aber nicht dieser quäkende Retro-Sound, dreimal durch den Kartoffelsack gejagt.

Soul hat Duffy, die nach der Scheidung ihrer Eltern mit 10 zum Enfant terrible wurde, mit 11 aus dem Schulchor flog und es nach abgebrochener Schule und missglückter Castingshow-Teilnahme auch im Ausland versuchte (und scheiterte), nicht nur in der Stimme, sondern auch in den Lyrics, die allsamt aus der Feder der sich abwechselnd nach einem zärtlichen Softie und einem Scheusal sehnenden 23-Jährigen stammen. Auf "Syrup & Honey" etwa fleht sie zweideutig "Baby, baby, baby, spend your time on me" und ihr "Yeah, Yeah, Yeah" auf "Mercy" sticht schon fast Lennon/McCartneys Kultrefrain von "She loves you" aus.

Dass hochdramatisch arrangierte Songs wie "Distant Dramer", der mitreißende, gospelige Motown-Track "Hanging On Too Long" oder das auf einer kitschigen Streichermelodie fußende, aber dennoch großartige "Delayed Devotion" auf ein und derselben Platte mit dem Tanzschuppen-Track "Mercy" zu finden sind, ist kaum zu glauben. Was sie eint, ist letztlich nur die kernige Stimme der Interpretin.

Mit ihrer nächsten Single, der zärtlichen Herzschmerz-Ballade "Warwick Avenue", wird Duffy dann genau einen dieser Songs rausbringen. Mal sehen, wie man auf ihr "wahres Gesicht" reagiert. Dasselbe Echo wie beim trendigen "Mercy" hätte sie sich für das Wiederauflebenlassen des Orchesters in Popsongs und ihre geniale Neuinterpretation des "White Soul" allemal verdient.

8,5 von 10Gnadengesuchen


Von Christoph Andert

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