Katias Kolumne

Grüne Rache und der Fall (von) Peter Pilz

Österreich
08.11.2017 16:59

Trotz der innenpolitisch hochspannenden Phase der Koalitionsgespräche hat es in den vergangenen Tagen ein Thema geschafft, dass selbst Kurz, Strache und deren Verhandlungsteams medial in die zweite Reihe treten mussten. Mehrere Vorwürfe der sexuellen Belästigung belasten Peter Pilz, den Parteichef der gleichnamigen Liste. Einerseits soll er laut der Wochenzeitung "Falter" vor rund vier Jahren auf einer Veranstaltung in Alpbach einer Frau körperlich zudringlich geworden sein, andererseits habe er seine ehemalige Assistentin bei den Grünen in mindestens 40 Fällen sexuell und mit derben Sprüchen belästigt. Soweit die Vorwürfe.

Zwar erklärte Pilz noch am vergangenen Samstag aufgrund dieser Vorwürfe hastig die Nichtannahme seines Nationalratsmandats, gab sich dann aber doch kämpferisch: In einem Interview mit Ö1 stellte er klar, dass er in seinem "ganzen Leben nie eine Frau belästigt" habe und er sich "nicht der geringsten Schuld bewusst" sei. Entschlossen kündigte er an: "Ich ziehe mich nicht zurück." Den Rückzug vom Rückzug des Rückzugs verlautbarte er nur knappe fünf Stunden später. "Ich werde mich am Donnerstag nicht angeloben lassen", heißt es seither.

Schuldig oder nicht schuldig - das ist hier die Frage. Für einige Social-Media-Diskutanten ist das Urteil bereits gefällt. Was tatsächlich an besagtem Abend im idyllischen Alpbach und während seiner Zeit bei den Grünen passiert ist, wäre idealerweise Sache unabhängiger Gerichte. Weder der selbst ernannte Chef-Aufdecker der Nation, der nun eine politische Verschwörung wittert, noch die rein aufgrund von Jahre zurückliegenden Erzählungen ermittelnde Social-Media-Meute scheinen in dieser Sache seriöse Richter zu sein.

Innenpolitische Telenovela
Was aber heute in dieser innenpolitischen Telenovela bereits gewiss ist, ist die diskussionswürdige Rolle der Grünen. So wurde nämlich ein mutmaßlicher Täter offenbar in den eigenen Parteireihen trotz der schweren Vorwürfe jahrelang geduldet. Mehr noch - man wollte Pilz, als dieser aufgrund des Nichterreichens seiner Wunsch-Platzierung auf der Bundesliste den Grünen den Rücken kehrte, zu einem Vorzugsstimmenwahlkampf motivieren und in der Partei, die sich gerade Frauenrechte auf die Fahnen heftet, halten.

Warum gerade jetzt?
Urplötzlich melden sich nun zahlreiche grüne Ex-Kolleginnen anonym zu Wort, die meinen, ähnlich unangenehme Erfahrungen mit Peter Pilz gemacht zu haben. Trotz dieser Vielzahl an offensichtlich intern bekannten Vorwürfen und den angeblich zahlreichen innerparteilichen Belästigungsopfern ist es erstaunlich, dass gerade eine Partei, die hohe moralische Ansprüche an sich und an andere stellt, einen scheinbaren Ungustl weder rausschmeißt noch zumindest suspendiert, sondern jahrelang den Mantel des Schweigens ausbreitetet, um plötzlich nach der Wahl dann doch auszupacken. Warum gerade jetzt?

Es wird aber auch Peter Pilz nicht erspart bleiben, als Chefankläger der Nation seine moralische Integrität nachzuweisen. Die 223.543 Wähler, die ihm und seiner Liste Pilz bei der gerade geschlagenen Nationalratswahl das Vertrauen geschenkt haben, haben sich bestimmt etwas anderes erwartet, als dass der Listenanführer nun doch nicht ins Parlament einzieht und die Liste Pilz als linkes Team Stronach ihr parlamentarisches Dasein fristet. Die im Raum stehenden Vorwürfe sind zumindest a prima vista schwerwiegend, zumal gerade Politikern im Generellen und Peter Pilz als Tugendbolzen, der anderen nur zu gerne und notwendigerweise auf die Finger klopft, im Speziellen eine besondere Vorbildfunktion zukommt.

Am Dienstagabend entschuldigte sich Peter Pilz via Facebook bei den Frauen, die er durch sein Verhalten gekränkt hat. Angesprochen auf die zahlreichen neuen Vorwürfe der sexuellen Belästigung während seiner Zeit bei den Grünen sagt er: "Ich bin schon weg." Und wie in der Politik ein "Ich bin schon weg" zu werten ist, wissen wir spätestens seit Jörg Haider. Bleibt abzuwarten, wann das "Bin schon wieder da" folgt.

Katia Wagner

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