Martin Auer

“Die Tankstelle ist sowieso der bessere Bäcker”

Steiermark
03.06.2017 19:33

Vor sechs Jahren hat Martin Auer, eigentlich Martin Auer VI., das gleichnamige Familienunternehmen von seinem Vater übernommen. Wir haben mit Auer - dessen ältester Sohn übrigens entgegen der Familientradition nicht Martin, sondern Tim heißt - über sonntägliche Rituale gesprochen, über den Wirbel, den es gab, als er als Erster ein bargeldloses Geschäft eröffnete, und darüber, wie er die Bäckerei-Branche auf den Kopf gestellt hat.

"Krone": Wie sieht ein Sonntag bei der Familie Auer aus? Gibt es da gewisse Rituale?
Martin Auer: Ich bin ein On- und Off-Mensch - sehr fokussiert bei der Arbeit und am Wochenende sehr locker und entspannt und ohne Terminplan. Da gibt es nur die Familie und Privates - in unserem Geschäft, das ja eine Sieben-Tage-Woche hat, ist das ein Luxus. Das, was es bei uns immer gibt, ist das gemeinsame Frühstück.

"Krone": Was kommt da auf den Tisch?
Auer: Aufstriche, Müsli. Was ich wirklich gerne habe, ist Getoastetes: Briochestriezel, Semmel, Brot. Und seit einiger Zeit mein absoluter Favorit ist unser Franciscus-Brot. Danach bin ich ein bissl verrückt. Aber das hat wohl auch damit zu tun, dass ich viel Herzblut in die Entwicklung dieses Brots gesteckt habe.

"Krone": Vor fünf Wochen haben Sie das erste bargeldlose Geschäft in Österreich eröffnet. Haben Sie damit gerechnet, dass das für so großes Aufsehen sorgen wird?
Auer: (Überlegt kurz) Nein. Für uns war das eine pragmatische Entscheidung. Es gibt so viele kleine Vorteile, die damit verbunden sind. Und: Wir haben das ja nicht in allen Geschäften gemacht, sondern in einer neuen Filiale an einem Standort (beim Uni-Kreisverkehr, Anm.), von dem wir glauben, dass er dafür geeignet ist. Wir haben eine Woche genau mitgeschrieben: Ein bisserl mehr als ein Prozent unserer Kunden hat gesagt, sie finden das nicht gut - aus welchen Gründen auch immer. Nach der ganzen Aufregung hatten wir mehr erwartet…

"Krone": Im Internet gab es ja einen regelrechten Shitstorm.
Auer: Da waren wir völlig vor den Kopf gestoßen. Mit so einer Boshaftigkeit habe ich nicht gerechnet. Wir würden Diktatur fördern, hieß es da. Wir würden den gläsernen Menschen wollen. Wir seien für die Abschaffung des Bargelds. Um das klarzustellen: Ich will nicht das Bargeld abschaffen. Das ist gar nicht mein Metier. Ich bin Bäcker.

"Krone": War das eine einmalige Geschichte oder werden weitere Filialen folgen, in denen man nur mit Karte bezahlen kann?
Auer: Wir haben keinen Drang, das jetzt auszudehnen. Wir werden sehen, irgendwann einmal vielleicht… Geplant ist nichts!

"Krone": Alle Bäcker jammern. Sie hingegen haben in den letzten Jahren laufend neue Filialen aufgesperrt. Viele Leute in Graz fragen sich, wie Sie das machen.
Auer: Als ich das Unternehmen vor sechs Jahren übernommen habe, hatten wir 36 Filialen, heute sind es 29.

"Krone": Jetzt bin ich baff! Ich hatte den Eindruck, dass es mehr geworden sind, viel mehr.
Auer: Nein, viel weniger. Wir haben aber um 80 Prozent mehr Kunden als vor fünf Jahren.

"Krone": Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Auer: Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, was wir wirklich verkaufen.

"Krone": Und sind zu dem Schluss gekommen…?
Auer: Dass es um viel, viel mehr geht als um Brot und Gebäck. Die Wahrheit ist: Man braucht den Bäcker heutzutage nicht mehr! Warum soll ich zum Bäcker gehen, wenn ich beim Supermarkt auch Brot bekomme? Ich glaube, dass die Tankstelle sowieso der bessere Bäcker ist - weil dort kann man auch tanken.

"Krone": Aber Sie haben jetzt nicht vor, Zapfsäulen vor Ihren Filialen aufzustellen?
Auer: Nein, natürlich nicht! Was ich damit sagen will: Wenn wir uns nur als Kalorienlieferant sehen, dann werden wir das gleiche Schicksal erfahren, das in den letzten 25 Jahren 3000 Bäcker erfahren haben in Österreich - wir werden absalutieren! Man muss einen ,Begeisterungsnutzen’ stiften. Wir haben versucht, um es mit einem unserer Werbeslogans auszudrücken, dem Brot die Seele zurückzugeben.

Ernst Grabenwarter, Kronen Zeitung

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