"Krone"-Interview

Uriah Heep: “Es gibt nicht nur Rock ‘n’ Roll”

Musik
16.11.2014 17:00
Gitarrist Mick Box ist 67 Jahre alt - vor 45 Jahren rief er mit Uriah Heep eine der legendärsten Hard-Rock-Gruppen der Musikgeschichte ins Leben und hält die Fahnen der Band als letztes verbliebenes Gründungsmitglied unaufhaltsam hoch. Nach einem starken Auftritt am Grazer Seerock-Festival kommen die Briten in wenigen Tagen in die Wiener Szene. Wir haben uns im Vorfeld mit Mick unterhalten - unter anderem darüber, warum die Band noch heute kein Make-up benötigt, wie die Rock-Welt vor dem Internet-Zeitalter aussah und warum Auszeichnungen bei ihm zu Hause verstauben.
(Bild: kmm)

"Krone": Mick, ihr befindet euch mittlerweile allesamt in den stolzen 60ern und spielt nach wie vor mindestens 100 Shows pro Jahr. Wird das auf Dauer nicht zu anstrengend?
Mick Box: Aber nicht doch. Wenn du etwas machst, das dir gefällt, wenn du eine richtige Passion verspürst, dann ist das alles kein Problem. Natürlich macht der Körper nicht mehr ganz so mit wie früher und die Schmerzen häufen sich, aber den Preis musst du zahlen. Wir lieben es zu touren und können daher auch darüber hinwegsehen.

"Krone": Doch gerade das ewige Reisen und Warten muss doch mühsam sein?
Box: Natürlich kann das einmal nerven, aber Profimusiker zu sein ist nicht unbedingt der schlechteste Job der Welt. (lacht)

"Krone": Im Sommer habt ihr mit "Outsider" euer 24. Studioalbum veröffentlicht. Seitdem ihr 2008 nach längerer Abwesenheit wieder ins Musikgeschäft zurückgekehrt seid, bekommt ihr von Fans und Medien gleichermaßen gutes Feedback. Was ist der Grund dafür?
Box: Ich denke, wir sind einfach erwachsen geworden. (lacht) Die Alben seit unserem Comeback sind auch alle wirklich gut produziert und wir haben unsere Spielfreude wiedergefunden. Ich denke auch, dass der Respekt gegenüber Uriah Heep im Vergleich zu früher im Allgemeinen gestiegen ist.

"Krone": Fällt es euch nach so vielen Jahren noch leicht, Ideen für Songs zu finden?
Box: Also für "Outsider" haben wir elf Songs in zehn Tagen verfasst. Ich habe den anderen Jungs einfach ein paar Riffs vorgespielt und sie waren fast mit allem zufrieden. Morgens habe ich dann versucht, die Riffs auszufeilen. Dann gingen wir essen und nachmittags haben wir das Gerüst um den Song herumgebaut. Das hat so gut funktioniert, dass wir wirklich nur mehr den Aufnahmeknopf im Studio drücken mussten, und schon waren wir fertig.

"Krone": Braucht ihr auch eine gewisse Art von Druck, um Songs zu schreiben?
Box: Manchmal tut das gut, aber meistens wünschten wir uns schon, wir hätten mehr Zeit zur Verfügung. Das Leben ist aber leider kein Wunschkonzert, das dir unendliche Möglichkeiten bietet.

"Krone": Die Texte hattet ihr auch so schnell beisammen?
Box: Die Texte begannen bei null. Keyboarder Phil Lanzon und ich können auf einen Katalog an Ideen zurückgreifen. Da sind nicht nur Melodieläufe oder Riffs, sondern auch so manche Textideen enthalten. Im Prinzip mussten wir am Ende nur mehr alles zusammenfassen.

"Krone": Dreht sich das Album um eine bestimmte Thematik?
Box: Nein, es gibt kein Konzept dafür. Den Außenseiter kannst du völlig offen interpretieren. Der vielleicht etwas einfache Grund war, dass ein Song auf dem Album so hieß und wir einen Ein-Wort-Titel wollten. Das ist das ganze Geheimnis. "Outsider" ist sehr Rock 'n' Roll und stark in der Aussprache, du assoziierst damit auch gerne mal einen bösen Buben. Ich finde es aber immer nett, dass sich so viele Leute den Kopf über Hintergründe zerbrechen und man selbst einfach nur einen knalligen Titel haben möchte. (lacht)

"Krone": Hattet ihr als Band in eurer Karriere auch Phasen, wo ihr euch wie Außenseiter gefühlt habt?
Box: Nicht wirklich, wir sind ja damals genau in diese ganze Rockschiene reingesprungen und lagen daher voll im Trend. Allein mit deiner Frage haben wir das Ziel schon erreicht – es wird darüber diskutiert und verschieden interpretiert. Mehr wollen wir gar nicht.

"Krone": Ich finde, dass "Outsider" nicht nur die modernen Uriah Heep widerspiegeln, sondern auch viele Referenzen zu euren alten Scheiben aus den 70er-Jahren aufweist.
Box: Das habe ich schon öfters gehört, nur haben wir selbst keinen Gedanken daran verschwendet. Für uns ist es einfach ein gutes solides Rock-Album. Wir hatten auch gar nicht die Zeit, ein progressives Werk mit einem großen Thema aufzuziehen.

"Krone": Interessant ist, dass all die anderen Bands, die mit euch groß wurden – so wie Led Zeppelin oder Deep Purple – sehr stark auf ausladende, psychedelische Gitarrensoli setzten, während ihr immer sehr rhythmusbasiert wart.
Box: Für uns war der Song immer wichtiger und ich wollte niemals ein Richie Blackmore oder Jimmy Page werden – das war niemals meine Intention. Das Rampenlicht hat mich nie interessiert. Ich bin ein Musiker, nicht mehr und nicht weniger.

"Krone": Das live Spielen ist doch auch wie im Rampenlicht stehen.
Box: In gewisser Weise schon, aber das liebe ich auch innig. Ich stehe aber nicht auf der Bühne, um permanent mit meinen Fähigkeiten zu prahlen, sondern stelle mich möglichst in den Kontext des Songs. Der Song muss immer das Allerwichtigste bleiben, ansonsten brauchst du doch in keiner Band spielen. Ein Solo ist im Prinzip nur eine Form, dir zu zeigen, was ich über die Jahre gelernt haben. Und es macht einen Song vielleicht etwas vielseitiger. Ein Solo muss meiner Meinung nach stark beginnen, in der Mitte eine Botschaft aussenden und wirklich stark enden. Leider faden die meisten Soli einfach langweilig aus und holen nicht das Mögliche aus sich heraus.

"Krone": Hast du auch Stress mit deiner Familie, wenn du mit deinen 67 Jahren noch immer die ganze Zeit um die Welt tourst?
Box: Es ist schon manchmal hart. Wenn ich von einer Tour heimkomme und mich sofort wieder an die Arbeit machen würde, würde mich meine Familie vermutlich umbringen. Du musst einfach die richtige Balance finden. Es gibt im Leben nicht nur ausschließlich Rock 'n' Roll, du musst deinen Sohn auch mal zum Fußball bringen und dich deiner Familie beugen.

"Krone": Wie erklärst du dir, dass ältere Rockbands wie auch Uriah Heep nach wie vor neue, junge Fans lukrieren können?
Box: Ich denke, das liegt daran, dass wir alle gute Songs haben, die alle Zeiten überdauert haben. Unsere Songs gibt es noch immer in den Radios, in den CD-Anlagen der Menschen und – wenn sie ganz gut sind – auch als Ohrwurm in den Köpfen der Menschen. Vor allem live haben diese Songs natürlich immer noch eine hohe Anziehungskraft. Das Gute ist aber, dass wir nicht nur stolz auf unsere Vergangenheit sind, sondern auch beruhigt nach vorne schauen. Die neueren Songs von uns sind auch für die Menschen da draußen gut genug, um sie in einem Live-Set mit den Klassikern aufzunehmen. Das ist doch großartig.

"Krone": Festival-Betreiber machen sich dafür jetzt schon Sorgen, wer von den jüngeren Bands denn in Zukunft ihre Veranstaltungen headlinen soll.
Box: Das ist in der Tat ein Problem. Ich finde zumindest, dass sehr viele der jüngeren Rockbands sehr ähnlich klingen und nicht innovativ genug sind. Sie kopieren sich selbst. Die Gitarristen nehmen Unterricht, sind zwei Jahre später fertig damit und spielen technisch wirklich großartig Gitarre – aber wo bleibt das Gefühl? Jeder ist gut, aber jeder klingt gleich. Schau doch einfach zurück in die Rock-Historie. Jimmy Page klang nie wie Richie Blackmore, der wiederum klang nie wie Tony Iommi – jeder hatte seinen eigenen individuellen Stil. Es sah sogar jeder anders aus und das konntest du auch auf alle anderen Instrumente umlegen.

"Krone": Es ist aber nicht mehr so einfach, nach so vielen Dekaden der Rockmusik noch etwas Neues zu erfinden.
Box: Es geht gar nicht um erfinden oder revolutionieren, sondern einfach nur darum, eine eigene Note zu haben. Finde deinen eigenen Stil, deine eigene Spielweise und lass dich auch von anderen Musikgenres inspirieren. Das Schienendenken ist ein großes Übel.

"Krone": Findest du auch, dass jüngere Rockbands zu stark auf ihr Image und zu wenig auf die Musik achten?
Box: Auf jeden Fall – diah Heep damals kein MTV, kein unendliches Streamen von allen Bands der Welt und oft noch nicht einmal ein Telefon in der Nähe. Unser Image war die Musik. Das ist auch der Grund, warum wir seit 45 Jahren unterwegs sind und noch immer kein Make-up benötigen. (lacht) Gott schütze KISS – die müssen das natürlich durchziehen, aber für uns wäre das nichts. Die Musik soll einfach für sich selbst stehen und sich nicht an ein Image hängen.

"Krone": Wie kann man sich einen typischen Tourtag von Uriah Heep in den 70er-Jahren vorstellen?
Box: Wir waren in unserer Garderobe und haben die meiste Zeit an unseren Instrumenten herumgespielt, ein paar Bier getrunken und viel Spaß gehabt. Letzteres ist sowieso unverzichtbar – auch heute noch. Bevor wir uns zusammenreden und auf Tour gehen, packt jeder von uns eine kräftige Portion Humor ein. Es kam schon auch einmal vor, dass die eine oder andere Dame in einer Kabine aufgetaucht ist. (lacht)

"Krone": Fühlst du dich im Gegensatz dazu heute als digitaler Sklave?
Box: Ein bisschen, aber du kannst Smartphones und Computer nicht ignorieren, das wäre ja furchtbar. Du kannst das ganze Zeug verteufeln oder als etwas Wertvolles sehen und ich mache seit jeher Zweiteres. Außerdem kommt mein Sohn die ganze Zeit mit neuen Apps und Programmen um die Ecke – ich bleibe immer auf dem Laufenden.

"Krone": Spielt dein Sohn auch ein Instrument?
Box: Er ist ein ziemlich guter Gitarrist, aber seine Liebe ist der Sport.

"Krone": Würdest du ihm, wäre er noch sehr jung, den Ratschlag geben, Profimusiker zu werden?
Box: Das Geschäft heute ist ein ganz anderes und du kannst kaum mehr Geld damit verdienen. Kein Mensch kauft mehr CDs oder DVDs und für das Digitale gibt es noch nichts zu ernten. Außerdem ist es bei der jüngeren Generation salonfähig geworden, jeden Tag etwas zu löschen und neu runterzuladen. Es gibt absolut keine Beständigkeit mehr. Wäre es aber sein Traum gewesen, hätte er meine volle Unterstützung gehabt.

"Krone": Wenn du auf die 45 Jahre Uriah Heep zurückblickst – was war die schönste und was die schlimmste Zeit?
Box: Am schlimmsten waren natürlich die Todesfälle. 1975 unser Bassist Gary Thain, zehn Jahre später Sänger David Byron und erst letztes Jahr tragischerweise Bassist Trevor Bolder. Du verlierst keine Bandkollegen, sondern gute Freunde, mit denen du enorm viele Jahre zusammen verbracht hast. Du lernst die Leute so genau und tief kennen, auch spirituell, dass es verdammt hart ist, solche Verluste zu verkraften. Auf der anderen Seite sind wir noch immer da. Wir rocken die Hallen und sind gleich motiviert wie am ersten Tag. Es gibt einfach nichts Schöneres, als immer noch Musik zu spielen.

"Krone": Wie hat sich dein Leben über die letzten Jahrzehnte verändert?
Box: Mit den Jahren wirst du einfach etwas ruhiger und dein Daheim wird von Tag zu Tag wichtiger. Davor war deine Heimat der Koffer – und auch alles Drumherum. (lacht) Wir haben früher alles erlebt. Unsere Privatflugzeuge, die Bodyguards, einzelne, riesige Hotelzimmer – das war wirklich eine total verrückte Zeit. Wenn du dich aber mit deinem Leben mitentwickelst, wird der Zugang und die Zeit zu deiner Familie immer wichtiger. Die Familie ist der Anker des Lebens.

"Krone": Gab es auch Zeiten, wo du in einer Art Traumwelt gelebt hast? In einem Rockstar-Klischee?
Box: Es gab schon etwa zehn Jahre, wo wir wie in einer Blase lebten. Es gab keine Regeln und wir hatten im Prinzip Narrenfreiheit. Es war auch in der Band unterschiedlich, wie das angenommen wurde. Ich war immer sehr bodenständig, ging von der Bühne und der Job war beendet. Unser alter Sänger David Byron wurde auch durch seine Position in der Band wie wild gehypt. Er konnte damit nicht umgehen und starb schließlich an seiner Alkoholsucht. Er hat das Berühmtsein einfach nicht vertragen.

"Krone": Gibt es Dinge, die du rückblickend bereust?
Box: Nein, alles was du in deinem Leben machst, hat einen bestimmten Grund, und du kannst aus jedem Schritt etwas lernen. Würde ich immer etwas bereuen, müsste ich mich in eine Ecke setzen und mich dauernd selbst geißeln, und darauf habe ich keine Lust. (lacht)

"Krone": Welche Ziele verfolgt ihr nach einer derart langen Karriere noch?
Box: Wir wollen einfach mehr CDs rausbringen und weiterhin die Welt bereisen. Die größte Motivation ist für uns wohl die immerwährende Suche nach einem großartigen, vielleicht fast perfekten Song. Du musst dich einfach immer selbst prüfen und weiterentwickeln.

"Krone": Ist es nach so vielen Jahren in der Band noch einfach, zusammenzuarbeiten?
Box: Bei uns schon, weil wir es auf althergebrachte Art und Weise machen. Wir gehen gemeinsam ins Studio und spielen zusammen. Wir streiten dort nicht herum oder sitzen die Zeit ab, um Palatschinken zu essen – wir entern das Studio und arbeiten. Die Band ist auch eine Band und wir haben keine Egoprobleme. Was uns jedenfalls nicht antreibt, sind Auszeichnungen. Dort und da haben wir mal welche bekommen, aber die stehen dann sowieso nur herum, verstauben und sind Vergangenheit.

Am 19. November kommen Uriah Heep live in die Wiener Szene, um neben ihren größten Hits auch das neue Album "Outsider" vorzustellen. Karten für das Konzertereignis erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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