"Krone"-Interview

Marlon Roudette: “Fühle mich wie ein echter Mann”

Musik
04.09.2014 17:00
Zuerst Mattafix, dann "Matter Fixed" - der britische Popstar Marlon Roudette kennt den Erfolg als Bandmitglied und Solokünstler. Mit seinem zweiten Album "Electric Soul" erobert er gerade die österreichischen Charts und wird im Februar 2015 auch live in die Alpenrepublik kommen. Wir haben uns mit Roudette über die Freuden des Vaterseins, die Anonymität in der Heimat und fehlgebuchte Heavy-Metal-Konzerte unterhalten.
(Bild: kmm)

"Krone": Marlon, du bist vorerst nur auf Kurzbesuch hier in Wien. Was verbindet dich mit dieser Stadt?
Marlon Roudette: Ich war schon öfters hier und bin jedes Mal davon begeistert, dass die Stadt ihren eigenen Look, Stil und ein besonderes Feeling hat. Allein schon durch den Background der ganzen klassischen Musik fühlt es sich für einen Musiker wie mich ziemlich wichtig an, hier zu sein. Ich mag Städte, die sehr stark von ihren Künstlern oder Architekten inspiriert sind. Ich bin ein großer Fan von Hundertwasser und war schon mehrmals in seinem Haus. Es ist leicht sich vorzustellen, als junger Mann in diese Stadt zu kommen und sich von der Poesie und Musik mitreißen zu lassen.

"Krone": Bist du der Stadt auch als Künstler in besonderem Ausmaß verbunden?
Roudette: Ja, ich kann mich sehr genau daran erinnern, dass ich 2006 im selben Hotel war. Damals hatte ich mit Mattafix gerade meinen ersten großen Hit "Big City Life". Ich hatte damals als Musiker gerade meine ersten großen Reisen und Touren. Es fühlte sich schon damals großartig an, dass ein Land, in dem Englisch nicht die Muttersprache ist, mich so gut aufgenommen und mich musikalisch quasi adoptiert hat. Ich hatte über die Jahre viele tolle Auftritte hier – ich denke da zum Beispiel an das Donauinselfest. 80.000 Kids haben meine Songs mitgesungen, sich betrunken und sind dann in den Fluss gefallen. (lacht)

"Krone": Ärgert es dich manchmal, dass dich sehr viele Leute noch immer ausschließlich mit "Big City Life" in Verbindung bringen?
Roudette: Überhaupt nicht. Für mich war das ein sehr stolzer Moment in meiner Karriere und meinem ganzen Leben. Ich kann mich noch erinnern, dass wir vom Studio aus damals den Nachtbus nach Hause genommen haben und plötzlich in ungefähr zehn verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt Nummer eins waren. Das war eine ganz besondere Erfahrung.

"Krone": Nun bist du mit deinem zweiten Soloalbum namens "Electric Soul" am Start. Einerseits wirken die Songs darauf sehr fröhlich und eingängig, andererseits auch etwas nachdenklich. War diese Ausführung in beide Richtungen dein Ziel?
Roudette: Mit Sicherheit sogar. Alle meine Lieblingsalben weisen auch eine Art von Schwäche in ihren Themen und Songstrukturen auf. Selbst meine Lieblings-Hip-Hop-Alben sind nicht die, die auf dicke Hose machen, sondern jene, die sich mit verlorenen Beziehungen oder Menschen befassen. Das spiegelt auch mein Leben wider. Ich hatte viele große Erfolge, aber auch ganz tiefe Momente. So geht es doch auch den meisten Menschen, und deshalb können sich die Leute wohl so gut mit meinen Songs identifizieren.

"Krone": Auf deinem ersten Album "Matter Fixed" hast du dich eingehend mit deiner Ex-Freundin befasst – ist "Electric Soul" insgesamt auch so persönlich ausgefallen?
Roudette: Ein paar Songs drehen sich darum, aber mittlerweile habe ich etwas mehr Distanz dazu entwickelt. Man kann mich nicht mehr so leicht damit definieren. Früher einmal ging es mir nur um dieses Thema. Ich hatte dieses Mal sehr viele verschiedene Einflüsse. Ich glaube, ich konnte hier das erste mal ein paar flotte, sexy Tracks schreiben, ohne dass sie allzu viel Inhalt ausstrahlen. Es ging einfach nur darum, eine tanzbare Nummer zu schreiben.

"Krone": Du bist im sonnigen St. Vincent aufgewachsen und lebst im regnerischen London. Sind auch diese beiden Orte im Sound von "Electric Soul" zu finden?
Roudette: In meiner ganzen Karriere gibt es schon den Kampf zwischen diesen beiden Welten – oftmals geht es auch um die dunkleren Seiten der schöneren Welt. Ich denke, dieses Album fasst beides sehr gut zusammen und die Produktion ist die beste, die ich je hatte. Die Mischung aus den elektronischen Elementen und live gespielten Instrumenten wie Gitarre, Bass und Piano klingt hervorragend und sollte vor allem bei den Live-Konzerten gut funktionieren.

"Krone": Du hast auf "Electric Soul" Steel-Drums verwendet und viele Songs auf dem Piano geschrieben. Hat dich dieser neue Zugang des Songwritings erfrischt?
Roudette: Absolut, dabei weiß ich nicht einmal, warum ich so viele Songs auf dem Piano geschrieben habe. Ich habe mein Piano in Berlin entdeckt und mit meinen Kumpels sehr viel Zeit verbracht, darauf zu spielen, Songs zu schreiben und Spaß zu haben. Aus irgendwelchen Gründen hat das funktioniert, obwohl ich alles andere als ein Pianist bin. Aber vielleicht war gerade das optimal, dass ich nicht so viele spielerische Optionen hatte und sehr unbefangen ans Werk gehen konnte. Die Steel-Drum war mit zwölf das erste Instrument, das ich erlernte. Wir haben sehr viel mit Elektronik experimentiert und haben die Steel-Drums auch mit den analogen Verstärkern zusammengeschlossen. Wir haben auch auf einem Tisch der Abbey Road Studios aufgenommen, wo unter anderem "What's Love Got To Do With It" von Tina Turner entstand. In Zeiten des Digitalen ist es umso wichtiger, dass man etwas Altes beimengt und nicht das Gefühl des Analogen verliert. Analoges klingt bei jedem Mal anders, es gibt viel mehr Überraschungsmomente.

"Krone": Du pflegst eine besondere Beziehung zu Berlin und Deutschland und deine aktuelle Single "When The Beat Drops Out" ist auch schon wieder auf Platz eins gelandet. Warum funktionierst du dort so gut?
Roudette: Ich habe absolut keine Ahnung. Es ist eine schöne, aber auch verrückte Sache. Ich bin wahrscheinlich der einzige britische Musiker in der Musikgeschichte, der in Deutschland schon drei Nummer-eins-Hits hatte, in England aber noch nie in den Top 10 war. Ich kann mir das selbst nicht erklären, aber ich genieße es, denn Deutschland ist der größte und wichtigste Markt in Europa. Zudem ist meine Plattenfirma dort angesiedelt und eine Menge Leute unterstützen mich dort in meiner Karriere. Denen bin ich sehr dankbar. Sie haben mich nach Mattafix als Solo-Künstler entdeckt und bis heute immer unterstützt.

"Krone": Wäre es dir künftig wichtig, auch endlich in Großbritannien Erfolg zu haben?
Roudette: Das wäre natürlich großartig, aber ein Teil von mir hat eine etwas distanzierte Beziehung zum Musikgeschäft dort. Ich habe es schon mit so viel Promotion, Konzerten und Touren versucht und es hat nicht funktioniert – das kann schon schmerzhaft sein. Sollte es ein Radiohit von mir schaffen, wäre es natürlich fein, aber ein großer Teil von mir genießt auch die Anonymität. Ich bin dort alles andere als berühmt. Es ist schon angenehm, heimzukommen und seine Ruhe zu haben.

"Krone": Ein Song auf deinem neuen Album nennt sich "Too Much To Lose" – worum geht es da?
Roudette: Es geht um meine Heimat in St. Vincent und Grenada. Das ist ein so wunderschöner Platz, aber auch dieser Platz hat seine Probleme und dunklen Seiten. In den letzten 15 Jahren hat sich diese Insel sehr stark verändert. Die erste Textzeile ist "I'm lying on a black purple shore", und da die Insel auf einem Vulkan basiert, ist der Sand schwarz. Das war ein wichtiger Punkt an der Insel, den ich so mag. Auch wenn es solche Plätze darauf gibt, ist St. Vincent nicht die typische Postkarten-Insel, sondern weist auch sehr tiefe, dunkle Regenwälder auf und hat eine opulente Umwelt. Ich bin dort aufgewachsen und traue mich selbstsicher zu sagen, dass es keinen Platz auf der Erde wie diesen gibt.

"Krone": Wie bereits angesprochen, bist du ja in zwei Ländern zuhause. Wie definiert sich Heimat für dich?
Roudette: Ich war immer schon eine Art Nomade und musste seit meinem neunten Lebensjahr immer schon Abschied nehmen von Freunden und Familie. Das ist wohl auch der Grund, warum mich das Touren niemals stresst, weil ich das ewige Reisen gewohnt bin. Wenn meine Mitmusiker extremes Heimweh verspüren und traurig werden, komme ich erst richtig in Fahrt. (ndon, das ich sehr friedvoll und persönlich eingerichtet habe. In zweiter Linie ist Heimat dort, wo mein Sohn ist. Er ist schließlich meine Familie.

"Krone": Wie hat dein Sohn dein bisheriges Leben verändert?
Roudette: Sehr massiv – aber auf gute Art und Weise. Du fühlst dich wie ein richtiger Mann, wenn du Vater wirst. (lacht) Du musst arbeiten gehen, um jemanden zu versorgen und seine Ausbildung zu finanzieren – die Verantwortung steigt unermesslich. Wenn ich ihn am Wochenende sehe, drehe ich mein Telefon ab und verliere mich in seiner Welt. Es ist ihm völlig egal, ob ich einen guten oder schlechten Auftritt hatte. Er ist und bleibt immer der gleiche, lachende, hungrige Junge.

"Krone": Wie schwierig ist es jetzt für dich, ihn für Touren und Promotion-Termine immer wieder verlassen zu müssen?
Roudette: Derzeit habe ich ihn drei Wochen nicht mehr gesehen, und das ist schon sehr mühsam. Er ist zehn Monate alt und du verpasst so viel von seiner Entwicklung. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, hat er neue Zähne oder macht neue Geräusche. Ich muss aber nun auch einmal meiner Arbeit nachgehen, so ist das im Leben. Schon vor Tausenden von Jahren mussten Väter ihre Zelte, Iglus oder Höhen verlassen, um jagen zu gehen oder in den Krieg zu ziehen. Die Menschheit ist das einfach gewohnt.

"Krone": Ist dir die Musik immer noch das Wichtigste?
Roudette: Mittlerweile ist es der Junge, dann kommt gleich die Musik. Seit ich ihn habe, sehe ich die Musik jedenfalls aus einem anderen Blickwinkel. Wenn ich mal einen schlechten Gig hatte oder irgendwas nicht passte, ärgert mich das nicht mehr allzu lange.

"Krone": Bist du durch deine Vaterschaft auch ruhiger geworden?
Roudette: Definitiv. Ich will jedenfalls keine klischeehaft männliche Erziehung aufkommen lassen. Ich habe auch mit meinem Vater sehr viele Jahre nicht miteinander gesprochen, aber mittlerweile würde ich auch nicht mehr in den Krieg der Worte ziehen und alles so persönlich nehmen.

"Krone": Wie bist du mit deinem Vater wieder ins Reine gekommen?
Roudette: Das lag an meinem Sohn Ray. Ich hatte den spontanen Einfall, meinen Vater anzurufen und ihm zu sagen, dass er Großvater wird. Ich wollte nicht, dass er so etwas in der Zeitung liest oder von woanders hört. Das war eine gute Idee, denn wenn wir uns jetzt sehen, können wir über Ray reden und all den anderen Scheiß beiseite lassen. (lacht) Er ist mittlerweile sehr stolz auf mich und seinen Enkel.

"Krone": Glaubst du es könnte zu einem Problem werden, dass du im Rampenlicht stehst, wenn dein Sohn älter wird?
Roudette: Ich kenne viele Leute, die das machen und ihr Kind trotzdem schützen können. Ich bin kein Mann für den roten Teppich und ich befinde mich nicht in den Klatschspalten. Deshalb denke ich auch, dass er ein ruhiges und gutes Leben führen kann. Es wird wichtig sein, ihm immer wieder alles zu erklären. Warum etwas möglicherweise anders ist als bei anderen Leuten.

"Krone": Würdest du ihm später einmal den Ratschlag geben, ins Musikgeschäft zu wechseln?
Roudette: Niemals – das wäre das Schlimmste. (lacht) Wenn er es machen würde, wäre ich nicht unbedingt groß beteiligt, sondern würde ihn seinen Weg gehen lassen. Mir wäre es aber lieber, er würde Formel-1-Fahrer werden, damit ich die Welt in der ersten Klasse bereisen könnte. (lacht) Er dürfte auch recht groß werden und könnte Basketball-Spieler werden.

"Krone": Kommen wir noch einmal zurück zu "Electric Soul" – du hast keine Features und Gäste darauf. Das ist heute fast schon eine Seltenheit. Warum eigentlich?
Roudette: Es hat sich einfach nicht ergeben und das ist wohl auch ein Mitgrund, warum ich in Großbritannien nicht so populär bin. Ich habe einfach kaum englische Musiker getroffen. Ich war schon immer jemand, der seine Entwicklung fördern wollte. Ich weiß auch nicht, warum das dieses Mal nicht geklappt hat – vielleicht hassen mich die Leute ja? (lacht)

"Krone": Gibt es denn bestimmte Musiker, mit denen du unbedingt zusammenarbeiten möchtest?
Roudette: Eine ganze Menge. Um ehrlich zu sein, habe ich schon mit allen Songwritern und Produzenten, die ich bewundere, an "Electric Soul" gearbeitet. Man wird sehen, was sich noch ergibt.

"Krone": Was war für dich beim Produktionsprozess des Albums am schwierigsten?
Roudette: Anfang 2013 habe ich keine hohen Töne mehr rausgekriegt und für längere Zeit einen wichtigen Teil meiner Stimme verloren. Es war aber andererseits auch eine bahnbrechende Erfahrung, mit einem Arzt, einem Stimm-Coach und einen Therapeut zu arbeiten, um dieses Problem wieder in den Griff zu kriegen. Die Leute haben dafür gesorgt, dass ich mich wirklich auf meine Stimme konzentriere, und mir wurde auch klar, dass dieses Instrument meine ganze Karriere trägt. Dieser Vorfall hat meinen Lebensstil eigentlich revolutioniert. Ich schaue jetzt ganz anders auf mich selbst.

"Krone": Einen Plan B hattest du also nie?
Roudette: Ich habe nie etwas Ordentliches gelernt und bin am Arbeitsmarkt wohl relativ schwer vermittelbar. (lacht)

"Krone": Hast du Interesse an anderen Themen?
Roudette: Das schon. Ich habe eine Zeit lang Film studiert und möchte dort irgendwann mal als Kameramann oder Regisseur arbeiten. Ich liebe es auch, mit jungen und motivierten Menschen und Künstlern zusammenzuarbeiten. Sollte ich mal meine Karriere als professioneller Musiker beenden oder aufhören, so oft zu touren, dann werde ich wohl mit Sicherheit aktiv an der Entwicklung junger Talente beteiligt sein.

"Krone": Was fühlst du, wenn du auf der Bühne stehst?
Roudette: Ich liebe es. Im Musikgeschäft gibt es so viele Dinge, die ich nicht machen will. Aber wenn ich an einem Piano sitze und einen Song schreibe oder auf der Bühne stehe und singe, dann weiß ich, warum ich das mache, was ich mache. Für mich ist das einfach ein Geschenk und ich nehme es nicht als selbstverständlich an.

"Krone": Ist es dir schon einmal passiert, dass das Publikum nicht sehr zufrieden mit dir war, und was hast du dann gemacht?
Roudette: Ich hatte nicht viele solcher Erfahrungen, aber meine erste Tour in Neuseeland hat der Promoter verschissen, weil er uns auf eine Heavy-Metal-Tour gebucht hat. Mattafix war doch eher eine Hip-Hop/Chill-Out/Reggae-Band. Ich weiß noch, dass mir schon beim zweiten Song eine Flasche an den Kopf geworfen wurde und ich wusste, dass wir unseren Sound an diesem Tag etwas aggressiver gestalten müssten. Man müsste mich aber schon ernsthaft stark verletzen, um mich von der Bühne zu jagen.

Hoffentlich nicht von der Bühne gejagt wird Hit-Lieferant Marlon Roudette in Wien, wo er am 14. Februar (Valentinstag!) in der Ottakringer Brauerei ein Best-of abliefern wird. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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