Boykott beschlossen

Regierung besucht keine EURO-Spiele in der Ukraine

Fußball
02.05.2012 19:16
Österreichische Regierungspolitiker werden keine Spiele der EURO 2012 in der Ukraine besuchen. Darauf hat sich der Ministerrat am Mittwoch geeinigt. Mit dem Boykott soll ein Signal gegen den Umgang der ukrainischen Justiz mit der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko gesetzt werden. Gleichzeitig schlossen sowohl Vizekanzler Michael Spindelegger als auch Sportminister Norbert Darabos aus, dass Österreich als Ersatzveranstalter für die Ukraine einspringen könnte.

Die Vorgangsweise im Fall Timoschenko und der fehlende Zugang zur Gesundheitsversorgung seien klar zu verurteilen, so Spindelegger. Auch stehe der Vorwurf der Politjustiz im Raum. "Es wird keinen österreichischen Regierungspolitiker geben, der an den Spielen teilnimmt, das ist unser Zeichen der Solidarität", hielt der Vizekanzler fest.

Faymann: "Sichtbares Signal"
Auch Bundeskanzler Werner Faymann sprach von einem "sichtbaren Signal", um die Besorgnis auszudrücken, und erklärte, dass Österreich die deutsche Vorgangsweise unterstütze. Das Regierungsteam habe sich daher gegen einen Besuch ausgesprochen, einen formalen Beschluss brauche es hierfür nicht.

Spindelegger betonte, dass es sich um ein politisches Signal an das Land handle, "es wäre falsch zu sagen, es soll keinen Wettbewerb geben". Mit seinem ukrainischen Amtskollegen möchte er den Fall Timoschenko allerdings sehr wohl besprechen.

Austragung in Österreich unrealistisch
Dass EM-Spiele nach Österreich verlegt werden, wie zuletzt angedacht wurde, schlossen Spindelegger und Darabos aus. Dies wäre unrealistisch bzw. organisatorisch unmöglich.

Windtner will Match gegen Ukraine nicht absagen
Auch ÖFB-Präsident Leo Windtner meldete sich am Mittwoch zu Wort. Das Nationalteam soll am 1. Juni in Innsbruck ein freundschaftliches Länderspiel gegen die Ukraine bestreiten. Windtner will in der Debatte darüber Sport nicht mit Politik vermischen und stellte klar, dass eine Absage des Testspiels aufgrund der politischen Lage im EM-Veranstalterland nicht infrage komme. Möglich sei eine solche nur dann, wenn die UEFA ihre bisherige Haltung in der Causa ändere.

"Das freundschaftliche Länderspiel am 1. Juni ist ein sportliches Ereignis der beiden Verbände, welches schon im Vorjahr fixiert wurde. Hierbei steht der Sport klar im Vordergrund und nicht die Politik", stellte Windtner klar. Der ÖFB werde seiner vertraglich fixierten Verpflichtung deshalb programmgemäß nachkommen.

Auch belgischer Minister boykottiert
Am Mittwochabend kündigte auch Belgiens Außenminister Didier Reynders an, nicht zu den Spielen in die Ukraine reisen zu wollen. Die Ukraine müsse nun "zeigen, dass das Land zur Gemeinschaft der demokratischen Staaten gehören will". Kroatiens Präsident Ivo Josipovic sagte einen bevorstehenden Besuch bei einem Gipfeltreffen mitteleuropäischer Präsidenten in der ukrainischen Stadt Jalta am 11. und 12. Mai ab.

Zuvor hatten bereits führende Politiker mehrere Staaten den Besuch der EM abgesagt, darunter die Staatschefs von Slowenien, Tschechien und Estland sowie EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht einen Besuch zur Fußball-EM von der politischen Entwicklung in dem Land abhängig. Polen zeigte sich bislang zurückhaltend gegenüber dem Boykott der Spiele, Dänemark lehnt ihn ab.

Ukraine gibt sich empört
Die ukrainische Regierung warnte zuvor vor einem politischen Boykott des Fußballturniers und lehnte Forderungen nach einer Freilassung von Timoschenko ab. Besonders ist die Regierung in Kiew über Deutschland empört, dass den Boykott als Vorreiter in den Raum gestellt hatte. "Ich möchte mir nicht vorstellen, dass deutsche Spitzenpolitiker auf Methoden des Kalten Kriegs zurückgreifen und den Sport zu einer Geisel der Politik machen könnten", sagte ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums.

Der ukrainische Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko forderte unterdessen die inhaftierte Timoschenko auf, ihren Hungerstreik zu beenden. Er fürchte in Anbetracht von Berichten über die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes um ihr Leben. Dies hatten zuvor bereits weitere Anhänger von Timoschenko gefordert.

Timoschenko im Hungerstreik
Timoschenko musste 2011 eine siebenjährige Haftstrafe antreten. Der Ex-Regierungschefin wird unter anderem Amtsmissbrauch vorgeworfen. Die 51-Jährige weist dies zurück und bezeichnet das Verfahren als politisch motiviert.

Zudem trat sie am 20. April in einen Hungerstreik (siehe Infobox), weil sie nach eigenen Angaben während der Haft misshandelt wurde - sie habe bei dem erzwungenen Transport in eine Klinik außerhalb des Straflagers Blutergüsse an Armen und Bauch erlitten. Am vergangenen Freitag hatte zudem eine Bombenserie Timoschenkos Geburtsstadt Dnjepropetrowsk erschüttert.

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(Bild: KMM)



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