Peinliche Enthüllung

Wie britische Spione mit dem Gadafi-Regime kuschelten

Ausland
07.09.2011 13:11
Die Enthüllungen über die engen Beziehungen zwischen britischen Geheimdiensten und dem untergegangenen Gadafi-Regime in Tripolis haben in Großbritannien Reaktionen zwischen Schock und peinlicher Berührung ausgelöst. Nun droht auch noch einer der mächtigsten Männer unter den Aufständischen, Abdel Hakim Belhadj, London und den USA mit einer Klage.

Briten und Amerikaner sollen gewusst haben, dass der jetzige Militärkommandant von Tripolis, Abdel Hakim Belhadj, in Libyen gefoltert wurde, und ihn sogar ans Messer geliefert haben. Könnte die Vergangenheit den Start der Beziehungen zwischen London und dem neuen Tripolis verderben? Großbritannien könne froh sein, wenn sich Belhadj mit einer Entschuldigung begnüge, schrieb die britische Zeitung "The Independent".

Britische Spione bis März 2011 in Tripolis
Für das mittlerweile gestürzte Regime in Libyen kam der Sinneswandel der Briten gegenüber Muammar al-Gadafi offenbar eher überraschend, glaubt man dem früheren libyschen Außenminister Abdelati al-Obeidi. In einem Interview mit dem Sender BBC sagte er am Dienstag, dass britische Spione noch bis März 2011 in Tripolis gewesen seien und dort mit dem Regime zusammengearbeitet hätten.

Libyen war zum wichtigen politischen und wirtschaftlichen Partner des Vereinigten Königreichs aufgestiegen, nachdem sich Gadafi 2003 bereiterklärt hatte, Massenvernichtungswaffen aufzugeben. Dass auch die Geheimdienste kooperierten, verwundert nicht. Wie eng sie sich heimlich aneinander kuschelten, allerdings schon. "Großbritannien muss einige Fragen beantworten", sagte Rebellenführer Belhadj im Gespräch mit der Londoner "Times".

Agenten unternahmen nichts gegen Folter
Nachdem er und seine Familie 2004 auf der Flucht vor Gadafi aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht worden seien, habe er dort Besuch von drei Agenten des MI5 und des MI6 bekommen. Sie befragten ihn zu seinen Aktivitäten in der "Libyan Islamic Fighting Group", die zeitweise mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida in Verbindung stand. Er habe mit Zeichensprache angedeutet, dass er gefoltert werde. Etwas unternommen habe niemand.

Auch weitere Regimekritiker sollen betroffen gewesen sein. Aus den in der verlassenen britischen Botschaft in Tripolis gefundenen Geheimdienstpapieren geht hervor, dass die Briten libysche Dissidenten, die in Großbritannien lebten, identifiziert haben könnten. Auch auf persönlicher Ebene lief es offenbar auffallend gut: So hat der frühere britische Premierminister Tony Blair angeblich Gadafis Sohn Saif al-Islam bei dessen Doktorarbeit geholfen.

Der damalige Chef der Antiterroreinheit des MI6, Mark Allen, soll sich bestens mit Gadafis Ex-Geheimdienstchef Mussa Kussa verstanden haben, der sich bei Ausbruch der Revolution im Frühjahr nach London absetzte. In einem der gefundenen Schriftstücke soll er sich für die "köstlichen" Datteln und Orangen bedankt haben, die Mussa Kussa als Dank für die gute Zusammenarbeit geschickt habe. 2004 wechselte Allen zum Ölkonzern BP. Mit der Beziehung zwischen libyschen und britischen Agenten soll sich nun ein Untersuchungskomitee auseinandersetzen.

Gadafi-Regime wollte Briten so richtig blamieren
Ob illegal oder peinlich, Fred Abrahams von der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" hat jedenfalls den Verdacht, dass die Agenten des Gadafi-Regimes die pikanten Unterlagen extra in den verlassenen Büros liegen ließen, um die Briten zu blamieren. Sie dürften bitter enttäuscht gewesen sein, als die früheren Partner sich so plötzlich auf die Seite der Rebellen schlugen, meint die "Times" und zitiert Abrahams: "Es ist so, als ob sie sagen würden: Wir werden euch so richtig bloßstellen. Ich kann sie vor mir sehen, wie sie sich jetzt darüber amüsieren."

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