Fall Silke Schnabel

Für Chefermittler war Mord bereits 1992 geklärt

Salzburg
09.02.2011 17:19
"Ich habe zwei Mal darauf hingewiesen, dass für die Polizei der Fall geklärt ist. Als Verdächtiger ist niemand anderer infrage gekommen." - Diese Worte fand der frühere Chefermittler am Nachmittag des dritten Prozesstages im Mordfall Silke Schnabel. Der 68-jährige mittlerweile pensionierte Kriminalbeamte belastete den Angeklagten dabei schwer: Er und seine Kollegen hätten sich fürchterlich aufgeregt, als W. im November 1992 aus der U-Haft entlassen und das Strafverfahren ein Jahr später eingestellt wurde.

Der Ermittler hatte W. während seiner vier Monate dauernden Untersuchungshaft mehrmals vernommen. "Er hat gesagt, er war es nicht. Die Kommunikation mit ihm war schwierig, weil er wenig sagte. Er war stur wie ein Esel. Doch einmal, als ich ihn aus der Reserve lockte, schrie er mich plötzlich an: Wenn ich es gewesen wäre, dann ist es nicht meine Schuld." W. habe gemeint, die Sonderanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Wien-Mittersteig sei dann schuld, weil die hätten ihn nach dem fünfjährigen Maßnahmenvollzug (wegen eines Sexualdeliktes, Anm.) 1985 für gesund erklärt und entlassen. W. habe ihm auch erzählt, dass er in der mutmaßlichen Tatnacht insgesamt zwölf halbe Bier getrunken hatte, sagte der Zeuge.

Bluse in W's Wohnung entdeckt
Die Einvernahme des Polizisten drehte sich auch um jene Bluse, die Silke Schnabel laut Angaben von Zeugen in der Tatnacht getragen hatte. Bei einer freiwilligen Nachschau in der Wohnung der Eltern von W. - er hatte dort ein Bett im Wohnzimmer - am 25. Juli 1992, also einen Tag nach der Inhaftierung des Verdächtigen, bemerkten die Polizisten die weiße Bluse auf einem Kleiderbügel. Sie nahmen sie jedoch nicht mit. "Es waren noch Knöpfe daran", schilderte der Chefermittler. Damals sei ja zur Sprache gekommen, dass W. die Bluse mitgenommen habe. Bei der Hausdurchsuchung am 29. Juli sahen sie die Bluse nicht mehr. Erst als sie die Mutter danach fragten, "rückte sie die Bluse raus", bestätigte der Kollege des Chefermittlers. "Sie lag in einem Eimer im Vorraum."

Allerdings fehlten die Knöpfe, sie waren zum Großteil abgeschnitten und teils ausgerissen worden, sagte der pensionierte Kriminalbeamte. Bei der Hausdurchsuchung wurde auch ein Gürtel mit eingedicktem Blut sichergestellt. Die erst heuer vom Angeklagten geäußerte Erklärung, der Fleck stamme von einer Rauferei mit Jugendlichen, habe er damals "sicher nicht gehört", sagte der 68-Jährige. Die Mutter von W. habe ihnen damals einen anderen Gürtel mitgeben wollen. "Ich sagte, sie kann mich nicht anstiften, dass ich Beweismittel unterschlage", schilderte der Kollege des Chefermittlers. Der blutbefleckte Gürtel ist mittlerweile wie die Bluse verschwunden. Der Ermittler meinte, die Bluse sei erkennungsdienstlich behandelt und dann archiviert worden. Nach der Übernahme durch die Gendarmerie seien dann Sachen verschwunden.

"Für mich war der Fall ja erledigt"
Der pensionierte Polizist bestätigte auch die Aussagen einer Ex-Prostituierten, wonach diese ihm erzählt hätte, W. habe bald nach seiner Entlassung aus der U-Haft auf den Zuruf einer anderen Prostituierten "verschwinde, du Mörder" mit "halt's die Goschn, sonst geht's euch wie der Silke' geantwortet. Wann genau die Prostituierte ihm das erzählt hat, wusste er nicht mehr - womöglich nach der Verfahrenseinstellung (November 1993, Anm.), oder circa ein halbes Jahr nach W's Enthaftung. Aktenkundig wurde der Vorfall damals nicht. "Für mich war der Fall ja erledigt", sagte der Zeuge frustriert.

Keine genauen Angaben 18 Jahre nach der Tat
Bereits am Vormittag waren am Landesgericht Salzburg jene zwei Polizisten einvernommen worden, die den Angeklagten nach der mutmaßlichen Tatnacht am 11. Juli 1992 gegen 6.20 Uhr an der Salzach-Böschung schlafend vorgefunden hatten. Wie andere Zeugen auch konnten die Polizisten achtzehneinhalb Jahre später keine genauen Angaben machen. Eines behielten sie aber in Erinnerung: "Die Jeans des Mannes waren nass und bis zu den Knöcheln herunterzogen. Die Unterhose lag neben ihm. Das war nicht normal." Einer der beiden Polizisten vermutete damals ein Gewaltverbrechen, weil der Mann regungslos im Gras lag.

"Ich glaubte, er sei tot, und habe ihn zwicken müssen, damit er aufsteht." Wie die Jacke aussah, die drei Meter entfernt im Gestrüpp hing, wusste der 42-Jährige nun nicht mehr. Laut einem Bericht, den die Polizisten nach Auffindung der Leiche des 17-jährigen Mädchens am 21. Juli 1992 bei Ranshofen (OÖ) im Inn schreiben mussten, handelte es sich um eine helle Trainingsjacke mit Reißverschluss, blauen Bündchen und weißem Frottee an der Innenseite. "Wenn das so steht, wird es stimmen", verwiesen die zwei Zeugen auf ihre früheren Aussagen.

Niedergetretene Spur von Schlafstelle zum Fluss 
Den Polizisten wurde schon damals ein Lichtbild von jener weißen Damenbluse vorgehalten, die Kripo-Beamte am 29. Juli 1992 bei einer Hausdurchsuchung bei Anton W. fanden. Damals sagten sie, bei der an der Salzach aufgefundenen Jacke handle es sich nicht um diese Bluse. Das Beweismittel ist jedoch im Laufe der Jahre verschwunden. Die beiden Zeugen wussten am Mittwoch noch, dass das Gras an der Uferböschung etwa 80 Zentimeter hoch und zwei bis drei Meter um Anton W. herum niedergetreten war. Eine niedergetretene Spur reichte von der Schlafstelle von W. bis zum Fluss. Der Ankläger geht ja davon aus, dass das Mädchen von dem Angeklagten vergewaltigt sowie erwürgt und dann in die Salzach geworfen wurde.

Freund von W. erinnert sich vor Gericht nicht
Die weiße Damenbluse stand auch bei den anderen Zeugeneinvernahmen im Mittelpunkt des Interesses. Ein Freund des Angeklagten hatte 1992 geschildert, die Mutter von W. habe erzählt, dass ihr Sohn die Bluse nach Hause mitgenommen habe, sie die Knöpfe entfernt hatte und das Textil auch vernichten wollte, die Polizei habe es zuvor aber sichergestellt. Vor Gericht konnte sich der Mann nicht mehr an diese Angaben erinnern. Er erzählte, er habe W. am Abend des 11. Juli – also nach der mutmaßlichen Tat – in einem Lokal getroffen. "Er hat sich wie immer verhalten, es ist der Schmäh gelaufen."

Schwester von Silke berichtet über die Jugend
Der vorsitzende Richter Günther Nocker zeigte auch der zwei Jahre älteren Schwester von Silke Schnabel ein Foto der weißen Bluse. "Ja, das war meine. Nur die Rostflecken darauf kenne ich nicht. Ich habe die Bluse Silke geschenkt, weil sie ihr so gefallen hat." Das Beisl "Max und Moritz" habe Silke durch sie kennengelernt. "Silke war ein offener Mensch, aber rebellisch. Wenn meine Mutter gesagt hat, 'Da geht's nicht hin', sind wir genau dort hingegangen", sagte die Schwester. "Die Eltern waren streng, deshalb wollte Silke ausziehen." Sie sei ein verlässlicher Typ gewesen, darum habe sie sich gewundert, dass Silke sich zwei Tage nach dem 11. Juli, als sie ihre Schwester anrief, nicht meldete. "Wir brauchten den Pass, weil wir in den Urlaub wollten. Sie hat sich ja so darauf gefreut."

Der Prozess wird am Donnerstag mit der Anhörung und Befragung des Täter-Profilers Thomas Müller fortgesetzt. Das Urteil soll am Freitag gesprochen werden.

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