Wer dachte, dass das Chaos in der SPÖ nicht ausbaufähig wäre, wird gerade eines Besseren belehrt. Nachdem Parteivorsitzende Rendi-Wagner ihren Platz geradezu ehrenvoll geräumt hat, bleiben noch zwei anscheinend unversöhnliche Kontrahenten übrig. Der burgenländische Landeshauptmann, der kürzlich aufgrund parteiinternen Gegenwindes nahezu schmollend gleich alles hinschmeißen wollte, und der Traiskirchner Bürgermeister, der sich als Marxist geoutet hat, um dies ein paar Stunden später wieder zu revidieren. Beide sind natürlich der einst so starken Arbeiterbewegung nicht besonders dienlich. In Wirklichkeit liegt das Problem aber schon Jahrzehnte zurück. Mit den „Nadelstreif-Sozialisten“ Vranitzky, Klima, Gusenbauer, Faymann und Kern gerieten die Interessen der Arbeiter immer mehr in den Hintergrund, und alle hechelten der von den USA vorgegebenen uneingeschränkten freien Marktwirtschaft hinterher. Tatsächlich zählte nämlich auch unter diesen angeblichen Vertretern der Arbeiterschaft nur noch Gewinn und Börsenrendite der Eliten. Konnte diese grundlegende Schieflage in unserer Gesellschaft bisher durch ständiges, wenn auch geringes Wirtschaftswachstum und oberflächlichen Wohlstand totgeschwiegen werden, bricht das Problem in den gegenwärtigen Krisen massiv auf. Und nun fordert ein vermeintlich wahrer Sozialist in der Person von Andreas Babler den Vertreter des roten Establishments Hans Peter Doskozil heraus. Beiden sind natürlich die Fußstapfen Bruno Kreiskys, der diesen Spagat zwischen Nadelstreifanzug und den Anliegen der Arbeiterschaft souverän meisterte, viel zu groß. Die SPÖ steht nun daher vor einer Richtungsentscheidung, bei der einer der Protagonisten auf der Strecke bleibt und vermutlich in der Folge aus persönlichen Befindlichkeiten auch eine Spaltung der einst staatstragenden Arbeiterbewegung in Kauf nehmen wird. Traurig nur, dass in diesem Machtkampf die Interessen und Sorgen der einfachen Bürger völlig in den Hintergrund geraten bzw. ignoriert werden.