Haager Gift-Suizid

Wer waren die Helfer des Kroaten-Generals?

Ausland
30.11.2017 13:52

Einen Tag nach dem dramatischen Gift-Selbstmord des kroatischen Ex-Generals Slobodoan Praljak vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag versuchen Kriminalisten herauszufinden, wie der 72-Jährige an den tödlichen Trunk gekommen ist. Die Ermittlungen konzentrieren sich derzeit vor allem darauf, wer die möglichen Helfer gewesen sein könnten, hieß es am Donnerstag von der Staatsanwaltschaft.

Da Praljak bereits seit 2004 im Gefängnis des UNO-Tribunals im niederländischen Nordseebad Scheveningen inhaftiert gewesen war, scheint es ausgeschlossen, dass er seither im Besitz des Giftes gewesen ist und es 17 Jahre lang vor den Vollzugsbeamten verstecken konnte. Nun wird untersucht, mit welchen Personen der ehemalige bosnisch-kroatische Militärchef während dieser Zeit in persönlichem Kontakt war.

Es war Gift - aber welches?
Fest steht inzwischen jedenfalls, dass es sich bei der Substanz, die Praljak am Mittwoch nach seiner endgültigen Verurteilung zu 20 Jahren Gefängnis zu sich nahm, um Gift handelte. Das bestätigte ein Sprecher der niederländischen Staatsanwaltschaft am Donnerstag offiziell. "Es handelt sich um einen chemischen Stoff, der für Menschen tödlich sein kann." Welcher Stoff es war, sagte er nicht. Der Leichnam des 72-Jährigen werde nun obduziert und einer genauen toxikologischen Prüfung unterzogen.

Tödlichen Trunk wohl aus dem Gefängnis mitgebracht
Als ziemlich sicher gilt, dass der Kriegsverbrecher das Gift aus dem Gefängnis in den Gerichtssaal mitgebracht hat, denn ein Security-Experte beschrieb die dort herrschenden Sicherheitsvorkehrungen als nicht besonders streng. Das UN-Tribunal wollte sich zu dem Fall unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Praljak war mit fünf anderen ehemals hochrangigen bosnischen Kroaten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Muslime im Bosnienkrieg (1992 bis 1995) schuldig gesprochen worden. Damit wurde das Urteil aus erster Instanz (2013) bestätigt.

Urteil des Tribunals für Kroatiens Regierung "inakzeptabel"
Nach dem dramatischen Suizid zeigte sich die kroatische Regierung unzufrieden mit dem Urteil des UNO-Tribunals: "Mit dem Urteil wird fälschlich auf die Rolle der kroatischen Staatsspitze im Bosnienkrieg angespielt", sagte Premier Andrej Plenkovic am Mittwoch. Für Kroatien sei das Urteil "inakzeptabel", betonte der Regierungschef. Es sei "absurd", dass in keinem der Urteile des UNO-Tribunals die Verantwortung Serbiens für ein gemeinsames verbrecherisches Vorhaben in Bosnien bestätigt worden sei, fügte er hinzu. Seiner Ansicht nach seien die kroatischen Streitkräfte aufgrund von Abkommen damals legal auf bosnischem Gebiet tätig gewesen und hätten ein ähnliches Massaker durch die Serben wie in Srebrenica verhindert.

Präsidentin kritisiert Kriegsverbrechertribunal
Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic warf dem Tribunal am Donnerstag vor, seine Aufgabe nicht erfüllt zu haben und wies die Verwicklung Kroatiens in den Bosnienkrieg zurück. Grabar-Kitarovic betonte, dass sich das Urteil weder gegen Kroatien noch gegen das kroatische Volk in Bosnien richte. "Kroatien war nicht der Aggressor", sagte sie.

"Urteil entspricht nicht der historischen Wahrheit"
"Das, was wir gehört haben, entspricht nicht der historischeren Wahrheit", meinte Parlamentspräsident Goran Jandrokovic und betonte, dass Kroaten die Opfer des Geschehens in Bosnien gewesen seien. Parlamentsvize Zeljko Reiner sagte, dass das Urteil "nicht nur historisch unwahr, sondern auch ungerecht und absolut unfassbar" sei.

Inzko: UNO-Urteil darf nicht politisiert werden
Der aus Österreich stammende Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko rief Bosnien-Herzegowina dazu auf, das Urteil "vollständig" zu respektieren. Es dürfe keinesfalls politisiert werden und solle vielmehr als "Wendepunkt" und "Chance zur Versöhnung" dienen. "Wahrheit und Gerechtigkeit" seien der einzig mögliche Weg zu einer "besseren Zukunft", erklärte Inzko. Für viele Bosnier sei mit der Verkündung der Urteile ein "tragisches Kapitel" ihres Lebens abgeschlossen worden, für manche "vielleicht sogar der Krieg von 1992 bis 1995", meinte der UNO-Beauftragte.

Angespannte Stimmung in Mostar
In der herzegowinischen Stadt Mostar, in der Praljak im Krieg den Befehl gegeben hatte, die weltberühmte Brücke über die Neretwa zu zerstören, war die Stimmung nach dem Urteil gespannt. Während im westlichen, kroatischen Stadtteil Kerzen für die Verurteilten angezündet wurden, wurde das Polizeiaufgebot im östlichen, muslimischen Stadtteil verstärkt. Dem Gedenktreffen für die sechs Verurteilten im Westteil der Stadt wohnte auch Dragan Covic, das kroatische Mitglied der bosnischen Staatsführung, bei. Dort wurden am Abend Flaggen in Erinnerung an Praljak auf halben Mast gesenkt.

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