Wahl-Analyse

“Voves soll verheimlichen, dass er aus SPÖ kommt”

Österreich
23.03.2015 08:39
Es wird nichts so heiß gegessen wie gekocht - mag zwar ein Spruch aus dem Hausfrauen-Kalender sein, aber in Sachen steirische Gemeinderatswahl treffend. Für die Großparteien hat es hier Schrammen gegeben, massiv abgestraft - immerhin hatten zunächst ja viele Ortschefs aus der eigenen Partei gegen die Gemeindefusionen revoltiert - sind sie aber nicht worden. Es scheint also doch möglich, unpopuläre Reformen durchzuziehen. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier hat sich für die "Krone" die steirische Situation genau angeschaut. Im Folgenden seine Analyse im Wortlaut.

"Das Märchen, die Gemeindefusionen würden das Ergebnis der Gemeinderatswahlen bestimmen, ist durch die Daten der Demoskopie widerlegt. Wer das unverändert behauptet, will speziell als SPÖ-Gemeindepolitiker von hausgemachten Problemen ablenken. Ja, mancherorts wurde heftig gestritten, und es gab größere Stimmenverschiebungen. Doch meinen über zwei Drittel der Wähler, dass die Zusammenlegung der Gemeinden richtig war.

Fusionsgemeinden stechen nicht hervor
Die Überraschung: Es gibt wenige Unterschiede zwischen den Wahlmotiven in Fusionsgemeinden und nicht betroffenen Orten. Die Fusionen haben zudem bei Frauen und Männern sowie in allen Altersgruppen der steirischen Bevölkerung eine mehrheitliche Zustimmung. Also erlitt die ÖVP als Dorfkaiserpartei folgerichtig keineswegs das herbeigeschriebene Debakel.

Wer streitet, der fällt auch leichter auf
Die Erklärung ist einfach: Wer streitet, fällt leichter auf. Die Konfliktfälle bei den Fusionen standen im Mittelpunkt der Medienberichte. Sie konnten trotzdem nicht das Gesamtbild der öffentlichen Meinung beeinflussen. Oft wird vergessen, dass eine Reihe von Gemeinden freiwillig fusionierte, also ein Denkzettel gegen die am Sonntag gar nicht zur Wahl stehende Landespolitik unlogisch wäre. Zugleich betonten 95 Prozent als Grund für ihre Wahlentscheidung die Wichtigkeit von Gemeindethemen. Dazu gehören die Wirtschaft im Ort oder lokaler Verkehr, Wohnsituation und Freizeitmöglichkeiten. Am Wahltag lagen Bezüge zur Landes- und der Bundespolitik weit zurück.

Die Gemeinden als Inseln der Seligen
Einen steirischen Trend gibt es: In den Gemeinden ist die politische Welt eine Insel der Seligen. Vier Fünftel sind mit der Arbeit der Bürgermeister und Gemeinderegierung zufrieden, fast die Hälfte (44 Prozent) ist sogar sehr zufrieden. Bei der Bundesregierung sind das, Steuerreform hin oder her, katastrophale zwei (!) Prozent. Die Landesregierung liegt dazwischen. Ganz schlecht ist die Zufriedenheit nirgends, doch die meisten Enttäuschten finden sich erwartungsgemäß unter den FPÖ-Wählern und bei den Jüngeren.

Stimmungslage ist im Land anders
Was wir für die Landtagswahl lernen? Man kann nicht von spät entschlossenen Wechselwählern - ein Viertel legt sich weniger als 14 Tage vorher fest - sprechen und behaupten, das Wahlverhalten in zehn Wochen zu kennen. Heute zu wissen, wen jemand Ende Mai wählt, das entspricht der Fragestellung, ob man sich im Rausch der Frühlingsgefühle irgendwann verlieben wird und falls ja, in wen. In beiden Fällen - Wahl- und Liebesprognosen - können die Steirer manches ausschließen und mit anderen flirten. Eine sichere Antwort gibt es mit Ausnahme der Stammwähler dennoch nicht.

FPÖ im Aufwind
Elisabeth Noelle-Neumann, Pionierin der Meinungsforschung, hat gesagt, man soll überhaupt nicht nach dem Wahlverhalten fragen. Da gibt es Hemmungen zu antworten. Also wurde für die Landtagswahl erforscht, für welche Partei unabhängig von der eigenen Meinung die Stimmungslage günstig wäre. Das Ergebnis verblüfft: Die SPÖ liegt mit 37 Prozent vorne und im Bereich ihres Landtagswahlergebnisses von 2010. Sehr gut sind - und auf eine Verdoppelung schließen lassen - die Werte der FPÖ. Die ÖVP wiederum ist, rein stimmungsmäßig, unter 20 Prozent und hat auf Landesebene ganz anders als bei der Gemeinderatswahl ein Problem. Andere Parteien liegen jenseits von Graz kaum über der Wahrnehmungsschwelle.

Landeshauptmannbonus trotz Gemeindeverlusten
Grund dafür ist, dass ungeachtet des SPÖ-Minus vom Sonntag die personenbezogenen Daten von Landeshauptmann Franz Voves um Eckhäuser besser sind als jene seines Stellvertreters Hermann Schützenhöfer - teilweise auch unter den ÖVP-Anhängern.

SP als "Liste Voves"
Die Sozialdemokraten müssten also als 'Liste Voves' antreten und quasi verheimlichen, dass dieser aus der SPÖ kommt. Er handelt ohnedies seit Jahren so, als hätte er mit seiner Bundespartei nichts zu tun. Bei der ÖVP macht es hingegen wenig Sinn, Schützenhöfer statt des Parteinamens zu plakatieren. Der Rest aller Parteien wird von der negativen Stimmung auf Bundesebene profitieren, auf die Fusionen als Wahlkampfthema setzen kann keiner."

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