Galt bei Stellantis noch vor wenigen Jahren der Elektroantrieb als Königsweg, passt der Multi-Marken-Konzern nun seine Strategie den neuen Gegebenheiten an. Kunden können viele Modelle vermehrt und länger mit Verbrennungsmotoren kaufen.
Nicht wenige Branchen-Experten haben in jüngster Vergangenheit für den Stellantis-Konzern – zu ihm gehören unter anderem die Marken Opel, Peugeot, Citroën, DS, Fiat, Jeep, Alfa Romeo und Maserati – den Daumen nach unten gesenkt, zumindest wenn es um die Aussichten für die kommenden Jahre geht. Hatte doch Ex-CEO Carlos Tavares nicht nur auf einen übertriebenen Sparkurs, sondern auch nahezu kompromisslos auf Elektroantrieb gesetzt. Das ging so weit, dass einige der Marken – beispielsweise Opel – bereits 2028 kein Verbrennermodell mehr im Portfolio haben sollten.
Geschichte. Stellantis schwenkt um. Unter dem neuen Vorstands-Chef Antonio Filosa soll – zumindest in Europa – zwar weiterhin penibel auf die Kosten geschaut werden, doch die Elektrifizierungs-Strategie wird in der einst angedachten Konsequenz zurückgefahren. Heißt: Immer häufiger und auch länger als geplant können Kunden die Modelle alternativ auch als Mildhybrid oder teils als Plug-in-Hybrid (PHEV) bekommen. Jüngstes Beispiel ist der Fiat 500e. Trotz dessen dezidierter Elektroplattform ist es den Ingenieuren gelungen, der italienische Kleinwagen-Ikone wieder Motor, Getriebe, Tank und Auspuff zu verpassen.
STLA-Plattform als Konzern-Retter
Dreh- und Angelpunkt bei der Neuausrichtung von Stellantis ist jedoch die neue Fahrzeug-Architektur STLA in ihren Ausprägungen Small, Medium und Large. Positiv in die Karten spielt nahezu allen Marken, dass die Plattform nicht zu 100 Prozent auf Elektroantrieb (BEV only) ausgelegt wurde, sondern es auch zulässt, Verbrenner-Technik unterzubringen. Andernfalls hätte es aufgrund der neuen politischen Rahmenbedingungen sowie der Kaufzurückhaltung bei Elektromodellen für Stellantis ziemlich düster ausgesehen.
Am meisten aufatmen dürfte man bei Alfa Romeo. Denn eigentlich sollten für Giulia und Stelvio längst Nachfolger auf der Straße sein - vollelektrische. Nun wird der Termin nochmals nach hinten geschoben. Ab 2027 werden Giulia und Stelvio in zweiter Generation sowohl elektrisch als auch mit Mildhybrid- und eventuell Plug-in-Hybrid-Technik (Stelvio) angeboten.
DS bringt neuen Diesel
Stellantis‘ zweite Premium-Marke DS bringt derzeit ihre Limousine No8 und den überarbeiteten No4 in den Handel. Den No4 gibt es erstmals auch vollelektrisch, ab Jänner wird sogar eine Variante mit Dieselmotor bestellbar sein. Auch ein neues SUV-Flaggschiff von DS steht auf dem Plan und soll schon 2026 auf dem Markt kommen. Vermutlicher Name: DS No7. Wählen kann der Kunde hier zwischen elektrischem und elektrifiziertem Antrieb, dank der flexiblen, auf Multi-Energy ausgelegten STLA-Large-Plattform.
Auf dieser Architektur wird auch der Lancia Gamma stehen, den die italienische Traditionsmarke noch Ende 2026 vorstellen will. Damit überholt das D-Segment-Modell zeitlich den momentan nur in Italien und einigen europäischen Ländern erhältlichen Lancia Y. In Österreich soll Lancia nach Angaben eines Sprechers vorerst nicht eingeführt werden.
Jeep steht auf Achtzylinder
Neu positionieren will sich auch Jeep. Der jüngst präsentierte Compass soll in Europa zum Bestseller der amerikanischen Kultmarke werden. Auf den rustikalen Wrangler müssen Jeep-Fans allerdings in Zukunft verzichten, er wird nicht länger importiert. Ersetzen wird ihn der elektrische Recon. Das Flaggschiff der Offroad-Marke markiert der ebenfalls elektrische Wagoneer S. Ob Jeep bei beiden Stromern Verbrenner-Versionen nachreichen wird, bleibt abzuwarten. Die Chancen sind gering. Denn in den USA ist gerade eine Abkehr vom Elektro- und Rückkehr zum Verbrennungsmotor zu beobachten. Sogar hubraumstarke Achtzylinder sind wieder im Gespräch. Stichwort: Hemi.
Opel streckt die Verbrenner
Um bezahlbare Elektromobilität geht es dagegen bei Opel. Die Rüsselsheimer planen, 2028 den nächsten Corsa elektrisch für rund 25.000 Euro auf die Räder zu stellen. Möglich machen soll das die STLA-Small-Plattform. Bei ihr allerdings ist keine Verbrennerversion vorgesehen. Alternativ soll der heutige Corsa, übrigens nach wie vor der unangefochtene Besteller im Programm von Opel, noch so lange Benzin tanken dürfen, wie die Märkte es fordern.
Ganz ähnlich könnte es bei der Schwestermarke Peugeot ablaufen, respektive dem 208, ebenfalls das meistverkaufte Modell der Marke. Unter der nächsten Generation steckt wie beim Corsa die STLA-Small-Plattform. Damit einher geht ein technisches Schmankerl, das sogenannte Hypersquare, eine coole Mischung aus Formel-1-Lenkrad und Spielkonsole. Das neue Feature läuft mittels Steer-by-Wire-Technologie. Zwischen Lenkrad und Rädern gibt es keine mechanische Verbindung mehr.
China-Marke als Wachstumsbeschleuniger
Dass Opel, Peugeot, Jeep und Co zum Stellantis-Konzern gehören, dürfte sich mittlerweile bei vielen Autofahrern herumgesprochen haben. Wohl die wenigsten wissen, dass Stellantis eine Beziehung mit Leapmotor aus China eingegangen ist. In der Kooperation übernimmt Stellantis den Vertrieb der Leapmotor-Modelle in Europa.
Leapmotor gibt es erst seit zehn Jahren. Trotzdem haben die Chinesen bis heute bereits eine Million Fahrzeuge verkauft, vorwiegend elektrische. Ambitioniertes Ziel: Nächstes Jahr will man diese Zahl in nur zwölf Monaten erreichen.
In Österreich verkauft Leapmotor derzeit mehr als 100 Einheiten monatlich. Die Kurve zeigt steil nach oben, was in erster Linie am niedrigen Preis liegt. Der elektrische Einstieg beginnt bei 18.990 Euro (Modell T03). Das größte SUV C10, ebenfalls ein Vollstromer kostet ab rund 37.000 Euro. Da kommt kein anderer Hersteller mit. Nummer drei im Portfolio wird der etwas kleinere B10, den es als E-SUV und alternativ mit Range Extender (REEV) geben wird.
Damit nicht genug. Auf der letzten IAA im September zeigte Leapmotor den B05. Der Stromer soll ab Sommer 2026 in der Golf-Klasse gegen den VW ID.3 antreten, ab 29.900 Euro.
Und letztlich möchte Leapmotor auch im wichtigen Segment der City-SUVs mitspielen. In der Pipeline steckt bereits der B03 X (Länge: zirka 4,20 Meter). Er könnte noch Ende nächsten Jahres im Handel sein. Für 2027 kündigt Leapmotor dann ein weiteres elektrisches Kompaktauto an. Hier dürfte es sich um ein Hatchback-Modell im VW-Polo-Format handeln.
Schaut ganz danach aus, als könnte sich der chinesische Kooperationspartner von Stellantis so zum Treiber der Elektrifizierungsstrategie des Konzerns entwickeln. Schon nächstes Jahr will man mit der Produktion des B10 im spanischen Werk von Stellantis in Saragossa beginnen. Der Vorteil: Leapmotor kann so Zölle von über 30 Prozent umgehen und den B10 noch aggressiver einpreisen.
Zudem kursieren Gerüchte, dass Opel erwägt, den B10 in kaum veränderter Form als Opel anzubieten. Damit hätten die Rüsselsheimer ebenfalls ein preislich sehr attraktives BEV im Kompaktsegment. Auch Citroen und Fiat dürften solchen strategischen Optionen sicher nicht ablehnend gegenüberstehen.
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