Salzburger Festspiele

Mit Vivaldi im Doppelbett der göttlichen Abgründe

Die Amme (Nadezhda Karyazina, re.) ermuntert Myrrha (Lea Desandre) ihren eigenen Vater zu verführen. (Bild: Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus)

„Hotel Metamorphosis“: Großer Jubel für das Vivaldi-Best of zu Ovids Geschichten bei den Pfingstfestspielen.

Stellen Sie sich vor, Sie werden plötzlich vom Bett in ihrem Nullachtfünfzehn-Hotelzimmer verschluckt – und in der Unterwelt wieder ausgespuckt! So passiert es Orpheus und seinen Kollegen aus den „Metamorphosen“ im Haus für Mozart. Dort hat Regisseur Barrie Kosky fünf der Gedichte Ovids zu einer Szenenabfolge kompiliert. Gemeinsam mit Dirigent Gianluca Capuano wurden diese dann mit 45 Vokal- wie Instrumental-Kompositionen Vivaldis zum Pasticcio verbrämt. Ein bis heute gültiges Prinzip. Siehe Jukebox-Musicals wie „Mamma Mia“ oder „Rock Me Amadeus“, wo ein Handlungsgerüst als Abschussbasis für ein Hit-Feuerwerk dient.

Vivaldi behauptete 94 Opern komponiert zu haben. Ein Bruchteil davon ist überliefert. Und keine würde auf der Bühne wohl heute noch richtig funktionieren. Anders ins Salzburg, wo man im nüchternen Hotelambiente die Mythologie zu Vivaldis schönsten Melodien blühen lässt.

Angela Winkler geistert als Orpheus durch den Abend und fungiert mit süßlicher Zartheit als Erzähler(in). Pfingstfestspiel-Direktrice Cecilia Bartoli ist Eurydice, die ihre Stärken im lyrischen Leiden ausspielt. Sie bietet außerdem als herrlich extrovertierte Arachne der apart dunkel getönten Minerva von Nadezhda Karyazina die Stirn. Philippe Jaroussky verliebt sich anmutig als Pygmalion in sein Kunstwerk und als Naricssus in sein eigenes Spiegelbild.

Lea Desandre beglückt als ihren Vater verführende Myrrha und glucksendes Echo-Springinkerl. Kosky organisiert das mit leichter Hand und toppt das Hotel-Kammerspiel mit flotten Tanzeinlagen und Chorszenen (Il Canto di Orfeo), wie einem prächtig bunten Bacchanal. Gianluca Capuano leitet Les Musiciens du Prince fein dosiert zwischen Glanz und Rasanz, bis die Bartoli in ihrer Klage um den von den Bacchantinnen geschlachteten Orpheus noch einmal ans Äußerste geht.