Kosovo, Nigeria, Gambia und Co. – das sollen nur einige Ziele der Abschiebeflüge gewesen sein, bei denen ein Beamter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl betrogen haben soll. Laut Anklage wählte er statt den Billigst- und Bestbietern die Angebote seiner Freunde. Der 55-Jährige ist im Wiener Landesgericht aber sicher: „Das ist ein reiner Racheakt.“
„Er war passionierter Beamter. Er wollte hervorstechen und wollte der Beste sein“, beschreibt die Verteidigerin ihren Mandanten im Wiener Landesgericht. Die Staatsanwaltschaft ist jedoch der Meinung, dass der 55-Jährige deutlich übers Ziel hinausgeschossen hat – bis in die Strafbarkeit. Als Angestellter beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) war er für die Auswahl von Abschiebeflügen zuständig. Und soll da ordentlich getrickst haben.
„Er war der Experte“
Dafür muss man jedoch erst einmal verstehen, wie die Abläufe bei solchen Rückführungen ausschauen: „Bei jeder Abschiebung mussten Angebote bei sogenannten Airbrokern eingeholt werden“, erklärt die Staatsanwältin. Das waren meist drei oder vier, die dann auf Kriterien geprüft wurden: Wohin geht es? Wie viele müssen Platz haben? Welcher Maschinentyp ist gewünscht? Und dann wird das billigste Angebot gewählt. „Diese Richtlinien kannte der Angeklagte. Er hat seit 2009 bis zu seiner Suspendierung nichts anderes gemacht. Er war sogar federführend in seinem Team. Er war der Experte“, so die Vertreterin der Anklagebehörde.
Freunderlwirtschaft bei Abschiebeflügen
Wo soll jetzt aber der Fehler des ausgebildeten Polizeibeamten liegen? Der 55-Jährige pflegte zu einigen Airbrokern eine sehr enge Verbindung, eigentlich schon eine Freundschaft. Mit einem war der Niederösterreicher auf Urlaub in seinem Freienhaus; mit dem anderen spielte er in seiner Freizeit Fußball. Was dann aufgefallen sei: „Es wurden manche Broker systematisch bevorzugt“, klagt die Staatsanwältin an. Auch wenn sie nicht das beste und billigste Angebot gelegt hatten, erhielten sie den Flugauftrag. Der mutmaßlich entstandene Schaden für die Republik: 174.000 Euro!
Ich nehme an, das ist ein reiner Racheakt.
Angeklagter BFA-Beamter im Wiener Landl
In 27 Fällen habe er auch Angebote an seine befreundeten Airbroker weitergeleitet, damit sie sich an diesen orientieren können – eine Verletzung des Amtsgeheimnisses, so die Anklageschrift. Das Kuriose: „Der Angeklagte hat kein Geld bekommen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er sich bereichert hat oder dass er eine Bestechung erhalten hat“, muss auch die Staatsanwältin zugeben.
Missstände in der Abteilung ans Licht gebracht
Der Beamte hat seine ganz eigene Theorie: „Ich nehme an, das ist ein reiner Racheakt.“ Die Arbeit dort sei ihm nämlich sehr am Herzen gelegen. Er baute die Abteilung quasi im Jahr 2009, damals noch im Bundesministerium für Inneres, auf und übersiedelte 2014 schließlich ins BFA. Er weiß: „Es gab kein offizielles, reguliertes Vergabeverfahren.“ Im Zuge der Covid-Krise häuften sich auch bei der Organisation der Abschiebeflüge die Probleme.
Angeklagter: „War eine super Aufgabe“
Also wandte er sich mit einem Schreiben über diese Missstände an den Direktor des BFA. „Und danach wurden die Ermittlungen gegen mich eingeleitet“, mutmaßt der 55-Jährige, beteuert im angeklagten Tatzeitraum von 2015 bis 2020 immer gewissenhaft gearbeitet zu haben. „Mir hat das Spaß gemacht. Für mich war das immer eine super Aufgabe.“
Vorgeworfen wird dem suspendierten Beamten schwerer Betrug und Verletzung des Amtsgeheimnisses in zig Angriffen. Ihm drohen nun bis zu fünf Jahre Gefängnis. Für zahlreiche Zeugen wurde vertagt.
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