Auf seinem Streifzug durch die Plakatsammlung des Vorarlberger Wirtschaftsarchivs entdeckte Autor Robert Schneider einige ganz besondere Exemplare. Ein Blick in die Werbe-Welt des vergangenen Jahrhunderts.
Die Plakatsammlung „Wirtschaftsarchiv Vorarlberg“ ist eine großartige Fundgrube, wenn es darum geht, dem Zeitgeist, den moralischen Werthaltungen und der Ästhetik vergangener Jahrzehnte nachzuspüren. Die Sammlung kann online in der Vorarlberger Landesbibliothek abgerufen werden. Mit viel Schmunzeln, Staunen und natürlich einem gerüttelt Maß an Empörung (für alle, die der neuen Wokeness zusprechen), wird man darin auf Plakatwerbung heimischer Firmen stoßen, die heutzutage als undenkbar, ja als unzumutbar gilt. Dennoch sind diese Druckwerke ein Spiegel ihrer Zeit, ein beredtes Zeugnis in Bildern.
Dabei lassen sich die Plakate der hiesigen Wirtschaft, die Wahl-, Ausstellungs- und Konzertplakate unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. In dem Fundus des Wirtschaftsarchivs Vorarlberg ist eine enorme Fülle an Bildmaterial versammelt, das im Grunde das ganze vergangene Jahrhundert abdeckt, bis herauf in die 2000er Jahre und darüber hinaus.
Der Niedergang des druckgrafische Gewerbes
Die 2000er Jahre bringen eine Zäsur. In diesen Jahren vollzieht sich der endgültige Niedergang des druckgrafischen Gewerbes. Was über Jahrzehnte in Collagen, Holz-, Linolschnitten und Siebdrucken als kostspieliges Sujet hergestellt wurde, erledigen nunmehr die einschlägigen digitalen Bild- und Grafik-Programme mit links. Werbegrafiker wie Josef Hofer, Hugo Ender, Rudolf Hagen, das Atelier Kolbeck, Josef Hanser oder Reinhold „Nolde“ Luger haben, beginnend in den frühen 50er Jahren, dieses Land bildstark beworben.
Der Grat zwischen Kunst und Kommerz war schmal, aber es scheint, als hätte der Werbegrafiker von damals größere Gestaltungsfreiheit gehabt. Es war immer auch etwas von Experiment mit dabei.
Ein vorzügliches Beispiel, das in das Jahr 1980 datiert, stellt das Wahlplakat von Othmar Motter für den ehemaligen Harder Bürgermeister Gerhard Köhlmeier dar. Die Fotocollage benutzt die markante Silhouette Köhlmeiers und projiziert eine Luftaufnahme von Hard hinein. Der Slogan „Gerhard heute“ ist so schlicht wie monumental. Das könnte genauso gut „Leben heute“, „Glauben heute“ usw. lauten. Stellen Sie sich vor, Sie lesen bei einer der nächsten Wahlen: „Markus heute“. So viel Kühnheit besitzt nicht einmal die viel gepriesene KI.
Mit Raffinesse wirbt das Plakat für den Ausbau des Hohenemser Flugplatzes, das vom Verein „Pro Flugplatz Hohenems“ initiiert wurde. Der Gestalter ist unbekannt. Auf einer SW-Luftaufnahme des Flugplatzes mit Umgebung steht in schwarzer, rosa unterlegter Schrift: „229 Meter für eine funktionierende Wirtschaft“. Durch die Luftaufnahme und den kurzen, rosa Balken, der die doch nur marginale Verlängerung des Rollfeldes darstellt, sollen die Argumente der Gegner bagatellisiert werden.
Josef Hofer, der hierzulande die herausragendste werbegrafische Persönlichkeit der 60er bis frühen 80er Jahre war, hat seine Künstlerschaft immer wieder in den Dienst christlich-sozialer Themen gestellt. In einem Plakat der „Aktion Leben Vorarlberg“ (gegen Abtreibung und Sterbehilfe), geht Hofer mit Geißfuß und Hohleisen recht brachial zu Werke. „heute ich! morgen du!“ heißt es furchteinflößend, und das spitze Messer rammt sich in die zusammengesetzten Bilder von Säugling und Greis.
Natürlich war auch die Textilindustrie bis zu Beginn der 90er Jahre mit ihrem Werbeaufkommen überall im Ländle präsent. Anstatt ewig Models im neuesten Outfit zu fotografieren, beschritt die Firma Franz M. Rhomberg in Dornbirn experimentellere Wege. In einem Farbfotoplakat (datiert zwischen 1975 und 1985, der Fotograf ist ungenannt) wird nüchtern mit Farbtöpfen für gefärbte Stoffe geworben.
Uneindeutig-zweideutig gerierte sich ein Werbeplakat der Firma Benedikt Mäser aus dem Jahr 1957. Der bereits erwähnte Grafiker Othmar Motter fertigte ein gemaltes 2-Bogen-Plakat an, das Werbung für Wollhosen der Marke Elastisana machte. Darauf ist eine blonde Frau in rosa Wollhose zu sehen, auf ihrem Gesäß ein schwarzer Handabdruck. Der Slogan lautet: „ein guter Griff“ und meint gewiss die Wollhose, nicht das Gesäß. Eine Werbung, die heute der Genickbruch eines jeden Modelabels wäre.
Auch der Unterwäschehersteller Wolff war nicht gerade zimperlich. In einem vermutlich Anfang der 80er entstandenen Plakat (ebenfalls von Othmar Motter) mit dem Titel „WOLFF Wäsche trägt sich gut“, klemmt sich ein Mann mit gestähltem Bizeps zwei Frauen unter die Arme.
Um zwei letzte Beispiele an Anstößigkeit aus heutiger Sicht aufzuführen, seien ein Getränkehersteller und eine Kosmetikfirma angeführt. Beim Getränkehersteller handelt es sich um die Brauerei Fohrenburger, die Anfang der 60er Jahre ein farbgemaltes Kleinplakat in Umlauf setzte, das für Limonade der Marke Diezano warb. Darauf ist ein afrikanisches Eingeborenenkind mit Speer und Schild und einem Diezanoglas auf dem Kopf abgebildet. Selbst bei langer Betrachtung hat sich mir der Sinn dieser Grafik von Rudolf Hagen beim besten Willen nicht erschlossen.
Geradezu obszön wirkt die Werbung für eine Sonnencreme des Kosmetikherstellers Dybal, die vermutlich Ende der 60er Jahre als Plakatsteher in Bregenz zu sehen war. Ein europäisches, braun gebranntes Kind hält eine Sonnencreme der Marke Snik in die Höhe und prahlt damit gegenüber einem afrikanischen Kind: „Nicht braun allein, Snik braun muss es sein.“
Grafik zeigt die Ästhetik der Fünfziger Jahre
Lassen wir unseren Streifzug durch den fast siebzigjährigen Plakatwald unseres Landes mit einer noblen Anmutung enden. Anfang der 50er Jahre beauftragte die legendäre Tanzschule Edy Hofer in Bregenz den so renommierten Grafiker Josef Hofer mit einem Plakat zu einem neuen Tanzkurs. In der Überlängung und Stilisierung des tanzenden Paares, dem unwirklich scheinenden Licht, das aus einem rosa Rundbogenfenster dringt, ist eine zauberhafte Eleganz festgehalten. Eine wunderbare Grafik, die die ganze Ästhetik der Fünfziger Jahre widerspiegelt,
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