Ein aktueller Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich den ausgewählten Hundetrainer vorab genau anzusehen. Wenn von Strafen, Korrektur, Dominanz oder gar Gewalt die Rede ist, kann die Erziehung nämlich schnell in die falsche Richtung gehen. Auch bei „Problemhunden“ sollte ein nachhaltiger Vertrauensaufbau der erste Schritt sein.
Gebrüll, Schläge auf den Schädel und gewaltsames Packen am Halsband. Das sind die Eindrücke, die „Krone“-Leserin Dana J. (Name geändert) vom Training bei einer burgenländischen Hundetrainerin behalten hat. Völlig schockiert schreibt sie an die Redaktion der Tierecke, denn sie ist fassungslos, wie mit ihr und ihrem jungen Vierbeiner umgegangen wurde.
„Immer diese sch***s Labradore!“, schrie die Trainerin schon bei der offenbar für sie zu stürmischen Begrüßung, die ihr der Hund zuteilwerden ließ. Um dem Tier sein Fehlverhalten direkt aufzuzeigen, schlug ihm die Trainerin mehrmals mit der flachen Hand auf den Kopf. „Das ist kein Schlag, das ist eine körperliche Korrektur“, erklärte sie Frau J. auf Nachfrage.
Nein zu Gewalt
Methoden wie diese zielen darauf ab, unerwünschtes Verhalten durch ein für den Hund unangenehmes Erlebnis zu ändern. Doch aktuelle Studien zeigen, dass Hunde die emotionale Kompetenz eines zweijährigen Kleinkindes besitzen. Wer sich in diesem Fall also mit einer „gsunden Watschen“ behilft, an dem scheinen gewaltfreie und nachhaltige Erziehung in allen Bereichen spurlos vorübergegangen zu sein.
„Moderne Hundeerziehung basiert auf Motivation, Freude und liebevoller Unterstützung. Wenn man dem Hund unerwünschtes Verhalten mit einem starken Ruck an der Leine oder einer Tachtel auf den Kopf abgewöhnen will, spiegelt das nur das eigene Unvermögen wider“, weiß Ursula Aigner. Sie ist Expertin auf dem Gebiet und geht den Weg des „trainierens, statt dominierens.“
Aigner war eine der Ersten, die das staatliche Siegel des „tierschutzqualifizierten Hundetrainers“ mittels Prüfung ablegte. Als Verhaltensbiologin weiß sie genau, dass Gewalteinwirkung im Training genau den gegenteiligen Effekt hat und man langfristig nur noch mehr Probleme schafft.
„Aversive Methoden können tatsächlich dazu führen, dass der Hund das ungewünschte Verhalten vorerst ablegt. Der Hundehalter verbucht das als vermeintlichen Erfolg. Aber oft hat der Hund gar nicht verstanden, dass sein Verhalten unerwünscht war. Er verknüpft viel eher den Reizauslöser mit einer angstauslösenden oder schmerzhaften Erfahrung und vermeidet es daher kurzfristig“, so die Expertin.
Wenn man dem Hund unerwünschtes Verhalten mittels Leinenruck oder einer Tachtel auf den Kopf abgewöhnen will, spiegelt das nur das eigene Unvermögen wider
Ursula Aigner, Verhaltensbiologin und Hundetrainerin
Vertrauensfrage
Eine Partnerschaft kann nur auf Augenhöhe funktionieren. „Der Halter ist für den Hund die oberste Instanz. Von ihr erwartet er Souveränität und Schutz. Wenn ich meinem Hund, anstatt ihn aus kritischen Situationen herauszuführen, mit Gewalt begegne, dann wird er sehr wahrscheinlich irgendwann mit stressbedingtem Verhalten und Aggression reagieren, und spätestens dann kann es gefährlich werden“, erklärt die Fachfrau.
Als Problem wertet Aigner vor allem, dass „Hundetrainer“ ein sogenanntes „freies Gewerbe“ ist. Jeder kann es ausüben – unabhängig davon, ob man überhaupt einschlägige Qualifikationen hat. Der Markt ist voll von Menschen, die sich – auch stark in sozialen Netzwerken – als „Wunderwuzzi“ präsentieren. Wer also auf kynologische Handwerk und fundiertes Wissen beim Hundetrainer setzen möchte, sollte etwas tiefer recherchieren, als so manche „Story“ eines Trainers auf Instagram verspricht.
Die Resultate falscher oder – noch schlimmer – gar keiner Hundeerziehung, etwa auch über manch spektakuläres Fernsehformat übernommen, sieht Ursula Aigner mehrmals die Woche. Im städtischen Tierheim der Stadt Wien arbeitet sie mit Hunden, die wortlos durch ihre Körpersprache erzählen, dass ihnen im Leben bisher kaum Gutes widerfahren ist. Die Geschichte ist immer dieselbe: Sie wurden ausgesetzt, weil man ihrer überdrüssig wurde. Sie wurden herrenlos aufgefunden und niemand sucht nach ihnen. Oder die Behörde ordnete die Abnahme an.
Vertrauensverlust
All diese Tiere haben ihr Vertrauen in Menschen verloren. Gestresst, teilweise verängstigt oder aggressiv sitzen sie im TierQuarTier und sollen auf neue Plätze kommen. Doch wer nimmt sich ein Tier mit einer unbekannten Vorgeschichte, und das selbst für erfahrene Tierpfleger nicht immer einschätzbar ist?
Langsitzer im Heim
So auch „Struppi“ und „Herkules“. Der eine wurde frei laufend aufgegriffen, der andere musste im Zuge einer Delogierung mittels Fangstange gesichert werden. Gemeinsam mit Marion Umek arbeitete Ursula Aigner über ein Jahr daran, dass die beiden nun an erfahrende Hände abgegeben werden können.
Die Tierecke hat einen Spaziergang der beiden mit ihren Trainerinnen in der Auslaufzone des Tierheims begleitet. „Sogenannten ‘Problemhunden‘ mit Gewalt oder Strafe zu begegnen, wird ihnen nicht helfen, ein normales und sicheres Verhalten an den Tag zu legen. Gewalt erzeugt Gegengewalt“, sind sich Umek und Aigner einig.
Im TierQuarTier geht man einen bewusst nachhaltigen Weg, der ausschließlich über positives Training läuft und erwünschtes Verhalten belohnt, anstatt Problemverhalten zu bestrafen. So gewinnen die Vierbeiner an Sicherheit im Umgang mit Menschen und Artgenossen, ohne ihn durch Strafen noch mehr in die Angst oder Aggression zu drängen.
Klar ist den Trainerinnen auch: „Liebe allein reicht im Umgang mit solchen Hunden nicht.“ Um ihnen ihre Unsicherheit, und so auch das problematische Verhalten zu nehmen, benötigen die Hunde einen geregelten Ablauf, Konsequenz und schrittweises Heranführen an die schwierige Situation.
Ein erfahrener Hundetrainer wird hier mit Know-How und Geduld den richtigen Weg aufzeigen, und keine Methoden anwenden, die Hund und Herrl verstört zurücklassen.
Zweite Chance
„Struppi“ (etwa elf Jahre alt) und „Herkules“ (sieben Jahre alt) warten im TierQuarTier auf einen neuen Platz bei erfahrenen Hundehaltern. Eine Vermittlung beinhaltet große Veränderungen für die beiden und sie brauchen Zeit, um Vertrauen zu ihren zukünftigen Besitzern zu fassen. Das lernen sie, indem man sie nicht überfordert, ihre (Körper-)Sprache versteht und auf die Bedürfnisse eingeht. Daher ist es notwendig, dass Interessenten bereit sind, Zeit zu investieren, sich aktiv ins belohnungsorientierte Training einzubinden und schlussendlich das Training auch Zuhause fortsetzen.
Die beiden können im Rahmen einer schrittweisen Übernahme adoptiert werden. Das bedeutet, man lernt den Hund über mehrere Wochen kennen und betreut ihn, bis ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut ist. Hierbei wird man von Mitarbeitern und Trainern des TierQuarTier unterstützt und angeleitet.
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