Lange war sie als Geliebte nur eine Randnotiz in einem Männerleben. Franz Kafkas Liebesbriefe an Milena machten sie berühmt – doch viele Jahre kannte man nicht einmal ihren Nachnamen. Und während das Grab des Schriftstellers in Prag schon vor seinem 100. Todestag im Juni eine Pilgerstätte ist, erinnert an seine Seelenfreundin nur ein „Stolperstein“. Ein Grab gibt es nicht, das man rund um ihren gestrigen 80. Todestag besuchen könnte: Milena Jesenská starb am 17. Mai 1944 im KZ Ravensbrück.
Dabei war Jesenská so viel mehr als nur Geliebte und Übersetzerin Kafkas. Die emanzipierte, mondäne, kluge, unbeugsame Journalistin beleuchtete den Vorabend des Zweiten Weltkriegs in Prag, die Armut der Bevölkerung, die soziale Ungerechtigkeit mit herausragendem Weitblick und Empathie. Sie lehnte sich gegen die Kommunisten ebenso auf wie gegen die Nazis und half Verfolgten bei der Flucht vor den Deutschen. Immer wieder widmete sie sich in Reportagen dem Elend der Flüchtlinge, Menschen, die „im luftleeren Raum hängen und den Sinn fürs Leben verlieren“. Noch im KZ half sie den anderen Frauen mit ihrem unbändigen Mut – und rettete einigen das Leben.
1937 schrieb sie in einem ihrer Texte, dass das Mitgefühl für andere in Krisenzeiten abnimmt, dass Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit auch in den Besten schlummern und leicht geweckt werden können. Es lohnt sich gerade dieser Tage, Milena Jesenská wiederzuentdecken.
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