Stadtspaziergänge

Die Ambivalenz von Autos in einer Großstadt

Wien
05.05.2024 13:00

„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Als ein in der steirischen Diaspora Aufgewachsener habe ich ein breiteres Verhältnis zum Thema Automobil, als es in Wien der Fall zu sein scheint. Die Wahl des ersten Autos war Anfang der Nullerjahre genauso wichtig wie die richtige Lackierung, die kurze Sport-Antenne (viel cooler!) und der richtige CD-Wechsler. Selbst das berühmt-berüchtigte „Jausenbrett“ (fachmännisch Heckspoiler genannt) entschied da durchaus über Eintritt oder Verweigerung in diversen Freundeskreisen. Nun sind gut 20 Jahre ins Land gezogen und ich lebe im Westen Wiens. Ein Auto habe ich immer noch, aber nicht für den Alltagsgebrauch, um von A nach B zu kommen. Das wäre sinnlos, weil Zeitverschwendung. Wien ist die Stadt, in der das Thema Auto am hitzigsten diskutiert wird. Unlängst erst in meiner direkten Nachbarschaft.

Als der SUV-fahrende Bewohner des Nebengebäudes seinen Motor wieder einmal minutenlang am Stand laufen lässt, ist die Dame am Gehweg naturgemäß wenig begeistert. „Kann man die Kraxn auch einmal abstellen? Muss der die ganze Zeit rennen?“ Ein erwartet hitziges Wortgefecht wird vom Überraschungsmoment verhindert. Der SUV-Fahrer wirkt brüskiert, aber tut, wie rustikal von ihm erbeten. Am Auto scheiden sich die Geister. Es brechen Kleinkriege vom Zaun und gute Freundschaften werden einem ernsten Belastungstest unterzogen. Es geht u.a. um Folgendes: Braucht man in der Stadt überhaupt ein Auto? Wie regelt man die Parkpickerlfrage? Machen Fußgänger- und Begegnungszonen nicht mehr Sinn als Durchzugsstraßen? Und warum muss an den Eingangstoren der Stadt die ganze Zeit so verantwortungslos gerast werden?

Fürwahr, es spricht nicht allzu viel für den Besitz eines fahrbaren Untersatzes in der Bundeshauptstadt, doch die kollektive Verteufelung des Autos ist zu kurz gedacht. Ich denke da etwa an die rüstige Seniorin ums Eck von meiner Wohnung, die sich unter großem körperlichem Aufwand ins Auto zwängt, um alleinstehend die Einkäufe zu besorgen und tägliche Wege zu erledigen. Wenn die Wiener Linien in ihrer Sommerumbauoffensive zahlreiche Verbindungen kappen und der Arzt des Vertrauens an den Ausläufern des Wienerwalds praktiziert, dann wird es für mobil beeinträchtige Personen schnell schwierig. Taxikosten sind in Zeiten der österreichischen Turboinflation auch keine dauerhafte Problemlösung in einem normal verdienenden Haushalt. Manchmal geht es auch schlichtweg darum, schwere Einkäufe von A nach B zu transportieren oder abseits vom Auer-Welsbach-Park am Wochenende ins Grüne fahren zu können.

„Wenn ich einen Freund in Floridsdorf besuchen will, dann brauche ich das Auto“, erzählte mir unlängst ein guter Bekannter, als wir grob über das Thema zu sprechen kamen, „wo er wohnt, fährt keine U-Bahn und wenn es später wird und kalt ist, warte ich ewig auf den Bus. Das ist für mich schlichtweg keine Option.“ Für eine gute Freundin von mir sind die Bedürfnisse für ein Auto wiederum ganz woanders gelagert. „Ich hasse es, wenn mich die Leute in den Öffis anschwitzen oder anhusten. Es ist eng und ungut und wenn zum warmen Frühlingsbeginn die Heizung aufgedreht wird, reicht’s mir auch schon wieder.“ Nicht alle Gründe mögen schlüssig, sozial oder zukunftsweisend sein, aber auch beim Thema Auto merkt man – Bevormundung ist auch kein Problemlöser.

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