Umfrage unter Parteien

Darf Putin als Diktator bezeichnet werden?

Politik
15.03.2024 21:00

Wladimir Putin lässt sich in den kommenden Tagen als russischer Präsident bestätigen. Wahlbeobachter, Historiker und Politologen sagen: Diese Wahl hat ihren Namen nicht verdient, hier sei ein Diktator am Werk. Sehen das die heimischen Parteien genauso? krone.at hat nachgefragt – mit einem durchaus überraschenden Ergebnis!

Kremlchef Putin steuert aktuell auf eine fünfte Amtszeit zu. Bis Sonntag sind seine Landsleute dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Eine echte Auswahl haben sie dabei nicht. Die einzigen ernstzunehmenden Gegner wurden vom Wahlzettel gestrichen, ins politische Exil getrieben oder – wie Alexej Nawalny – regelrecht aus dem Weg geräumt. 

In Europa ist von „Pseudowahlen“ die Rede. Der belarussische Machthaber und Putin-Handlanger Alexander Lukaschenko galt lange Zeit als letzter Diktator Europas. In der Wahrnehmung vieler muss diese Liste spätestens seit dem Überfall auf die Ukraine um einen Eintrag erweitert werden. Westliche Medien rufen Staatenführer in ihren Leitartikeln dazu auf, den erwartbaren Erdrutschsieg Putins nicht anzuerkennen und den Kremlchef als das zu bezeichnen, was er ist: ein Diktator.

Putin hat demokratische Strukturen weitgehend ausgehöhlt:

Wie steht es also um die gescholtene russische Demokratie? Darf Putin als Diktator bezeichnet werden? Und sollte die Wahl überhaupt anerkannt werden? Diese drei Fragen hat krone.at den heimischen Parteien gestellt.

Antwort NEOS

„Feind eines souveränen Europas“

Die NEOS und ihr EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter gehören zu den lautstärksten Kreml-Kritikern in Österreich. Der ehemalige Journalist hat Putin in der Vergangenheit bereits häufiger als Diktator bezeichnet. Eine Sprecherin seiner Partei ist da etwas vorsichtiger …

Einschätzung der demokratischen Lage: Russland ist längst keine liberale Demokratie mehr. Politische Gefangene, eingeschränkte Rechte der Meinungsfreiheit und eine fehlende Opposition zeigen das tagtäglich auf dramatische Art und Weise.

Ist Putin ein Diktator? Putin ist jedenfalls ein Kriegstreiber und mutmaßlicher Kriegsverbrecher und ein Feind eines souveränen Europas.

Wird Ihre Partei die Wiederwahl des Kremlchefs anerkennen und entsprechend gratulieren? Wir beteiligen uns grundsätzlich nicht am Gratulationsreigen nach Wahlen, jemandem, der Länder überfällt, liberale Politiker auf Fahndungslisten setzt und mit Atomwaffen droht, gratulieren wir aber mit Sicherheit nicht.

Antwort FPÖ

„Nicht von vorrangigem Interesse“

Den Freiheitlichen werden immer wieder problematische Russland-Verbindungen nachgesagt. Die außenpolitische Sprecherin Susanne Fürst wollte die Fragen von krone.at nicht explizit beantworten. 

Antwort FPÖ: Als österreichische Partei fokussieren wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Aufgaben in Österreich. Zudem sind wir bemüht, Äquidistanz sowohl zu den USA als auch zu Russland zu halten. Die Fragen rund um die russische Präsidentenwahl sind für die FPÖ daher nicht von vorrangigem Interesse. Es gibt genügend Experten, die über die Lage in Russland besser Bescheid wissen. Ob die FPÖ oder andere Parteien eine Wahl in einem anderen Land anerkennen, ist für Russland wohl ebenfalls nicht von Bedeutung. Eine Gratulation ist keine geplant.

Antwort Grüne

„Diktatorische Herrschaft“

Die Grünen haben sich jüngst für die Ausweitung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Die außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic verurteilt die aktuellen Vorgänge.

Einschätzung der demokratischen Lage: Wir verurteilen die sogenannten „Wahlen“ in den besetzten Regionen der Ukraine, die wir als Teil der Versuche Moskaus sehen, seine illegale Besetzung und Annexion zu festigen. Diese Wahlen sind weder fair noch frei – alle politischen Mitbewerber:innen werden skrupellos aus dem Weg geräumt. Als Wahlbeobachterin kritisiere ich die Entscheidung des Kremls, OSZE-Beobachter:innen gar nicht erst einzuladen. So schaut niemand auf die Vorgänge. Hätte Putin nichts zu verbergen, würde er zumindest hier Transparenz zulassen.

Ist Putin ein Diktator? In Russland herrscht keine Demokratie, sondern eine diktatorische Herrschaft. 

Wird Ihre Partei die Wiederwahl des Kremlchefs anerkennen und entsprechend gratulieren? Das sind keine Wahlen, sondern eine Plattform für Fake News. Ich wüsste nicht, was es da zu gratulieren gäbe.

Antwort ÖVP

„Nehmen das zur Kenntnis“

Die ÖVP hat Putin wiederholt als Aggressor bezeichnet und den Überfall auf die Ukraine verurteilt. Der Volkspartei zufolge würden die Taten des Kremlchefs für sich stehen, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Einschätzung der demokratischen Lage: Putins Russland ist ein autoritärer Staat – die Opposition wird unterdrückt, es gibt keine freien Medien und die Wahlen sind alles andere als demokratisch. Diese Zustände wollen wir in Österreich nicht haben, sehen aber die Gefahr, dass manche Parteien in Österreich das auch für unser Land wollen.

Ist Putin ein Diktator? Der Umgang mit der verbliebenen Opposition und der Zivilgesellschaft spricht Bände. Da erübrigt sich jede Diskussion um die Terminologie. Sie hilft auch den Menschen in Russland nicht weiter.

Wird Ihre Partei die Wiederwahl des Kremlchefs anerkennen und entsprechend gratulieren? Es gibt wohl kaum Zweifel daran, dass Putin wiedergewählt wird. Wir nehmen das zur Kenntnis.

Antwort SPÖ

„Weder frei noch fair“

Die Sozialdemokraten pflegten vor dem Krieg gute Kontakte nach Russland. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im vergangenen Jahr per Videoschalte eine Rede im Nationalrat gehalten hat, waren mehr als die Hälfte der Sitze des roten Parlamentsklubs leer geblieben. Eine Welle der Empörung und eine Entschuldigung der Sozialdemokratie waren die Folge. Von „Putins Regime“ will sich die SPÖ klarer distanzieren, teilte ein Parteisprecher mit. 

Einschätzung der demokratischen Lage: Russland wird autoritär regiert. Grund- und Menschenrechte werden immer mehr eingeschränkt, die Opposition wird unterdrückt, seit Jahrzehnten auch mit politischer Verfolgung, wie zuletzt der Mord an Kreml-Kritiker Nawalny durch das Putin-Regime gezeigt hat. Oligarchische Strukturen spielen in Russland eine wesentliche Rolle. Die Präsidentschaftswahl ist weder frei noch fair.

Ist Putin ein Diktator? Putin führt ein autoritäres Regime an, das imperialistisch und brutal agiert und Menschenrechte verachtet. Es gibt genug Gründe, Putin als Diktator zu bezeichnen. Im Gegensatz zu Russland kann in Österreich auch jeder von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen und ihn so nennen.

Wird Ihre Partei die Wiederwahl des Kremlchefs anerkennen und entsprechend gratulieren? Putin wird Präsident Russlands bleiben. Fakt ist, dass die Wahl nicht demokratisch ist. Sie ist weder frei noch fair. Eine Gratulation von SPÖ-Seite wird es nicht geben.

Antwort KPÖ

„Ja“

Die jüngste Historie der Kommunisten ist von Fehltritten geprägt: 2021 pries ein KPÖ-Landrat im belarussischen Staatsfernsehen die angebliche „Pressefreiheit“. 2019 posierte ein Genosse mit prorussischen Separatisten in der von Putin ausgerufenen „Volksrepublik Donezk“. Seit dem Ukraine-Krieg ist die KPÖ um ein anderes Bild bemüht. Folgendes teilte der Bundesvorstand mit.

Einschätzung der demokratischen Lage: Sehr schlecht, die Inhaftierung von politischen Gegnern ist schärfstens zu verurteilen.

Ist Putin ein Diktator? Ja, basierend auf klerikalem Nationalismus und Oligarchenkapitalismus.

Wird Ihre Partei die Wiederwahl des Kremlchefs anerkennen und entsprechend gratulieren? Nein, wir gratulieren auch anderen Autokraten nicht.

Keine Antwort

Bierpartei

Die Bierpartei sah sich nicht in der Lage, die Fragen von krone.at innerhalb der gesetzten Frist von mehreren Stunden zu beantworten. Die Anfrage sei „zu kurzfristig“, da Parteichef Dominik Wlazny mit seiner Band Turbobier auf Tour sei, teilte eine Sprecherin mit.

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