Schneiders Brille

Darf man beim Neujahrskonzert klatschen?

Vorarlberg
07.01.2024 10:45

In seiner aktuellen Ausgabe von „Schneiders Brille“ nimmt sich der Autor Robert Schneider dem traditionellen Neujahrskonzert an. 

Die grüne Kultursprecherin Eva Blimlinger ist eine treue Zuschauerin des jährlich stattfindenden Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker. Im Parkett des Musikvereinssaals, wo es nach mit Klosterfrau-Melissengeist eingeriebenen Rücken nur so duftet, wird das Publikum erst gegen Ende der ewig wiedergekauten Gassenhauer so richtig wach, und zwar dann, wenn der Radetzkymarsch anhebt. Ach, wie groß doch einmal Österreich war! Schon schade. Und am Meer lagen wir - Triest. Auch die Frau Blimlinger hadert. Allerdings nicht ob der entschwundenen Größe, sondern weil doch in Zeiten wie diesen ein Militärmarsch nun wirklich unangebracht ist. Das Klatschen dazu geht schon mal gar nicht. In ihrem Tweet schreibt sie, dass die Komposition eine „Huldigung für den Sieg über Piemont und der k. k. Armee über die Wiener Bevölkerung in der ,Praterschlacht’“ sei.

Gut, so kann man es faktisch sehen. Wenn man aber ein wenig Ahnung von musikalischen Zusammenhängen hat und auch etwas recherchiert, hätte Frau Blimlinger herausgefunden, dass gerade der Radetzkymarsch der untypischste aller Märsche ist, gar nichts Martialisches hat, sondern eine feine und ironisch gebrochene Faktur aufweist. Es ist ein in Kunstmusik überhöhtes Stück Musik (zu dem übrigens wirklich nicht geklatscht werden sollte, weil es den enormen musikalischen Witz verflacht).

Blimlinger hätte allerdings punkten können, wenn sie die Philharmoniker einmal darauf hingewiesen hätte, dass die viel zu dicke Orchestrierung und das anfängliche Eintrommeln des Marsches nicht von Johann Strauss (Vater) stammt, sondern eine Bearbeitung des ehemaligen Leiters der NSDAP-Kreismusikstelle-Leipzig, Leopold Weninger, der u. a. eine Hitlerhymne und einen Sturmführer-Marsch komponiert hat.

Nein, man soll beim Radetzkymarsch nicht klatschen, weil diese Musik viel zu charmant und feinsinnig ist.

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