Live in der Stadthalle

Sarah Connor zwischen Wichtel und Weihnachtspullis

Musik
15.12.2023 00:53

Deutschlands „Soul Queen“ feierte Donnerstagabend mit rund 5000 Fans in der Wiener Stadthalle ihre semiweihnachtliche „Not So Silent Night“. Rund zweieinhalb Stunden sang und tanzte sie sich durch Selbstgeschriebenes und Weihnachtsklassiker. Die Hauptdarsteller waren aber ihr Publikum.

(Bild: kmm)

Alle Jahre wieder klingen die Glöckchen durch die meist matschige Frühwinterzeit und bereiten auf ein möglichst besinnliches Weihnachtsfest vor. Das Klischee von Rückbesinnung und Innehalten tragen wir gesellschaftlich wie die Karotte vor der Nase, wer sich aber mit der Realität auseinandersetzt, erlebt die Festtage größtenteils völlig anders. Letzte Terminabgaben, Arbeitsstress vor dem Urlaub, Uni-Prüfungen, Überkonsum, um Freunde, Familie, nähere und entfernte Bekannte zu beschenken, alkoholgeschwängerte Weihnachtsfeiern und offen ausgetragene Zwistigkeiten am Familienesstisch, die sich nach einem Jahr des Hineinfressens nach dem dritten Stamperl Eierlikör endlich Bahn brechen. Kurzum - es ist kompliziert, aber man gibt es nicht gerne zu. Deutschlands „Soul Queen“ Sarah Connor, seit jeher bekannt für einen sehr direkten Umgang mit Alltagsthemen, macht aus ihrem Weihnachtsherzen keine Mördergrube und besingt die Realität mit Witz und Charme.

Ab in den Weihnachtszug
Ihr 2022 veröffentlichtes und heuer in einer „Cozy Edition“ um drei neue Songs erweitertes Weihnachtsalbum „Not So Silent Night“ ist Programm. Mit sieben Geschwistern und mittlerweile vier Kindern kennt die 43-Jährige alles, nur keine Ruhe. „Als vierfache, berufstätige Mutter habe ich immer viel zu tun, bei uns herrscht viel Gewusel“, erklärt sie uns im „Krone“-Interview vor ihrem Auftritt in der Wiener Stadthalle, „meine zwei ältesten sind aber nach England zur Schule und zum Studieren gegangen. Meinen Sohn sehe ich nach vier Monaten das erste Mal wieder, unser Weihnachten ist heuer anders als sonst.“ Den rund 5000 treuen Fans, teilweise ausgestattet mit festlichen Glitzerhüten und knallroten Weihnachtspullis, bietet sie vor allem einen Abend fernab des Alltagsstresses. „Wir fahren jetzt mit meinem Weihnachtszug und die Stühle hier sind nur als Empfehlung gedacht“, offeriert sie Leuten sehr früh die Chance, die Sau rauslassen zu dürfen.

Mit ihrem zweiten Weihnachtsalbum wagte Connor angenehmerweise etwas Neues. Sie hat die alten Klassiker nicht zum x-ten Mal lauwarm aufgebrüht, sondern eigene Songs geschrieben. Songs über Weihnachten, wie sie selbst sie erlebt. Bei „Santa, If You There“ schickt sie einen Gruß an die geliebte und verstorbene Oma nach oben in den Himmel, „Christmas 2066“ ist eine weihnachtliche Zukunftsvision, „24th“ dreht sich um den allgemeinen Wahnsinn am Tag X und „Quiet White“ beschreibt Tücken und Vergänglichkeit einer zerrütteten Beziehung mit einem malerischen Schneeflockenvergleich. Die ganz in Rot gewandete Künstlerin wird unterstützt von zwei Schlagzeugern, einem Streichquartett, vier Backgroundtänzerinnen, einer regulären Band und fährt mit üppiger Optik auf. Zwei Seitenvideoleinwände vermitteln mit Bilderrahmenoptik analoges, die Musiker stehen auf LED-Podesten.

Licht ins Dunkel
Während Connor zu Konzertbeginn bei „Christmas Train (Destination Hope)“ übers Publikum gen Bühne läuft, fällt dort vor allem die massive Videowall im Hintergrund auf, die im zweieinhalbstündigen Set zu jedem Song die passenden Grafiken projiziert. Kaminfeuer, Schneelandschaft, Sternenhimmel, Weihnachtsmarkt, Bescherung im Wohnzimmer - hier passiert mehr Weihnachten, als das Kleinhirn überhaupt zu fassen wagt. „Ich will Leichtigkeit verteilen und ein bisschen Feenstaub rieseln lassen“, erzählte sie davor im Interview, „unsere Kinder haben mit Pandemie und den Kriegen ganz schön viel zu verarbeiten gehabt. Wir leben in dunklen Zeiten und die Jahreszeit selbst ist wortwörtlich sehr dunkel. Die Herzen sind ohnehin schon schwer genug.“ Mit ihrer Mischung aus selbstgeschriebenen Songs und diversen Klassikern von Nat King Cole bis Mariah Carey hält Connor den Spannungsbogen hoch. Auf ihrer Achterbahnfahrt durch diverses Festliches gibt es Aufs und Abs. Stimmlich gelingen ihr „Christmas In My Heart“ und „The Best Side Of Life“ besonders gut, das klassische „Ave Maria“ hingegen will trotz aller Bemühung nicht wirklich funktionieren.

Geschäftiges Treiben auch in den Songpausen. Wenn es auf der Bühne was umzustellen gibt, oder die Musiker anders gestimmte Gitarren benötigen, huschen fleißige Roadies in Wichtelhauben durch die Gegend. Connor achtet auf ihrer „Not So Silent Tour“ auf jedes Detail, vor allem aber auf Publikumsinteraktion. Bei Klassiker-Medleys wie „Jingle Bells“ oder „Leise rieselt der Schnee“ wuselt sie mit dem Mikrofon durch die Saalgänge und gibt mehr oder weniger Interessierten eine Chance auf ihre persönlichen fünf Sekunden Ruhm. Zusammengefasst lässt sich sagen: Mit einem Plattenvertrag wird’s bei den meisten Wiener Fans eher nichts. Die zu sich geholten Kinder zwischen 4 und 12 machen es bei „In der Weihnachtsbäckerei“ wesentlich besser. Den österreichischen Volkszorn bekommt Connor zu spüren, als sie vom Weihnachtsmann palavert und nicht das Christkind benennt, doch dann stimmt ein kleines Mädchen „Alle Jahre wieder“ an und es herrscht runderneuerter Seelenfrieden. „Das ist mein Lieblingsmoment beim Konzert. Ich lasse einfach die Halle singen.“

TV oder Bühne
Das Lametta kann man sich bei Sarah Connor dazu denken, ihre Weihnachtsshow schafft den seltenen Spagat zwischen kitschig-klassisch und gewagt-modern, ohne auf dem Zwischenweg irgendwo böse auszurutschen. Der gegen Ende hin dargebotene Titelsong „Not So Silent Night“ ist mit seiner Rock’n’Roll-Attitüde zwar perfekt für die unvermeidliche Konfettikanone, in seiner rauen Darbietung aber dann doch ein bisschen gewagt ausgefallen. „Es ist eigentlich weniger ein Konzert und mehr eine interaktive Show, wo ich mit den Menschen interagiere und schaue, wie es ihnen geht“, hat sie uns noch vor dem Konzert gesagt. Als sie mit den Kindern singt, verwechselt sie kurzerhand das Wort „Show“ mit „Sendung“ und gibt damit unfreiwillig tiefere Einblicke. Ihr Entertainmentpaket hat mehr TV-, als Konzertgestus. Funktioniert hat es trotzdem und Connor wird mit ihrer in Wien lebenden Schwester heute noch durch die Stadt flanieren. „Hier bei euch ist alles viel gediegener und gemütlicher als bei mir in Berlin.“ Frohe Weihnachten!

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