Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll versucht haben, den früheren Justiz-Topbeamten Christian Pilnacek dazu zu bewegen, Ermittlungen gegen die ÖVP abzuwürgen. Diesen Vorwurf erhebt der mittlerweile verstorbene Pilnacek in einer nun aufgetauchten heimlichen Tonaufnahme. Die Opposition fordert deswegen den Rücktritt des Nationalratspräsidenten. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sprang ihm bei - mit einer ungewöhnlichen Argumentation.
Die schweren Vorwürfe gegen Sobotka wurden zu Beginn der Nationalratssitzung am Mittwoch thematisiert. Der ÖVP-Politiker müsse wissen, was zu tun sei, um Schaden von der Republik abzuwenden, meinte SPÖ-Klubchef Philip Kucher. Das Amt werde durch ihn beschädigt: „Genug ist genug.“
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sah in seiner Rede eine ganze Kette von schwerwiegenden Verfehlungen der Volkspartei, die mit Nationalratspräsident Sobotka in Zusammenhang stünden. Der zweithöchste Mann der Republik stehe im Verdacht, die Institutionen zum Durchsetzen parteipolitischer Machtinteressen zu missbrauchen, und dann fehlten ihm noch „Horizont und Anstand, zu wissen, was notwendig wäre“.
NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger war „irritiert“ über die Umstände, wie die neuen Vorwürfe an die Öffentlichkeit gekommen waren. Ebenso irritiert sei sie über das, was der vor Kurzem aus dem Leben geschiedene Ex-Sektionschef Pilnacek auf dem öffentlich gewordenen Tonband über Sobotka sage. Es sollte nicht der leiseste Verdacht bestehen, dass der Nationalratspräsident nicht die untadelige Person sei, die das Amt brauche: „Ich ersuche Sie um Ihren Rücktritt.“
NEOS-Chefin: „Nichts widerlegt“
ÖVP-Generalsekretär Stocker hatte zuvor „aufgewärmte Vorwürfe“ gesehen, die im ÖVP-Untersuchungsausschuss bereits durch die Aussagen von Pilnacek widerlegt worden seien. Dort sei aber „nichts widerlegt worden“, betonte Meinl-Reisinger. Das sei eine falsche Behauptung: Pilnacek habe „nicht definitiv verneint, dass Mitglieder der Volkspartei - allen voran Sobotka - versucht haben, Einfluss zu nehmen. Hier hat sich Pilnacek entschlagen“, erklärte die NEOS-Chefin. Tatsächlich war die Befragung des Top-Beamten im Mai 2022 davon geprägt, dass er mehrfach die Aussage verweigerte. Die Grünen meldeten sich im Nationalrat zu der Causa nicht zu Wort.
Stocker verteidigt Sobotka
In einer kurz darauf angesetzten Pressekonferenz blieb Stocker dabei, dass die Vorwürfe im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss bereits geklärt worden seien. „Wenn wir heimlichen Tonaufnahmen mehr glauben als Aussagen im U-Ausschuss, ist etwas schief im Staat“, meinte er. Dass die Opposition den Rücktritt von Sobotka fordere, sei nichts Neues. Das sei die „Fortsetzung eines unwürdigen Schauspiels“, so Stocker. Denn es könne nicht an der Anzahl der Vorwürfe liegen, ob jemand zurücktreten muss. „Gerade Sobotka zieht manchmal diese Vorwürfe auf sich, weil er eine klare Sprache hat“, versuchte er den Nationalratspräsidenten zu verteidigen.
„Was wusste Stefan Petzner?“
Für ihn wesentlich sei die Frage nach den „Hintermännern“, die hinter der heimlichen Pilnacek-Tonaufnahme stecken, betonte Stocker. Er stellte in den Raum, dass der Ex-BZÖ-Politiker Stefan Petzner damit etwas zu tun haben könnte (siehe Video oben). In einem eingespielten TV-Ausschnitt vom 6. November 2022 spricht Petzner von „weiteren Belastungen“, die Sobotka zum Rücktritt zwingen würden. Er unterstelle „überhaupt nichts“, meinte Stocker dazu, sondern er stelle Fragen: „Was wusste Stefan Petzner hinsichtlich der Vorbereitung der Aufnahme? Warum ist ein Jahr danach der Mitschnitt veröffentlicht worden?“ Petzner werde diese Fragen beantworten müssen, so der ÖVP-Generalsektretär.
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